Geschichten von der Beara-Halbinsel im Süd-Westen Irlands (Teil 8)
von Peter Bernhardt*
Wir setzen den Geschichten-Zyklus über das ländliche Irland an der Atlantikküste fort. Geschrieben von unserem Freund Peter Bernhardt. Er forscht gern in der Vergangenheit und lässt ein Stück „altes Irland“ lebendig werden. Heute erzählt uns Peter die Geschichte der Pfälzer in Irland, die hier zu Palatines wurden.
Irland ist spätestens seit der großen Hunger-Katastrophe 1845-48 als Auswanderungsland bekannt. Es gab aber auch Jahre, in denen Irland umgekehrt ein relativ sicherer Ort für Flüchtlinge war. Es waren nicht nur die Hugenotten, die nach Irland kamen, als sie in Frankreich verfolgt wurden – wie ich in meiner letzten Geschichte berichtetet hatte.
Im Frühjahr 1709 machten sich etwa. 13 000 Pfälzer auf den Weg nach Rotterdam. Das ursprüngliche Ziel dieser Pfälzer, denen der katastrophale Winter 1708/09 die Lebensgrundlage in der Heimat in Deutschlands Südwesten genommen hatte, war Amerika. Die Engländer benötigten für ihre Kolonien an der Ostküste Siedler, die sie in der eigenen Bevölkerung nicht in ausreichender Zahl finden konnten. Und so schickte Königin Anne sechs Schiffe, um die Pfälzer zunächst nach England zu holen, wo sie auf ihre Reise nach Amerika vorbereitet werden sollten. Niemand hatte aber mit einer solch großen Zahl von Flüchtlingen gerechnet, und so waren die Verantwortlichen auf der Insel völlig überfordert, den Weitertransport in die neue Welt zu organisieren.
Thomas Earl of Wharton war zu der Zeit Vizekönig von Irland und hat in dieser Eigenschaft sehr schnell den Wert der protestantischen Pfälzer erkannt. Sie konnten eine Verstärkung der in Irland ansässigen protestantischen Pächter werden. Und so kamen im Winter 1709 mit dem Segen der Behörden in London und Dublin etwa 3000 Pfälzer in 800 Familien mit Fuhrwerken nach Dublin. Einige von ihnen blieben in der Hauptstadt, die überwiegende Mehrheit aber wurde auf verschiedene Bestimmungsorte in den ländlichen Regionen Irlands verteilt. Aber nicht alle konnten sich arrangieren und blieben. Viele von Ihnen zog es wieder zurück nach Dublin oder London. Nicht zuletzt waren es sprachliche Schwierigkeiten und fehlende Akzeptanz, die ein Bleiben unmöglich machten. Jedoch blieben 150 Familien und ließen sich in Rathkeale und Umgebung in der Grafschaft Limerick nieder. Sie, die man hier bald Palatines nannte, machten die Produktion von Hanf, Flachs und Vieh zur Grundlage ihres Wohlstandes. Zu einer zweiten erfolgreichen Ansiedlung von Familien aus der Pfalz kam es um dieselbe Zeit in der Nähe von Gorey in der Grafschaft Wexford.
Die Mehrheit der Siedler waren Bauern. Es gab aber auch Handwerker und sogar ein paar Ärzte. Jede Familie bekam acht bis zwölf Acres Land für eine Pacht von sechs Schillingen pro Acre. Die Einheimischen hatten eine durchschnittliche Pacht von zehn Schillingen zu zahlen. Die Regierung war bereit, diese Pacht vierzehn Jahre lang mit zwei Pfund pro Jahr zu bezuschussen. Die Familien bekamen auch einen Barkredit, mit dem sie Dinge kaufen konnten, die sie für ihre Existenzgrundlage benötigten. Und eine Muskete mit Munition gehörte auch zur Erstausstattung. Der Landlord stellte kostenlos Bauholz, damit die Palatines ihr eigenes Haus bauen konnten.
