Als wir vor zwölf Jahren aus der deutschen Großstadt nach Irland zogen, konnten wir von Grün und Pflanzen gar nicht genug bekommen. Jedes Ästchen war uns heilig, es schmerzte, im überwucherten Garten Wege zu bahnen, Bäume zu sägen, Büsche zu toppen, Ginster und Brombeere, Farn und Gagelstrauch zurückzudrängen. Wir teilten nicht das allseits sichtbare Bedürfnis der irischen Bevölkerung, die Vegetation auf großem Abstand zu halten, wir waren geradezu schockiert von der Derbheit der Heckenschneider- und Straßenrandsäbler-Trupps.
Unsere Liebe zu den Pflanzen, zu schönen Gärten, zu Kräutern, Büschen und Bäumen jeder Art hat sich seitdem noch vertieft. Gleichzeitig aber auch die Einsicht in die unerbittliche Macht der Fauna. Im mild-feuchten Klima Irlands gedeiht Grünes besser, üppiger und schneller als an den meisten anderen Orten Europas. Einmal ein paar Jahre weggeschaut, und die grüne Macht greift nach der Regenrinne, dem Kamin, dem Hausgemäuer. Es legt sich in jede Ritze und durchstößt auf lange Sicht auch die dickste Asphaltdecke. Der Mensch baut, die Pflanzen holen sich das Menschenwerk leise, langsam, aber konsequent und unerbittlich zurück. Pflanze gegen Mensch: Das ist gerade in Irland ein ewiger Kampf.
Besonders deutlich wird der ungleiche Kampf in den einsamen Tälern und Bergen des milden Südwestens. Seit Jahrhunderten haben Menchen hier ihre Häuser verlassen, um andernorts ein besseres Leben zu suchen. Die Moose, Farne, Sträucher, Bäume holen sich die leer stehenden Wohnstätten Stück für Stück zurück. Wurzeln sprengen auch die stabilsten Mauern, es ist nur eine Frage der Zeit. Und die Pflanzen haben eines: viel Zeit.
Dieses alte Haus (oben) in einem einsamen Tal in den Caha Mountains West Corks wurde nach Angaben von Einheimischen in den 70-er Jahren von den Eigentümern, einer Familie Sullivan, verlassen. Seitdem macht sich dort, wo früher gekocht, gelebt, geschlafen wurde, eine Esche breit und breiter, ihre Wurzeln legt sie geradezu kunstvoll in die Ritzen zwischen den Steinen der Wände. Die wachsenden Wurzeln werden das Gemäuer sprengen, die Mauern einstürzen lassen, das Haus dem Erdboden gleich machen. Irgendwann wird es so weit sein. Am Ende siegt die Schwerkraft — und die grüne Macht im Land.
Ein tröstlicher Gedanke?
Fotos: © Markus Bäuchle 2012
Ein tröstlicher Gedanke wie ich finde.
Ich denke, die Natur ist stärker als wir.
Und das ist auch gut so.
(Bei uns „wuchert“ auch eine Esche vor sich hin. Mal sehen, wer der stärkere bleiben wird)
LG Heidi
Wir heutigen Menschen haben offensichtlich noch immer nicht begriffen, daß wir einen Kampf gegen die Natur niemals gewinnen werden. Erst wenn wir diesen ach so arroganten Glauben abgelegt haben und uns mit der Natur verbünden, gibts für die Menschheit ein Überleben.
Tolle Bilder! Zu dem Thema fällt mir ein:
Treffen sich die Erde und die Venus: „Hallo, wie geht’s dir?“ – „Oh, schlecht,“ jammert die Erde, „ich hab die Menschen.“ – „Ach, mach dir nichts draus, das geht vorüber…“
Deine Beobachtungen sehen so aus, als wenn die Erde nach der Selbstausrottung des Menschen (mit der ich in der ferneren Zukunft doch rechne, weil global gesehen die Umweltzerstörung immer noch massiv fortschreitet) recht schnell wieder genesen wird.