Cape Clear North Harbour

Der Nordhafen von Cape Clear bei Nacht

Tag 6. Cape Clear Island. Roaringwater Bay. Irland. Wir setzen mit der Fähre von Baltimore nach Cape Clear über.* Fahrzeit: 45 Minuten. Ziel: Der Nordhafen. Unterwegs sehen wir Delfine, mein Sitznachbar beschreibt die Meeresdurchfahrt zwischen Sherkin und Clear sowie den Seeweg entlang der Insel als schwierig und gefährlich. Der Atlantik hat hier Untiefen, Felsen und Riffe. Wir genießen das gute Wetter und eine problemlose Überfahrt zum südlichsten bewohnten Ort Irlands.

Cape Clear Transport

Mary fährt den Inselbus mit Präzision

Am Pier wartet schon Mary mit dem blauen VW-Bus vom Insel-Transport, Mary trägt den Spitznamen “Swiss Watch”, weil sie so pünktlich wie eine Schweizer Uhr fährt. Mary bringt uns hoch hinauf zu Eileen Leonard´s Ard na Gaoithe B&B , unserer Unterkunft auf der Höhe des Windes.  Dieses B&B ist heute genauso gut wie vor 18 Jahren, als ich das erste Mal dort zu Gast war. Eileen führt ihr Haus im Stil der traditionellen B&B Lady: immer freundlich und verbindlich. Eine Tasse Tee nach der Ankunft, ein paar Scones zwischendurch und ein kurzweiliges Schwätzchen machen den Unterschied.

Emer Leonard Cape Clear

Emer Leonard – Postergirl für Fáilte Ireland

Im Frühstückraum der Leonards hängt noch immer das Poster von Fáilte Ireland aus den frühen 90-er Jahren. Es zeigt ein rothaariges sommersprossiges Mädchen, die Werbung ein Spiel mit dem alten Irland-Klischee. Das Mädchen ist Emer Leonard, Tochter von Eileen. Sie ist längst eine junge Frau, hat im vergangenen Jahr ihr Examen an der University von Aberdeen in Schottland gemacht und  arbeitet nun als Assistenzärztin Dr. Leonard. Emer würde gerne wieder nach Irland kommen, näher in Richtung der alten Heimat Cape Clear. Die Lokalzeitung “Southern Star”  feierte Emer im Sommer 2012 als erste Ärztin, die Cape Clear jemals hervorgebracht hat.

Chuck

Chuck Kruger im Element — er erklärt seine Insel

Dabei leben auch andere kluge und gebildete Menschen auf der Insel. Einer von Ihnen ist Chuck Kruger. Der US-Amerikaner mit deutschen Wurzeln kaufte im Jahr 1996 mit seiner Frau Nell zusammen eine Farm in glen West auf Cape Clear und zog 1992 ganz auf die Insel. Chuck, der aufgrund seiner Jahre in der Schweiz ein exzellentes Schwitzerdütsch spricht, arbeitet als seitdem als Schriftsteller, schreibt Poesie und produziert Beiträge für den Rundfunk. Alleine über Cape Clear hat Kruger bereits vier Bücher veröffentlicht, und ein Thriller über den kürzlich gestorbenen Finanzspekulanten Mark Rich stammt auch aus seiner Feder. (Hier gibt es eine Übersicht über sein Schaffen).

Wir hatten das große Vergnügen, von Chuck über die bergige Insel geführt zu werden, die er wie kaum ein anderer kennt. Immer wieder mache ich die Erfahrung, dass die sogenannten Blow-ins, Zugezogene, einen Ort gründlicher kennen als viele Einheimische. Vor einer schweren Operation vor ein paar Jahren hatte es sich Chuck zur Aufgabe gemacht, jeden Winkel von Cape Clear zu erkunden und zu erwandern und sich so für den Eingriff zu stärken. Ihm ist es auch zu verdanken, dass der alte Signalturm auf der Insel (gebaut 1805), der direkt neben dem alten Leuchtturm von 1818 steht, für die Öffentlichkeit wieder einigermaßen zugänglich ist. Dafür war der harmoniebedürftige Neu-Caper sogar zweimal vor Gericht gezogen.

Marriage Stone Cape Clear

Das Beweisfoto am Marriage Stone: Pat und Fiona trauen sich

Chuck führt uns bis hinunter zu den zwei mächtigen Menhiren, stehenden Steinen, die vor etwa 5000 Jahren im Osten der Insel aufgestellt worden sind. Die Monumente sind bei den Insulanern als die Marriage Stones bekannt. Durch einen der beiden Steine haben Menschen vor langer Zeit ein Loch gebohrt. Traditionell gehen heimische Paare hinunter zum Heiratsstein, um ihre Absicht zur Ehe zu bekräftigen und sich Treue zu versprechen. Dabei steckt die Frau ihre Hand durch das das Loch im Stein — durch das eine normal proportionierte Männerhand nicht passen würde — und der Mann auf der anderen Seite legt ein Versprechen ab, wenn er die Hand seiner Geliebten ergreift. Vor langer Zeit, so sagen die Leute von Cape Clear, sollen die Heiratsrituale direkt am Stein stattgefunden haben — und im vergangenen Jahr fand dort tatsächlich wieder eine Hochzeit statt. Ein Druide  verheiratete das neo-paganistische Paar in einer “humanistischen” Zeremonie. Wir sind gespannt, ob unsere Begleiter, das junge Paar aus Dublin, vom Heiratsstein inspiriert werden — und tatsächlich: Fiona und Pat reichen sich durch den Stein hindurch die Hand und bekräftigen damit gemeinsame Zukunftspläne. Cheerio, Pat und Fiona . . . Chuck steht dabei und staunt.

