
Europa von oben.
Freunde, wir haben uns geirrt. Das Internet hat unsere Hoffnungen nicht erfüllt.
Dezentralisierung, Pluralismus, Wissen, Transparenz und weniger Ungleichheit: Das waren einige der Verheißungen, die uns vor fast 25 Jahren so euphorisch an das entstehende World Wide Web (WWW) glauben ließen. Wir haben nicht erkannt, dass das Internet (zumindest vorübergehend) genau das Gegenteil bewirken würde: Konzentration, Oligopole, Manipulation, die Bedrohung der Wahrheit und eine sich verschärfende Ungleichheit. Statt blühender Netzwerk-Landschaften leiden wir in Europa nach einem Vierteljahrhundert Internet unter den Verklumpungen des Plattform-Kapitalismus.
Zwar wurden wie vermutet viele Handelsstufen durch die Online-Technologie überflüssig gemacht, doch an deren Stelle schoben sich unverhofft mächtige Branchen-Monopole und Handels-Oligopole. Von A wie Amazon bis U wie Uber. Das Fatale: Der Plattform-Kapitalismus hat die bestehende Ungleichheit in der Welt noch drastisch verschärft. Wenige Big Players nehmen sich die größten und meisten Stücke des Kuchens. The winner takes it all. Auf der Strecke bleiben kleine Unternehmen, kleinere Wettbewerber, die Infrastruktur, unsere Lebensverhältnisse und unsere lokalen Gemeinschaften. Eine kleine Gruppe von Investoren und Anteilseignern streicht optimierte private Gewinne ein, die der Allgemeinheit und dem Gemeinwohl entzogen werden – und die europäischen Werte gehen im Internet unter. Amerikanische Digitalkonzerne bestimmen die Realität der westlichen Welt.
:: Airbnb beeinflusst die Wohnungsmärkte weltweit negativ, erschwert es Einheimischen, preiswerten und günstig gelegenen Wohnraum zu finden.
:: Amazon zerstört den Einzelhandel und die Infrakstruktur unserer Innenstädte.
:: Booking.com beherrscht vielerorts das Hotel-Business aufgrund seiner Marktmacht.
:: Deliveroo nimmt den Restaurants das Geschäft aus der Hand und verkleinert die Gewinn-Margen der Hersteller.
:: Uber macht aus Menschen taxifahrendes Prekariat – und befeuert das Verkehrsaufkommen in den Städten.
:: Facebook pervertiert unsere Kommunikationsbedürfnisse und macht uns zu willfährigen Produkten der globalen Werbe- und Meinungsindustrie.
:: Google bestimmt, wer im Internet gesehen wird und wer nicht. Google macht Märkte, zwingt Marktteilnehmer zu Eintrittsgebühren und macht das Internet zu einem umzäumten Raum, zu seinem eigenen Internet. Google ist keine Suchmaschine, wie viele meinen, sondern eine virtuelle Mauer mit Eingangskontrolle und Kassenhaus.
Das Muster des Plattform-Kapitalismus: Die neuen Kontrolleure des Internets beherrschen die Märkte, bestimmen die Spielregeln und beeinflussen maßgeblich, wie wir leben. Sie ziehen massiv Geld aus den lokalen Märkten ab, das in den Taschen einiger weniger Investoren landet. Viele Menschen, deren Arbeitsplätze (Mac Jobs und Gig Jobs) an diesen Online-Plattformen hängen, fristen ein karges Leben, Mitarbeiter in Verpackstationen und Fahrradkuriere sind so etwas wie die Sklaven der Gegenwart.
Am Ende aber sind wir es . . .
:: die unsere Einlieger-Wohnung über Airbnb vermieten, weil das ein schönes Zusatzeinkommen bringt;
:: die bei Amazon einkaufen, weil man dort alles und zwar sofort bekommen kann;
:: die bei Booking.com unser Ferien-Domizil buchen, weil es so herrlich einfach ist und oft auch noch günstig;
:: dies sich von Deliveroo das Abendessen bringen lassen, weil wir keine Lust haben das Haus zu verlassen oder selber zu kochen;
:: die sich auf Facebook zelebrieren und bei Google suchen – und die beiden Online-Oligopole mit Zeit, Aufmerksamkeit und Geld füttern, um gesehen zu werden.
Es liegt also an uns allen, an unseren Kaufentscheidungen und an unseren Handlungen, ob das so weiter geht.
Die Alternative: Wir können daran arbeiten, die Selbstbestimmung und Gestaltungsmacht über unser Leben zurück zu gewinnen, unsere Gemeinden und Gemeinschaften zu schützen, wieder Verantwortung für den Ort zu übernehmen, an dem wir leben – und es nicht zuzulassen, dass dieser von anonymen Kapital- und Profitinteressen geplündert und deformiert wird.
