GardaWas gehört zu einem ordentlichen, funktionierenden irischen Dorf? Eine Schule, eine Kirche, ein Arzt, zwei, drei Pubs, eine Post, ein Lebensmittelgeschäft — und natürlich eine Polizeistation. So war es zumindest im guten alten Irland, damals, bevor der Keltentiger über die Insel kam. In der chaotischen Zeit des Bau-Booms der frühen 2000-er Jahre reichte die Planungskompetenz der Behörden oft nicht aus, um beim Bau neuer Siedlungen auch an Schulen, Polizeistationen und eine Geschäftsinfrastruktur zu denken.

Jetzt allerdings geht es um anderes: Der Staat ist notorisch überschuldet, faktisch pleite, und die fordernden und helfenden Institutionen aus dem Ausland (“Troika”) drängen die irische Regierung zu Reformen, Einsparungen und Privatisierung. So beschäftigt sich Irlands Regierung derzeit vor allem mit der Frage, auf was man alles verzichten kann und wie man den Steuerbürgern möglichst viel Geld abnimmt, ohne dass diese massenhaft auf die Barrikaden steigen.

Ganz oben auf den Sparlisten der Regierung stehen derzeit die kleinen Schulen und die kleinen Polizeistatioen auf dem Land — und um beides tobt nun ein ideologischer Kampf mit hohem symbolischem Wert. Ende März wurden landesweit 29 Polizeistationen geschlossen und viele weitere sollen folgen. Nun sehen sich die Menschen abseits der Städte, die sich von Dublin ohnedies stets im Stich gelassen fühlen, vom Verbrechen umzingelt und den Kriminellen schutzlos ausgesetzt. Die geplante Schließung von Garda-Stationen birgt deshalb — zusammen mit der Schließung von Schulen, der Einführung einer Haus-Steuer und der Erhebung von Wassergebühren ab 2014 — für erheblichen politischen Zündstoff.

Dabei geht es im Streit um die Polizeiposten nur ganz selten um Fakten: Die Leute wollen einfach, dass es im Ort auch in Zukunft ein Gebäude mit einer blauen Laterne davor (dem Symbol der irischen Garda Siiochanna) gibt. Schon die Präsenz der Immobilie, so denken sie, hält böse Buben von ihrem Tun ab. Dass viele dieser Polizeistationen vollkommen nutzlos sind, dass sie nicht, fast nicht oder kaum besetzt sind, dass viele von Ihnen nur einen Polizisten haben, der ab und zu oder nur eine Stunde pro Tag die Stationstür öffnet, all das spielt in der Debatte keine Rolle.

Die verwaiste Polizeistation in den Dörfern von West Cork, Kerry, Mayo oder Donegal ist zwar meist hübsch anzuschauen, eine Sicherheits-Funktion erfüllt sie aber zumiest nicht mehr. Sie mag in den Zeiten, als die anglo-irischen Landadligen die Dorfpolizei brauchten, um renitente irische Untertanen einzunorden, wichtig gewesen sein. Heute bindet sie die Kräfte, die notwendig sind, die Polizei effizienter zu strukturieren: Gefragt sind mehr und bessere Einsatzfahrzeuge, gefragt ist der Anschluss aller Polizeidienststellen an das internetbasierte Kommunikations-System. Bis heute sind 40 Prozent aller Polizeistationen nicht am zentralen System der Garda angeschlossen.

Wer sich funktionierenden Polizeischutz für Irlands Landbevölkerung wünscht, kann dies nicht an überkommenen dezentralen Strukturen aus der guten alten Zeit festmachen. So weh es tut: Die Garda-Station gehört heute nicht mehr in jedes kleine Dorf. Vielleicht sollte man für die irischen Dörfer eine Garda-Museums-Laterne erfinden und etablieren, um wenigstens den schönen blauen Schein in die Zukunft zu retten.