Eis auf Cape Clear

Köstlich: Ziegenmilch-Eis von Ed

Eine Eisdiele der besonderen Art: Ziegenmilcheis von Ed

Eine Eisdiele der besonderen Art: Ziegenmilcheis von Ed

Und noch ein gebildeter Mann lebt seit Jahrzehnten in der Wahlheimat Cape Clear Island: Der ehemalige Soziologie-Professor Ed Harper ist den Menschen auf Clear als der Ziegenmann bekannt. Ed ist blind und benötigt Betreuung, seine Ziegen aber melkt er noch heute selbst. In seinem schlichten Haus nahe der Kirche führt Ed den interessantesten Eissalon Irlands: In mehreren Geschmacksrichtungen verkauft er an der Haustür das Original Cape Clear Ziegenmilch-Eis.  Wir haben es gekostet und fanden: Es ist köstlich.

Fastnet Rock Lighthouse

Bilder von damals, 1904: Der Leuchtturm auf dem Fastnet Rock wird gebaut

Seamus O'Driscoll

Seamus O’Driscoll

Für Freunde der Vergangenheit unterhält die kleine Insel ein sehenswertes Museum, in dem  die alten Zeiten, der O`Driscoll Clan und der nahe Fastnet Rock-Leuchtturm gefeiert werden. Manche Stadt würde sich über ein solches Museum freuen, wie es die nur 125 Menschen große Inselgemeinde auf die Beine gestellt hat. Auch sprachlich gibt sich Cape Clear geschichtsbewusst: Die Insel ist Teil der Gaeltacht: Man spricht Irisch und pflegt die irische traditionelle Kultur mit Story Telling, Traditional Music und Tanz. Seamus O`Driscoll, der singende und Tin Whistle spielende Fährmann führt mit leichter Hand durch die Brauchtumsabende im Club Cléire, der über dem Insel-Shop direkt am Nordhafen liegt. Wer an diesen Abenden nicht selber ein Lied, ein Gedicht oder eine Geschichte zum Besten geben kann, hat einen schweren Stand gegen die singenden, musizierenden, rezitierenden und erzählenden Insulaner. Well done, Seamus!

Wie friedlich es doch ist auf Cape Clear. Das war vor wenigen Jahren anders, als der Krieg der Fähren national Schlagzeilen produzierte. Ein Machtkampf unter den Bewohnern von Cape gipfelte in einer Auseinandersetzung um die Fährlizenz. Inzwischen ist wieder Ruhe eingekehrt — es gibt schließlich andere Sorgen. Die Wirtschftskrise macht auch vor Cape Clear nicht halt. Schon in den 80-er Jahren deckte die Insel 70 Prozent ihres Stroms mit zwei eigenen Windrädern. Deren abgewrackte Einzelteile liegen heute auf dem Berg um die Masten herum verstreut. Es fehlt das Geld, um wieder in die Windenergie zu investieren, der Strom kommt per Unterwasserkabel vom Festland. Auch die Wasserversorgung müsste erneuert werden. Doch die bereits gekauften Rohre liegen seit zwei Jahren originalverpackt in einem Lager unter freiem Himmel. Kein Geld. Und schließlich könnte der Pier an der Nordhafeneinfahrt jederzeit einzustürzen und den Hafen blockieren. Seit sechs Jahren weitet sich der Riss im Beton bedrohlich, doch es ist kein Geld da für eine Sanierung. So warten die Leute von Cape Clear wie die meisten Menschen in Irland geduldig auf bessere Tage . . .

Und unsere Insel-Wander-Reise neigt sich dem Ende entgegen. Wer im kommenden Jahr mit uns auf sieben Inseln in 7 Tagen mitkommen will: vom 19. bis 26. April und vom 16. bis 23. August ziehen wir wieder los. Aktuelle Infos demnächst auf www.irland-wandern.de

Alle Fotos: Markus Bäuchle / Wanderlust 2013

Cottage auf Cape Clear

Cottage auf Cape Clear

* Ich bin bereits zurück zuhause. Dieser Bericht kommt deshalb nicht mehr live von den Inseln. Es folgt die Erfahrungen des Tages 7 in der Nachbetrachtung.

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Wandern auf Irlands Inseln

Wandern auf Irlands Inseln: Am Sonntag, dem 18. August  startete ich mit einer kleinen Gruppe zu einer Wandertour der besonderen Art. Wir wandern auf sieben Inseln in Irlands Südwesten. Eine Woche lang bewegten wir uns mitten im wilden Atlantik und dennoch mit den Füßen auf festem Boden. Die Stationen der Wanderlust-Gruppe waren: Whiddy Island, Garinish Island, Bere Island und Dursey Island in der Nähe der Beara Halbinsel, und danach Sherkin Island, Cape Clear Island und Heir Island in der Roaring Water Bay an der Südküste. Eine Premiere für uns und unsere Gäste.