Besonders viele Deutsche pflegen ein besonderes Verhältnis zu Irland, zur Insel ihrer Sehnsucht, ihrer „inneren Heimat“, zu dem Ort, an den sie gehören und wo sie sich geborgen fühlen. Das hat natürlich immer auch mit Projektionen zu tun – und keiner hat die Gründe und Abgründe der deutsch-irischen Liaison besser beschrieben als der deutsch-irische Schriftsteller Hugo Hamilton.
Irland-Fahrer aus Deutschland jedenfalls treten zumeist nicht irgendeine Reise an. Sie sind mit Leib und Seele dabei, sie haben ein innig ausgeprägtes Verhältnis zu ihrem Ziel – es ist anders, als mal eben für zwei Wochen zum Ausspannen nach Mallorca oder Teneriffa an den Strand zu fahren – und sie finden in der Regel, was sie suchen und vermuten: Schönheit, Zauber, Tiefe, Raum, eine gewaltige, beeindruckende Natur und Stille – die Abwesenheit menschengemachter Geräuschkulissen.
Immer wieder trifft der Wanderer Menschen, denen es genauso ging wie ihm im Jahr 1979. Sie wußten vom allerersten Moment der allerersten Ankunft in Irland an: Hier fühle ich mich wohl, hier will ich sein und (zumindest zweitweise) bleiben. Zyniker verunglimpfen solche Empfindungen als das selbstinduziertes Ergebnis einer „grünen Brille“, dumpfere Gemüter suchen auch nach Jahren noch immer vergeblich nach dem Zauber und der Magie, die diesem Land innewohnt – sie sind die traurigen Opfer ihrer Selbstbespiegelung.
Gefallen hat dem Wanderer die Zuschrift einer Leserin, die seit den 60er Jahren nach Irland reist, für die Irland ein wichtiger Teil ihrer Biografie geworden ist und die ihr Verhältnis zum Land treffend in Worte fasst. Hier ein Auszug:
„Ich habe in meinen jungen Jahren (1965/66) bei einer deutschen Firma in Sligo gearbeitet und mich prompt in Irland und die Iren verliebt. Als mein Mann wieder nach Deutschland zurückkehrte, musste ich natürlich mit, immerhin waren wir jung verheiratet. Ich habe dann 27 Jahre unter Heimweh gelitten und das Land erst anlässlich meines 50. Geburtstages wieder betreten.
Seitdem versuche ich, wenn möglich, jedes Jahr meine Sehnsucht zu stillen und mache Urlaub in Sligo und vielleicht auch ein paar Tage anderswo…
Ich muss allerdings alleine reisen, weil mein Mann keine Lust mehr dazu hat. Es macht mir nicht so viel aus, immerhin habe ich immer noch Freunde in Sligo (nur Iren) und meine Freundin teilt ihren Bekannten dann mit, dass ich, wie sie sich ausdrückt, wieder mal heim komme.
Und so empfinde ich es selbst auch: endlich komme ich wieder mal nach Hause und kann meine Seele baumeln lassen. Das hat nichts mit rosaroter Romantik zu tun, es ist nur einfach Liebe und meine Akku-Aufladestation. Ich sehe durchaus auch die negativen Seiten, von denen es eine ganze Menge gibt. Aber übersieht oder vergibt man nicht bei jeder Liebe diese Dinge? – Damals (in den 60ern) wurde ich oft gefragt, ob ich für immer in Irland leben könnte . . .“
Was meinen Sie, was die Dame geantwortet hat?
Björn: Vollkommen klar, was du schreibst. Ich erlebe dennoch Raum, Stille und beeindruckende Natur hier in Irland. Referenzland ist für mich in diesem Blog Deutschland, wo wir gelebt haben und wo die meisten Leser leben. Und in diesem Zusammenhang hält das hiesige Irland jedem einzelnen Vergleich spielend stand: Raum, Stille, beeindruckende Natur. (Vieles hängt direkt mit der geringen Bevölkerungsdichte zusammern). Das gilt umso mehr, wenn man in den Bergen zu Fuß unterwegs ist. klar, Vielleicht sind manche Fernreisedestinationen beeindruckender, aber wir leben gerade mal eineinhalb Flugstunden westlich von D.
