Killeen_Dunbeacon_Irland

Irland. Cillin hoch über der Dunmanus Bay. Heute fast eine Idylle. Ein einsamer sechs-stämmiger Weißdorn auf der Kuppe mitten in einer weiten Kuhwiese. Ungehinderte Aussicht über die Bucht. Ein paar Steine, zwei davon aufrecht eingegraben. Darüber schütteres Brombeergebüsch. Eine Insel wie eine Wunde im Grasland, von Mensch und Tier fein säuberlich ausgespart. Dieser Ort bleibt unbeackert, ungenutzt, ausgegrenzt. Menschen – wie viele wohl – erinnern sich ganz offensichtlich an seinen früheren Zweck.

Anonym begraben. Hier, auf dieser Kuppe ein paar hundert Meter von den Häusern von Dunbeacon entfernt, wurden bis vor wenigen Jahrzehnten die namenlosen ungetauften Kinder, die Fremden, die Selbstmörder und alle anderen nicht-katholischen Toten beerdigt. In einem Grabfeld außer Sichtweite. Im Cillin, wie die ungesegneten Grabstellen im Irischen heißen. An einem verborgenen Ort, über den nie jemand sprach und von dem doch jeder im Dorf wusste. Hier liegen die körperlichen Reste derer in der Erde, die keinen Platz fanden auf dem Friedhof der Kirche. In die offizielle letzte Ruhestätte der Mehrheit gelangte, wer die richtige Eintritts-Erlaubnis hatte: das Sakrament der katholisch-kirchlichen Taufe. Der Wächter der rigiden Kirchengesetze trug in jedem irischen Dorf dasselbe: das Priestergewand.

Die Cillini erinnern an eine Zeit des Zwangs und der Tabus, die manche das dunkle irische Mittelalter nennen und die mancherorts auf dem Lande erst in den 70er-Jahren endete. Heute bemühen sich Menschen mit einer Beziehung zur eigenen Geschichte darum, den ausgegrenzten Seelen einen Teil ihrer Würde zurück zu geben. Sie setzen sich dafür ein, dass die Knochen der anonym Begrabenen auf Friedhöfe umgebettet werden, oder dass die Cillini im Nachhinein gesegnet und von der Nachwelt erinnert werden.

Der Kölner Maler René Böll, der viele Sommer seiner Kindheit und Jugend an Irlands Westküste auf Achill Island verbracht hat, setzt sich intensiv künstlerisch mit den Friedhöfen der ungetauften Kinder von Irland auseinander: Hier mehr zum Thema.

Foto: Markus Bäuchle

[ed01032017]

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