Jetzt bauen sie wieder in Irland. Zwar entstehen derzeit keine überflüssigen Häuser wie zu den Zeiten des Keltentiger-Booms, aber immerhin wird an den Straßen des Landes kräftig gewerkelt. Von der EU mitfinanzierte Konjunkturprogramme machen es möglich. So wird die Nationalstraße 71 von Cork nach Killarney zwischen Bantry und Glengarriff gerade zum Hochgeschwindigkeitskurs ausgebaut. Der Straßenausbau erregt die Gemüter in der Bantry Bay wie sonst nur eine verlorene Meisterschaft im Gaelic Football: Die Menschen entlang der der Asphaltpiste sind wütend und frustriert über die selbstherrlich und ignorant handelnde nationale Straßenverwaltung NRA und über das Ergebnis in schwarz.
Auf einer Länge von kaum sechs Kilometern verballert die NRA derzeit drei Millionen Euro. Der Straßenbelag wird Schicht um Schicht aufgebaut, an manchen Stellen haben die Asphaltmaschinen von McSweeneys einen neuen Straßenbelag in der Höhe von 120 Zentimetern (!) aufgebracht. So fährt man nun auf einer erhöhten Straße ebenerdig mit den alten Begrenzungsmauern und fällt, wenn es schlecht läuft, von der Straße direkt den Abhang hinunter. An anderen Stellen der knapp 150 Kilometer langen N71 tut sich dagegen seit Jahren nichts. Nur die Schlaglöcher vermehren sich dort in rasantem Tempo.
Noch mehr als über die punktuelle Verschwendung ärgern sich die Leute über den Zeitpunkt der Bauarbeiten: Seit Februar werkeln die Bauarbeiter an dem Straßenstück, Sperrungen und Verspätungen gehören lange schon zum Alltag, und nun ist man mitten in der Tourismus-Saison. Zwischendurch wird im Mai ohne Vorankündigung die Straße durch die Turner-Tunnels nach Kerry eine Woche lang gesperrt, die Eigentümer von Tourismusbetrieben in Glengarriff, Kenmare und vor allem entlang der gesperrten Straße verzweifeln, als die Besucher plötzlich ausbleiben. Weil die Straßenbaubehörde gestern nun ankündigte, dass die Straße nach Kerry, die einzige Verbindung in weitem Umkreis, im Juni erneut eine Woche lang gesperrt werden soll, wird der Ärger zum Tumult. Die Menschen organisieren sich und wollen sich das nicht länger bieten lassen. Sie forden die NRA, die bislang auf Briefe und Beschwerden mit eiserner Nichtbeachtung reagiert hat, heraus: Die Arbeiten müssen in den Herbst verschoben werden, so die Forderung. Ob´s hilft?
Dabei sind auch andere Fragen zu stellen: Seit Jahren wird in der Ferienregion Bantry Bay über den Bau eines Fußgänger- und Radwegs entlang der viel befahrenen Nationalstraße 71 diskutiert. Vor allem der Weg vom Dorf ins Naturschutzgebiet von Glengarriff führt entlang der engen Straße und birgt Risiken für Fußgänger. Nachdem die Bauarbeiten in jenem Bereich abgeschlossen sind, musste man erkennen, dass die NRA nichts von den Wünschen berücksichtigt hat: Kein Gehweg, kein Spazierweg, kein Radweg. Nur eine Asphaltpiste für Autos.
Es lebe das autogerechte Dorf, es lebe die Ignoranz der Behörden!
Foto: © 2012 Markus Bäuchle / Wanderlust
Hi Ihr Beiden!
Egal, in welcher Sprache:
Bei den 80 oder gar 120 cm geht es nicht um den „Straßenbelag“, sondern um den gesamten Aufbau (incl. Unterbau) über Rohplanum.
80 cm sind auch auch bei normaler Frostrbelastung genug.
So oder so: Das ganze Zeugs wird nicht einfach aufs Gelände geschüttet, sodaß es dann 80 (oder 120) cm darübersteht, sondern der Boden wird zuvor bis auf tragfähigen Grund ausgehoben, ggf. mit Bodenaustausch.
Zur Kostenphilosophie: Bei wenig belasteten Straßen im Outback tut es sicher auch die traditionelle irische Methode (ein paar Blümchen, die aus den Deckenrissen in der Mitte sprießen, sind irgendwie poetischer als ein schnöder weißer Mittelstreifen). Aber bei einer vielbelasteten Straße ist ein vernünftiger Aufbau auf Dauer gesehen der billigste.
120 cm über Geländeoberkarte sind aber einfach Murks.
Bádóir
Ha ’s däd au en schwäbisch geh‘ :-)
NIx für ungut!
Wir reden beide deutsch und wie meist doch zwei Sprachen. Danke für Deinen Blickwinkel!
Wir reden vom Bau, nicht vom Ausbau. Wir leben in Irland und die Menschen hier vergleichen diese Straße mit den guten Straßen in Irland und nicht mit einer Straße im WiWu-Land D.
„Wir reden vom Bau, nicht vom Ausbau“
Ich auch.
„Wir leben in Irland und die Menschen hier vergleichen diese Straße mit den guten Straßen in Irland und nicht mit einer Straße im WiWu-Land D“
Ach, das ist mir in den letzten knapp über 16 Jahren hier in Irland ganz entgangen.
Dazu noch ein Zitat von Fred Barry, CEO der NRA:
„…the average cost per kilometre for the motorways was €8 million, which he said was “at the low end” of road-building costs in western Europe…“
Straßenbau ist in Irland nicht teurer als sonstwo in Europa, das ist alles, was ich an deinem Beitrag ins rechte Licht rücken wollte.
Die neueren „guten“ Straßen in Irland können durchaus mit der Qualität von deutschen Bundesstraße mithalten. Sie wurden ja schließlich zu einem Großteil auch von einem spanischen/französischen/deutschen Konsortium gebaut ;-)
Hallo Wanderer,
der Bau einer deutschen Bundesstraße kostet im Schnitt rund €250 pro Quadratmeter und der Aufbau ist in der Regel 80 cm dick, kann aber auch deutlich über einen Meter hoch sein (ok, inklusive Frostschutz). Die Kosten und der technische Aufwand in deinem Beispiel zeigen also keinerlei besondere Auffälligkeiten, wenn man nicht generell etwas gegen Verbrennungsmotoren hat ;-)
Die zeitliche Planung ist natürlich, speziell in einem touristischen hotspot, völliger Unsinn. Aber Planung ist in Irland eben häufig auch Glücksache…!