Garinish Island um 1900. Ein Foto aus der Lawrence Collection



Work in Progress: Wir versuchen herauszufinden, was sich auf der irischen Insel Garinish Island um das Jahr 1910 ereignete und wer Mike Garinish war. Der Versuch einer kleinen Lokal-Geschichte von Herrschenden und Beherrschten.


Garinish Island, die weltberühmte Garteninsel in der Bucht von Glengarriff in Irlands Südwesten, feiert in diesem Jahr den 100. Geburtstag. Im Jahr 1910 kaufte John Annan Bryce, ein wohlhabender schottischer Geschäftsmann und Politiker, das 15 Hektar große Inselchen, das nur ein paar Steinwürfe von Glengarriff entfernt liegt. Zehn Jahre vor der teilweisen Unabhängigkeit Irlands realisierten der in Belfast geborene Brite Bryce und seine Frau Violet L’ Estrange große Pläne für Garinish. Von 100 irischen Arbeitern ließen sie einen repräsentativen Garten anlegen und verwandelten die Felseninsel Garinish in ein kleines Paradies für Pflanzenliebhaber.

Während die offizielle Geschichte von Garinish Island seit Jahrzehnten den früheren britischen Eigentümern Respekt zollt, existiert eine andere Geschichte bis heute nur in der mündlichen Überlieferung der irischen Dorfbevölkerung: Noch immer erzählt man sich die Geschichte von Mike Garinish. Der Farmer soll im frühen 20. Jahrhundert auf Garinish Island gelebt haben und soll dann von der Insel vertrieben worden sein – um für eine anderweitige Nutzung Platz zu schaffen? Die Geschichten der Alten bestehen auf alle Fälle darauf, dass Bauer Mike Garinish – seiner Existenzgrundlagen beraubt – keinen Ausweg mehr sah und sich das Leben nahm. Diese Geschichte steht bis heute in keinem Inselführer. Sie erklärt, auch wenn sie historisch noch nicht gesichert ist, warum viele Iren bis heute ein ambivalentes Verhältnis zu Garinish Island wie zu den anderen britischen Herrschaftsgärten pflegen.

Im Laufe unserer Recherchen haben wir mittlerweile eindeutige Belege: Mike Garinish ist keine Erfindung: Er lebte, er hieß Michael Sullivan und wurde im Jahr 1862 geboren. Zusammen mit seiner 73-jährigen verwitweten Mutter Mary und seinen 3 Brüdern Florence, Patrick und Timothy, lebte Mike Garinish, damals 49 Jahre alt, im April 1911 als Farmer und Bootmann auf Garinish Island. Er konnte weder lesen noch schreiben. Der katholische Mann war Junggeselle – wie seine drei Brüder auch. Die Familie lebte 1911 im einzigen Wohnhaus auf der Insel, einem Cottage mit benachbartem Kuhstall. Das Heizmaterial bezogen sie aus dem nahe gelegenen Torffeld. 

1911 – das war die Zeit, als die Bryces die Insel bereits vom British War Office übernommen hatten und mit den Gestaltungsarbeiten für die verschiedenen Gärten begannen. Die Arbeiter errichteten gemäß den Plänen des Landschaftsarchitekten Harold Peto ein Gärtnerhaus, in dem die Bryces am Ende selber wohnen sollten. Sie legten auf dem Torffeld Tennisplätze an, sie entfernten die Zäune der Farm, um Wege und Pflanzbeete anzulegen und sie bauten eine Straße direkt hinter dem Cottage der Sullivans, die zwei Bootsanlegestellen miteinander verbinden sollten.


All dies sind gesicherte Informationen: Wo
aber blieben die Sullivans? Wo blieb Mike Garinish? Der mündlich überlieferten Geschichte zufolge boten die Bryces den Farmersöhnen an, als Gärtner auf der Insel zu arbeiten, nachdem ihnen die Grundlage ihrer bäuerlichen Existenz entzogen war. Dazu kam es wohl nie. 

Fortsetzung folgt.


Garinish Island heute – der italienische Garten mit der Casita.