Macroom

In Macroom: Rory lebt . . .

 

Gestern holte ich meinen Freund, den Schaffarmer Harvey*, zum gemeinsamen Fährtchen ab. Einmal im Jahr machen wir einen Spin, wie man hier sagt, eine Ausflugsfahrt. In diesem Jahr hatte Harvey sich gewünscht, Macroom, ein Städtchen zwischen Cork und Killarney zu besuchen. Harvey ist 71 Jahre alt und war zuletzt vor einigen Jahrzehnten zu einem Football-Match in der 60 Kilometer entfernten Kleinstadt im Binnenland der Grafschaft Cork. Macroom, dachte ich mir, passt gut in den Reisetrend. In Zeiten des Übertourismus propagiert die Reiseindustrie nun Tourismus-Ziele aus der zweiten und dritten Reihe: von Wuppertal über Bochum bis Duisburg und Dessau. Warum also nicht einmal Macroom statt Kinsale, Killarney und Cork.

Wir fahren durch menschenleere, leblos wirkende Gaeltacht-Dörfer, legen einen Zwischenstopp an der beliebten Kirche am See von Gougane Barra ein, folgen dem River Lee auf kurvigen Straßen und gelangen nach Macroom. Die Stadt streckt sich auf drei Kilometern Länge aus, wird ungefähr in der Mitte durch den River Sullane zweigeteilt. Die Brücke über den Fluß, lange ein Nadelöhr engster Klasse, wird wie die Ortsdurchfahrt seit der Eröffnung der Umgehungsstraße vor zwei Jahren entlastet. Es ist Ruhe eingekehrt im Städtchen.

Harveys Anforderungen an ein taugliches Ausflugsziel sind: ein guter Lebensmittelmarkt, ein noch besserer Metzger, ein Pub mit viel frequentiertem Zapfhahn und ein Restaurant für traditionelles irisches Mittagessen: Schweinebraten, Gemüse, Kartoffelbrei, Kartoffeln und Sauce. Heiß muss es serviert werden. Um auf fremdem Terrain herauszufinden, was gut und tauglich ist, fragt mein Freund die Menschen auf der Straße. Er kommt schnell ins Gespräch, bewegt sich mit Leichtigkeit von Chat zu Chat und bekommt immer freundliche Antworten: von Alten und Jungen, von Einheimischen und Zugezogenen gleichermaßen. What comes around goes around.

In Macroom

 

Harvey beherrscht die Kunst der Konversation auf natürliche Weise. Er redet an einem halben Tag mit so vielen Leuten wie viele von uns in einem Monat nicht. Die Themen setzt er: Der gute Braten, der gute und preiswerte Shop. Wo gibt es die besten „Spuds“ (Kartoffeln) und wo Stew Beef on bone with a rib für 18 Euro? Wo ein Grub (Essen) mit viel Fleisch und Sauce? Wie geht es den alten Football-Helden der Stadt, und wer hat das beste Pint of Guinness? Über das viel diskutierte Wetter hält sich Harvey nicht auf. Als Schaffarmer in den Bergen am Atlantik ist er jedes Wetter gewohnt und nimmt es, wie es kommt.

Macroom, der Marktort mit gut 4000 Einwohnern ist auf angenehme Weise unspektakulär. Außer einem Schlossruinchen, einem Golfplatz, einem Park und einer bewegten Geschichte bietet der Ort die Normalität einer lebendigen irischen Stadt, die am Markt-Dienstag und an Wochenenden die Menschen aus dem Umland anzieht. Wir essen irisch bei Dan Buckley´s im Schlosshotel, kaufen ein im Dunnes Store und bei Butcher Twomey. Die Schule entlässt schon ihre Kinder, wir machen uns allmählich auf den Rückweg nach West West-Cork. Harvey ist zufrieden: „A perfect day out“.

 

Macroom

 

Fotos: Markus Bäuchle 
* Name geändert