Natürlich haben die Pfälzer auch ihre bäuerlichen Traditionen und Anbaumethoden nach Irland mitgebracht. Von Beginn an wurden Obstplantagen angelegt und die ersten Äpfel vermostet. Der kam gut an in der Gegend um Limerick. Ihr Weizen hatte einen besonders guten Ruf wegen seiner Qualität. Die Kartoffeln wurden in gehäufelten Reihen angebaut, was weniger Dünger benötigte, als der breitflächige Anbau, den die Iren anwendeten. Den Pfälzern wird auch die Einführung des Kopfsalates zugeschrieben. Der hieß einst „German Cabbage“. Auch den Radkarren sollen die Pfälzer eingeführt haben. Die Iren benutzten den Schlittenkarren.
Zunächst sprachen die südwestdeutschen Auswanderer untereinander noch Deutsch, doch schon nach der zweiten Generation konnten nur noch ein paar Alte die „alte“ Sprache. Einige der früheren Siedler nahmen ihre deutsche Bibel mit ins Grab, ein Zeichen dafür, daß sie keiner mehr lesen konnte. Da sich die Iren mit der Aussprache der deutschen Namen schwer taten, war es einfacher sie zu anglisieren. So wurde beispielsweise aus Altimus Alton, aus Daub Doupe, aus Imberger Embury, aus Schultheis Sholedice und aus Schweitzer Switzer. Anne Teskey, die Ende des 19. Jahrhunderts im Alter von sagenhaften 115 Jahren gestorben ist, war die letzte Pfälzerin, die sowohl irisch als auch deutsch sprechen konnte. Und bis heute hat sich ein deutscher Brauch um den Ort Ballingrane erhalten: In der Silvesternacht wird das neue Jahr mit ein paar Böllerschüssen begrüßt.
Die Pfälzer kamen vergleichsweise glimpflich durch die große irische Hungersnot Mitte des 19. Jahrhunderts. Die ärmste Klasse der ländlich-irischen Bevölkerung verfügte nur über einen Bruchteil eines Acres und war völlig von einer ertragreichen Kartoffelernte abhängig. 1845 fiel ein Teil dieser Ernte aus und im darauf folgenden Jahr gab es einen Totalausfall. Über eine Million Menschen starben in der nun einsetzenden Hungersnot. Da die Widerstandskräfte der Menschen geschwächt waren, starben sie an Typhus und Rückfallfieber, später dann auch an der Cholera.
Die Pfälzer hatten neben den Kartoffeln auch Alternativen. Eine schöne Geschichte ist überliefert: Ihnen hat das vitamin- und mineralreiche Sauerkraut das Überleben gerettet. Während in dieser Zeit eine Million Menschen das Land verließ, zeigten die Auswanderungszahlen der Pfälzer einen umgekehrten Trend. Vor der Katastrophe verließen fast doppelt so viele Pfälzer Irland als während der Hungerjahre 1845-48.
Hauptansiedlungs-Gebiet der Pfälzer war die Grafschaft Limerick. Sie errichteten dort Siedlungen bei Rathkeale (Courtmatrass, Castlematrass, Killeheen und Ballingarane). Auch heute noch gibt es eine recht aktive Gemeinde, die stolz auf ihren Pfälzer Ursprung zurückschaut. Rathkeale hat ein sehenswertes „Heimatmuseum“ zum Thema.
Bleibt noch die Frage: Was haben die Pfälzer mit der Beara-Peninsula zutun? Nichts! Die hugenottischen Flüchtlinge haben mich auf die Spur der Pfälzer geführt und ich dachte, irgendwie gehört das Thema auch zur irischen Geschichte und muss hier erwähnt werden, zumal das Flüchtlings-Thema gerade wieder Schlagzeilen macht.
