Die Wirtschafts-Krise Irlands stürzt auch die Tourismus-Werber des Landes in eine neuerliche Identitätskrise. Irische Urlaubs-Promoter im Ausland werben jetzt mit dem Slogan “Go where Ireland takes you” um Feriengäste. Im Deutschen heißt der schwer zu übersetzende Spruch: “Lass dich von Irland mitreißen”. Angesichts der täglichen Katastrophenmeldungen von der Insel wird sich manch Einer fragen, ob er sich wirklich mitreißen lassen soll – wohlmöglich noch in den wirtschaftlichen Abgrund?

Doch halt! Damit sich genau dieser Abgrund nicht auftut, darf die Tourismusbranche nun wieder offiziell ran. Plötzlich erinnert sich das Land an alte Tugenden. “Failte”, das herzliche irische Willkommen, das junges ungeschultes Personal vornehmlich aus Polen oder Lettland zum “Frosty Failte” verkommen ließ, soll kräftig renoviert werden. Der Tourist – zuletzt fast ein Störfaktor im großen Insel-Monopoly, den man allenfalls bereitwillig ausnahm – soll sich in der milden Wärme der irischen Gastfreundschaft ab sofort wieder wie daheim fühlen.
Die Tourismuswerber setzen auf das Risikokapital “Mensch” und schicken irische “Charaktere” in die Vermarktungsschlacht: den Sean, den Padraig und die Ciara, die es gemäß der bunten Werbefilmchen gar nicht abwarten können, den Gästen ihr persönliches Irland ganz exklusiv zu zeigen. Beim Slogan “Follow the Locals” fragt man sich, wieviel Risiko es birgt, den Einheimischen zu folgen oder ob man “Locals” nicht besser frei-deutsch mit “Lokalen” übersetzen sollte. Denn das Guinness schmeckt immer noch wie dereinst – nur dass es jetzt doppelt soviel kostet, erinnert daran, dass da irgend etwas war…
Immerhin haben selbst Tourismus-Profis im Ausland noch immer ein positives Vorurteil von der irischen Gastfreundschaft, was sich letzte Woche auf der jährlichen Tourismusmesse von Failte Ireland in Dublin als Aktivposten auf der Habenseite herausstellte. Die Gastgeber nahmen es dankbar zur Kenntnis und klopften sich pflichtschuldig selbstkritisch an die eigene Brust: Nein, nein, der Celtic Tiger war kein Freund des Tourismus. Aber jetzt wird alles anders.
Nur Irish-Times-Autorin Kathy Sheridan fragte sich verdutzt, ob die in Dublin versammelten Reiseveranstalter aus Frankreich, Italien oder Dänemark bewustseinsverändernde Drogen genommen hatten, als sie die irische Freundlichkeit, Gastfreundschaft und Service-Orientierung derart in den Himmel lobten.
Gequält von einem dröhnenden Post-Tiger-Kater suchen die Tourismwerber von Failte Ireland jedenfalls nach ihrer künftigen Verortung zwischen Natur-Kultur-Idyll und Celtic Tiger-Hyper-Moderne. Bis 1997 verkauften sie den Auslandsgästen das Produkt “Grüne Idylle” wie geschnitten Brot. Dann kam der Boom, kamen die Boomtowns, Dublins Aufstieg zur Super-Metropole – und Irland musste fast über Nacht als das Wirtschaftswunderland Europas angepriesen werden. Nun heißt es: Kommando zurück. Zurück zur Natur? Zurück wie weit?
Vielleicht hilft ein Claim ähnlich dem der Bayern: “Laptop und Lederhosen”, oder dem der Japaner: “Zwischen Tradition und Moderne”. Vorschläge sind möglicherweise willkommen.

PS_1: Für alle flüchtigen Leser: Dieser Beitrag stellt nicht in Abrede, dass viele Menschen in Irland tatsächlich gastfreundlich waren, sind und sein werden. Auch gab es in den verrückten Tiger-Jahren genügend Leute, denen ein warmes “Failte” wichtiger war als ein paar Euro mehr.
PS_2: Wir von Wanderlust werden unsere Irland-Gäste im Mai einmal befragen, wie sie das Land sehen und wie sie es bewerben würden. Ergebnisse gibt es demnächst auf dem Irland-Blog.
 
PS_3: Was hat es zu bedeuten, dass Failte-Ireland-Chef Shaun Quinn demnächst das Metier wechselt und die Leitung der staatlichen Arbeitsbehörde FAS übernimmt?
Illustrationen: Failte Ireland