Der Wanderer flanierte gestern mit einer Gruppe von Kreuzfahrern durch Glengarriff, West Cork, Irland. Just als die Wanderschar an der Katholischen Kirche “Sacred Heart” vorbei kam, öffnete sich das Portal und die Kirchgänger strömten aus dem Gotteshaus in Richtung Shop, Pub oder Mittagessen. Man wurde den Eindruck nicht los, dass sich wieder das ganze Dorf zum Gottesdienst eingefunden hatte. Die Wandersleute aus Großbritannien und den USA staunten deshalb nicht schlecht. Vor allem die Amerikaner hatten in Zeitungen und Internet viel von der Krise der Katholischen Kirche in Irland und von den leeren Kirchen allenthalben gelesen. Und dann das: Die Dorfkirche – berstend voll bis zum letzten Platz. Noch mehr staunten die Besucher aus der Neuen Welt, als der irische Co-Wanderführer gegen den Strom kämpfend in der Kirche verschwand, um sich pflichtschuldigst bei Pfarrer Pádraig das Abendmahl abzuholen. Der Pfarrer ist ein geduldiger Mann und spendierte eine Sonderrunde Oblaten für Nachzügler.

Nun ist Glengarriff ein konservativer Ort, den Moden und Zeitströmungen genauso wenig unter Veränderungs-Druck setzen wie das drastische Versagen der großen Seelenheil-versprechenden Institution. Man geht eben weiter am Sonntag zur Messe. Zudem aber war gestern ein besonderer Tag, der die Kirchen füllte: Der 15. August, der  in diesem Jahr auf einen Sonntag fiel, wird im katholischen Kalender als wichtiger Feiertag geführt und gilt als der wichtigste Gedenktag zur Anbetung der “Heiligen Jungfrau Maria”. Immer am 15. August treffen sich gläubige Iren an den Marienschreinen und den Heiligen Quellen, um ihre “Muttergottes” zu verehren. Fast jeder Ort auf dem Land unterhält einen oder mehrere eigene Marienschreine, die hier “Grotto”, kleine Höhle, genannt werden. Der Marienkult lebt.

Um zahlreiche Grottos ranken sich geheimnisvolle Geschichten, die die Anziehungskraft der Orte über die Jahrzehnte hinweg sichern. So erinnerte man sich gestern in Ballinspittle im County Cork an die wundersamen Ereignisse im Jahr 1985. Sieben Menschen aus zwei Familien kamen am späten Abend des 22. Juli 1985 an der Grotto am Dorfrand von Ballinspittle vorbei und hielten an, um den Rosenkranz zu beten. Die 17-jährige Clare sah es zuerst, dann der 10-jährige John, und schließlich auch die anwesenden Erwachsenen: Die Marienfigur im Schrein erwachte zu Leben und bewegte sich. Mutter Kathy gab später zu Protokoll: “Sie atmete wie ein lebendiges Wesen. Mich überkam ein überwältigendes Gefühl von Frieden und Beschütztsein. Es war ein heiliger Moment.”  Die zutiefst erstaunte Gruppe holte Freunde und Bekannte herbei und die Überlieferung will wissen, dass in jener Nacht insgesamt 13 Menschen aus Ballinspittle das Marienwunder erlebten.

Drei Wochen später, am Festtag Mariä Himmelfahrt 1985, pilgerten über 20.000 Leute zur Maria von Ballinspittle, die offiziell übrigens “Our Lady of Lourdes” heißt. Die Katholische Kirche beließ es bei einem ganz vorsichtigen Distanzierungsversuch und ermunterte die wunder-bare Schar der Pilger dann zum Weiterbeten. So geschah es und zahlreiche Pilger wollen gesehen haben, wie sich die Maria im Schrein die Beine vertrat.