wir leben in Dublin – haben aber in den letzten 5 Jahren die Insel zu allen Jahreszeiten ausgiebig bereist. Bis auf eine kleine Ecke in Donegal haben wir inzwischen auch so ziemlich alles gesehen. Ich sage ja nicht, dass es mir nicht gefaellt (am liebsten fahren wir an die Westkueste, Achill Island, den Burren oder Dingle – schoene Erinnerungen haben wir auch an die Kueste suedlich von Cork) – ich sage nur, dass die Assoziation von Weite, Stille und beeindruckender Natur einfach nicht korrekt ist.
Irland ist einfach zu klein, um diese Kriterien zu erfuellen. Bei Weite denke ich an die Ruta 40 in Argentinien (ca. 5200km), die Route 66 in den USA (knapp 4000km), den Dempster Highway in Yukon oder auch Landschaften wie das Monument Valley oder Wadi Rum in Jordanien. Ich gebe zu, dass das mein persoenliches Empfinden ist, erlaube mir aber, den Vergleich zu Irland zu machen und fuer mich zu entscheiden, dass unsere kleine gruene Insel einem solchen Vergleich nicht standhalten kann. Jeder kann diesen Vergleich fuer sich anders bewerten, ich bin aber der Ansicht, dass "Weite" auch ein objektiver Massstab fuer raeumliche Groesse ist und wie schon gesagt Irland der Platz dafuer fehlt.
Ich fuehle mich aber sehr privilegiert, weil mir mein Leben und Arbeiten hier weite Reisen in die genannten Laender ermoeglicht und ich trotzdem fuer kurze Fluchten aus dem Alltag in einem wunderbaren Land dafuer lebe.
Wo lebst du Björn, warst Du schon in den Bergen und an der Küste des Südwestens und Westens?
Dauernd diese Stereopypen – ich weiss immer nicht, wie man darauf kommen kann, Irland mit Weite, beeindruckender Natur und Stille zu assoziieren. Ich find das hier eher klein (nach ca. zwei Stunden Fahrt egal in welche Richtung faellt man von der Insel), weitestgehend flach und gruen (mit Ausnahme von ein paar Huegeln im Westen) und die Natur ist zu fast 100% Kulturlandschaft, was soll daran beeindruckend sein ??
Ich komme grad von einer vier Wochen Reise durch Patagonien zurueck – fuer dieses Land treffen die Beschreibungen mit Weite, Natur usw. zu – aber bitte doch nicht fuer Irland.
Nicht das da Missverstaendnisse aufkommen, ich lebe gerne in Irland und fuehle mich hier seit mehr als 5 Jahren sehr wohl – ich finde nur diese Assoziationen inhaltlich vollkommen unpassend und ungeeignet, um Irland zu beschreiben, weil sie genau das romantische und verklaerte Bild transportieren, das so gerne kritisiert wird.
Ich glaube Irland wäre ihre Heimat geworden, wenn Ihre Familie auch geblieben wäre. Für mich ist auch dort meine Heimat, wo meine Familie lebt,ansonsten geht es mir wie dieser Dame. Ich kann es nicht erklären, warum ich nur in Irland zur Ruhe komme und alles Andere so unwichtig wird.
Liebe Grüße
Helga
Egal wie oft man sich über manche Unzulänglichkeiten geärgert hat.
Egal wie oft man sich über Stromausfälle, schlechte Straßen und vieles mehr aufgeregt hat;
es gehört irgendwie dazu.
Wer einmal in Irland gelegt hat, den lässt die Insel nicht mehr los
Liebe Grüße
Elsbeth… die manchmal voller Sehnsucht zurückdenkt
Ich vergleiche Irland immer mit einem magischen See. Still und geheimnisvoll liegt er vor einem, und wartet darauf, erkundet zu werden. Wenn man in das kalte aber klare Wasser eintaucht und bis zum Grund abtaucht, findet man vielleicht einen Schatz. Wenn man aber nur herumstochert, wird man nichts als Schlamm und Dreck finden.