Der Autor: Peter Bernhardt lebt seit dem Jahr 2000 in Eyeries auf der Beara Peninsula in West Cork. Bis zu seinem Ausscheiden aus seinem Arbeits-Leben war er Art Direktor und Werbeleiter. Seine Liebe zu Irland hat er 1967 auf einer 5-wöchigen Fahrradtour durch den Süden entdeckt. Danach folgten mehrere Irland-Urlaube mit Familie, bis 1987 ein altes Cottage seine Aufmerksamkeit weckte und darum warb erworben zu werden. Peters Interessen sind unter anderem Archäologie, lokale Geschichte und Storytelling
Peters Geschichten von der Beara Peninsula erscheinen regelmäßig hier auf Irlandnews.
Fotos: Joachim Heinkel und Jürgen Kautz
Ich kann jedem raten, diese Insel zu besuchen. Nirgendwo fand ich so freundliche Menschen , die die Ruhe weg haben. Nur keinen Stress machen. Eine herrliche Natur, sauberes Wasser. Es hat nur ein Problem: Es ist nicht billig und die Nebenstraßen sind sehr eng. Aber was solls, das Gute hebt das alles auf. Ich würde sofort, wenn ich könnte, wieder zu unseren Freunden nach Sligo reisend. ????????????????????????
Ausgezeichneter und interessanter Artikel. Wusste um die Geschichte der Palatines, da wir unsere Farm im Jahre 1984 von einer Familie Barkman kauften, bestimmte vordem Bergmanns. Ich habe unser Leben als Biobauern in Tipperary in meinem Buch beschrieben: I once had a Farm in Ireland: Living the Organic Lifestyle. Zu haben auf Amazon,
Leider war das Landleben unserer Ehe4 nicht zuträglich und ich bin 2003 aus Irland weg. Nun in Florida verheiratet.
Nochmals danke fuer die tollen Artikel. Kennst du einen Tim Goulding in Allihies? Freund von mir.
Hi, „Gruagach“!
Schöne Vorstellung einer „landbridge“, doch die gibt es schon seit einer Ewigkeit nicht mehr. Mit der genauen Datierung haben die Forscher allerdings Schwierigkeiten. Sie glauben, dass Großbritannien und Irland durch Superfluten vor frühestens 450 000 und spätestens vor 180 000 Jahren zu Inseln gemachten wurden. Erst das Reisebüro Gaeltacht hat den Betriff „landbridge“ wieder aufgenommen. Ich habe leider keine Dokumentation gefunden, wo beschrieben wurde, auf welchem Wege die Pfälzer nach Irland kamen. Ich nehme an, sie machten sich auf den Weg, wie es zur damaligen Zeit üblich war: Mit Ochsenkarren nach Calais, wo sie die Kanal-Überfahrt nach England wagten – immerhin gab es zur damaligen Zeit schon regen „Fährverkehr“, auch zwischen England und Irland. Immerhin war England schon seit Elisabeth 1 eine See-Weltmacht!
Slán
Peter
Stimmt . Ich freue mich jedes Mal über einen neuen Bericht . Kann man so etwas , als “ Sammlung etwa “ Buch veröffentlichen ? Wäre ganz toll : Bitte weiter so . Slan , Tom
Danke Peter, freue mich immer wieder auf die nächste Geschichte.
Nur eines verstehe ich nicht bei den Pfälzern.
Zitat: Und so kamen im Winter 1709 mit dem Segen der Behörden in London und Dublin etwa 3000 Pfälzer in 800 Familien mit Fuhrwerken nach Dublin. Zitat Ende.
Gab’s damals noch die Landbridge? Oder war auf den Schiffen genug Platz für die Auswanderer mit Fuhrwerken die ja eigentlich nach Amerika wollten?
Mein Nachbar hier ist auch Pfälzer. Kann zwar kein irish und kaum english dafür hat er aber die irische Staatsbürgerschaft ;-)
Lieber Peter,
Jetzt schließe ich mich auch auf die Weise eines kleinen Kommentares dem Dank an. Deine Beiträge lese ich gerne und gerade – bei unserem Urlaub auf Beara – profitiere ich von deinen geschichtlichen Kenntnissen, die du interessant aufbereitest.
Freundschaftliche Grüße
Werner
Hier mal ein dickes Danke für die interessanten und lehrreichen Rückblicke in der Geschichte !!!
LG Tina