Mieträder in Galway / Foto Andrea Weik

Mieträder in Galway / Foto Andrea Weik

Radeln in Galway ist angesagt. Ich habe mir ein Fahrrad gekauft. Gebraucht. Aber fast wie neu, sagt der Händler und verlangt 350 Euro. Wie bitte? Ohne Licht, ohne Klingel, ohne Fahrradständer. Immerhin hat es Schutzbleche, 21 Gänge und ist ein Jahresrad. Der Händler an der Uni Galway vermietet Räder an Touristen, bietet Radelferien an und verkauft die Drahtesel nach einer Saison an Leute wie mich. Das Schwarze da sieht recht passabel aus, fährt sich sehr gut, und ich feilsche um den Preis. Für 300 Euro nehme ich es schließlich mit nach Hause,  inklusive Fahrradständer.

Die Nachfrage regelt den Preis. In Galway sind Räder beliebt, besonders bei den circa 20.000 Studenten. Ein studentisches Monatsticket für den Stadtbus kostet 57.50 Euro. Das spart mancher lieber, denn pro Jahr müssen ca. 3000 Euro Studiengebühren bezahlt werden. Dazu kommen laut NUI Galway Richtlinie noch circa 10.000 Euro pro Jahr an Lebenshaltungskosten. Fahrradfahren ist also preiswerter – hat man erstmal eins – und macht unabhängiger. Regenjacke und -hose braucht man unbedingt, um Licht und Fahrradklingeln schert sich hier dagegen kaum jemand.

Die Stadt Galway hat während der letzten Jahre viel Geld in Mieträder gesteckt. Gesponsert von Coca Cola findet man an mehreren Orten – meistens in der Nähe der Uni und anderer Bildungsinstitute – Fahrradstationen, an denen man mittels einer Pin ein Rad leihen kann. Preise sind moderat, und die Räder sind verkehrssicher ausgestattet. Radfahren ist nämlich wieder in. Nachdem das Fahrrad bis in die 70-er Jahre für viele das Hauptverkehrsmittel war, verlor es in den 80-ern an Bedeutung. Während der Celtic-Tiger-Jahre (des Wirtschaftsbooms) hatten viele Familien mehrere Autos, man kutschierte die Kinder zu den Freizeitaktivitäten, und die Zeitung holte man eben mal im Auto vom Laden an der Ecke.

Sonntagsradler / Foto A. Weik

Sonntagsradler / Foto A. Weik

Seit die Gürtel wieder enger geschnallt werden, viele Iren Radfahren als Freizeitsport entdeckt haben, und der nationale Radsportverband steigende Mitgliederzahlen verzeichnet, sind Räder sehr nachgefragt – und teuer. Während der Radsportverband Cycling Ireland 2010 noch 6000 Mitglieder hatte, sind es 2016 bereits 23.000. Das Förderprogramm des Staates für die Anschaffung eines Rades, mit dem man und frau zur Arbeit fährt, hat den neuen irischen Radel-Boom zusätzlich gestärkt.

Zum schicken Fahrrad braucht der Radler natürlich auch ein passendes Outfit. Den Alltagsradler schützen Regenklamotten vor den mitunter heftigen Schauern.  Der Freizeitradler, am Sonntag haben wir auf unserem Ausflug Richtung Connemara mindestens 50 Rennradfahrer und – fahrerinnen überholt, benötigt die passende Kluft und einen Fahrradhelm. Sicherheit vor Schönheit.

Die Fahrradhändler freut’s, der Radsport ist ein Wirtschaftszweig, der wächst. Es geht wieder aufwärts in Irland. Ich hoffe, der Verband setzt sich für mehr Fahrradwege ein und fördert aktiv die Akzeptanz der Radler unter den Autofahrern. Zurzeit wird die Autobahn, die Limerick mit dem Norden verbinden soll und in Gort endet, verlängert. Der neue Abschnitt zwischen Gort und Tuam wird den Autoverkehr in Galway City deutlich beruhigen. Hurra.

Denn hat Mensch endlich ein Fahrrad, stürzt er sich in den Verkehr von Galway. Und kann von Glück sagen, wenn er oben bleibt, fest im Sattel. Etliche Auto- und Busfahrer (da lernt man irisch fluchen) empfinden Radler als störend und nervtötend, Radwege gibt es noch wenige, abgesehen von touristisch angelegten Fernfahrradwegen, wie dem Greenway im County Mayo. Ich habe schnell gelernt, dass Vorfahrt keinesfalls auch für Radfahrer gilt, dass ich beim Abbiegen extrem vorsichtig sein muss, und dass ich keine Angst davor haben darf, wenn zwischen mir, einem parkenden Auto und einem mich Überholenden nur jeweils gefühlte zehn Zentimeter Abstand liegen. Und das alles im Linksverkehr! Da so manchem Radfahrer die Straße zu unheimlich ist, nutzen viele die Gehwege soweit vorhanden und die Promenaden, die sie sich mit Fußgängern und Hunden teilen müssen. Trotzdem freue ich mich über mein „neues“ Rad und die dadurch gewonnene Bewegungsfreiheit. Was ich jetzt noch brauche? Die ultimative Regenkluft.

Die sicherste Art Rad zu fahren? / Foto A. Weik

Die sicherste Art Rad zu fahren? / Foto A. Weik

Galway

Andrea Weik lebt in Galway

*  Die Autorin: Andrea Weik führt seit 2013 Touristen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz kreuz und quer über die Insel und gibt ihren Gästen einen Einblick in Geschichte, Kultur und Alltagsleben Irlands. Nach dem Studium arbeite sie in Berlin zunächst im Hotel, im Verlag und leitete dann viele Jahre eine Sprachschule im Herzen der deutschen Haupstadt. Nach einer Weiterbildung zum Life Coach machte sie sich 2010 selbstständig und tut seitdem, was ihr am meisten Spass macht: Lesen, Reisen, Übersetzen (Englisch-Deutsch) und Menschen in ihrer persönlichen Entwicklung unterstützen. Seit April 2015 lebt Andrea in Galway, wo sie Life Coaching Galway gegründet hat. Mehr findet ihr unter www.lifecoachinggalway.com