Jeden Tag gibt es diese Entscheidungen zu treffen: Kaufe ich beim Buchhändler um die Ecke oder bei Amazon? Buche ich direkt beim Hotel, in dem ich übernachten will? Vermiete ich mein freies Zimmer wirklich an AirBnB? Benötige ich Facebook noch? Fahre ich Uber oder U-Bahn? Brauche ich wirklich Zugang zu allen Songs dieser Welt über Apple Music oder Spotify? Gehe ich ins örtliche Kino oder füttere ich Netflix mit meinen Vergnügungs-Euros?
Natürlich wäre es naiv zu glauben, dass diese akkumulative Entwicklung der globalen Wirtschaft über individuelles Verhalten gestoppt werden könnte. Die Individualisierung eines gesellschaftlichen Problems ist Teil der neoliberalen Strategie, der wir nicht auf den Leim gehen dürfen.
Natürlich müssen wir politisch denken, uns organisieren und zusammen agieren. Natürlich müssen die Staaten und Regierungen sowie die EU ihre Pflicht tun, die Monopolisten in die Grenzen weisen, Gegenstrukturen aufbauen und endlich faire Digitalsteuern erheben. Wieso bezahlt Hauptstraßen-Buchhändler Räuber brav seine Steuern, während sich der Buchhandels-Gigant Amazon erfolgreich darum drückt? Nur Regierungen können die Digitalkonzerne stoppen, und ihnen untersagen, auf Kosten des Gemeinwohls rücksichtlsos private Gewinne zu maximieren.
Und dennoch lohnt es sich, selber aktiv zu werden, individuell Zeichen zu setzen, wieder politisch zu werden. In diesem Sinne: Kauft besser (und zur Vermeidung des ökologischen Kollapses: weniger).
Wir von Irlandnews und Wanderlust haben uns zu einem weiteren Schritt entschlossen: Wir haben uns für den sozialen Online-Buchhändler Buch7 als künftigen Buchhandels-Partner* entschieden. Eine wirklich faire Alternative zu Amazon. Buch7 gibt einen großen Teil seiner Gewinne zurück an die Gesellschaft. Und wir empfehlen natürlich den Gang zum lokalen Buchhändler.
* Buchhandels-Partner bedeutet: Wir bieten unsere eigenen Bücher über Irland sowie die Buch-Empfehlungen, die wir auf Irlandnews geben, über Hyper-Links zu Buch7 an. Irlandnews ist frei von Werbung und erzielt deshalb keine Werbeeinnahmen. Wenn Leserinnen und Leser über diese Links bei Buch7 ein Buch bestellen, können wir aus den bescheidenen Transktions-Erlösen zumindest einen Teil der technischen Kosten für den Betrieb der Website finanzieren.
Abbildungen: NASA (2), Buch7
Ich habe die gleichen Erfahrungen wie Songline gemacht und benutze Booking.com nur zu Info-Zwecken. Bei den Hotels ist es zumindest teilweise günstiger, direkt zu buchen. Wenn der Preis gleich ist, zahle ich ihn lieber komplett ans Hotel und habe zudem bisher immer bessere Storno-Konditionen gehabt, falls es mal sein muss.
Bücher bestelle ich über den örtlichen Buchhandel, sogar englischsprachige kann ich da bekommen. Manchmal dauert es ein paar Tage, weil der Großhändler es erst besorgen muss, aber das ist mir meistens egal. Der Buch-Preis hängt bei britischen Büchern vom Wechselkurs ab und ist manchmal zwei Euro höher als bei Amazon, das ist es mir wert. Buch7 schaue ich mir auf jeden Fall mal an, die haben auch englischsprachige Bücher, danke für den Tipp.
Statt Google nehme ich Startpage oder Qwant zum Suchen. Ob sie perfekt sind, weiß ich nicht, aber schonmal weniger schlimm als Google :-)
Zitat: „die bei Booking.com unser Ferien-Domizil buchen, weil es so herrlich einfach ist und oft auch noch günstig“
Nein, günstig ist es nicht. Booking.com macht einem nur vor, dass es so wäre. Ich nutze Booking.com, um mir einen Überblick zu verschaffen, welche Hotels für mich in frage kommen. Und wenn ich dann beim Hotel selbst buche, stelle ich fest, dass es günstiger ist als der bei von Booking.com genannte Preis. Immer mehr Hotels machen auch Angebote, wenn man nicht über eine Platform bucht, weil sie ansonsten einen Teil der Übernachtungskosten an diese Platform abtreten müssen.
Die scheinbare Bequemlichkeit verkehrt sich bei aufmerksamer Betrachtung oft ins Gegenteil. Nicht nur für die Einzelhändler, sondern auch für die Kunden.