Sie erinnern sich noch: Vor zwei Jahren galt Irland als “zweitreichstes Land Europas”, manchmal auch als “wohlhabendstes Land Europas”, seine Bürger als führend in der Welt, wenn es um Bares und Materielles ging. Die über zehnjährige Sause auf der Insel – befeuert vor allem mit Geld aus Grundstücksverkäufen und Phantasie-Gehältern –  kreierte einen ganz eigenen irischen Konsumstil: Shop `til you drop. Kaufen, bis der Arzt kommt. Die 365 Tage im Jahr währende Kauforgie im Celtic-Tiger-Irland provozierte ihrerseits Phantasiepreise: Das Geld saß locker, und der Wert von Produkten bemaß sich am Preis: Je teurer, je besser, je lieber.

Was sehen Sie?
a) Drei smarte Shopper diskutieren in North Main Street über die billigste Zahnpasta.
b) Drei schuld-getriebene Iren präsentieren ihre neuen bei Lidl erstandenen Anzüge.
c) Drei Marktversteher von PwC, kurz bevor sie den Iren die Story vom cleveren Konsumenten erzählen.

Dann kam die tiefe, bittere Rezession. Sie traf Irland härter als alle anderen Länder Europas. Der Ikarus-gleiche Absturz aus Höhen unweit der absoluten Wohlstandssonne geriet umso tiefer. Seitdem schließt ein Komsumtempel nach dem anderen. Doch auch nach dem großen Kater geht das Leben weiter. Ein bisschen weniger großspurig, ein wenig bescheidener, auch überlegter und souveräner, wenn es um das Anschaffen geht. Vorbei die Zeiten, da Joe gleich vier Jumbo-Kühlschränke nebeneinander in seine Küche stellte, vorbei auch die Jahre, da die Wagenflotten vor geräumigen Einfamilienhäusern suggerierten, jeder zweite Ire sei ein Händler von Jahreswagen.  Wieder einmal bestätigt sich die alte Bauernregel: “Hat der Farmer wenig Geld, besser er sein Feld bestellt.”

Zur Konsumlage der irischen Gesellschaft müssen natürlich auch die unvermeidlichen Martkforscher und Unternehmensberater ihren interessegeleiteten PR-Senf geben. Ganz im Trend recycelten die Prüfungsberater von PricewaterhouseCoopers (PwC) nun einen Halunken-Typ, der schon in zahlreichen Rezessionen weltweit auftauchte: Den Smart Shopper, den Clever-Käufer.

PwC will erkannt haben, das sich die irischen Konsumenten “niemals von den Schuldgefühlen erholen werden, die ihr Konsumverhalten der Boomjahre verursacht hat”. Klingt pathetisch und hat Folgen: Aus der Asche der verbrannten Millionen steigt der smarte Konsument, der klug abwägende Käufer, der Schreck aller Händler. Erinnern Sie sich? “Morgens bei Aldi einkaufen und nachmittags Champagner saufen am Gänsemarkt” –  derselbe Kerl, der seit 15 Jahren in den Einkaufsstraßen von Deutschland sein Unwesen treibt, quält nun auch arme irische Verkäufer: Er greift zielstrebig und mit sicherem Auge nach der guten Qualität zum kleinen Preis, er kauft clever und schämt sich dabei heimlich, dass er für denselben Krempel vor zwei Jahren noch das Doppelte bezahlt hat. Es ist der Smart Shopper der Sub-Species “Reuiger Sünder”.

Vor allem aber spielen die stets schuld-getriebenen Irinnen und Iren (zumindest laut PwC) virtuos auf der Klaviatur hybriden Konsumverhaltens: Für profane Gebrauchsgegenstände zahlen sie nun gnadenlos den Minimalpreis, nur um sich dann diesen und jenen luxuriösen Herzenswunsch zu gönnen. “Scrimping and splurging”, so suggerieren die smarten Konsum-Therapeuten von PricewaterhouseCoopers, gibt nun für alle Zukunft den Takt in den Konsumzonen der Grün-bunten Insel an: “Knausern und Prassen”. Auf Deutsch: Man gönnt sich ja sonst nichts.

So vollendet sich die Aldisierung und Lidlisierung Irlands mit dem Segen der Marktversteher. Und auch auf der kleinen Insel am westlichen Rand Europas gelten Erichs Worte für die Ewigkeit: Den Konsumismus in seinem Lauf halten weder Ochs noch Esel auf.

* Photo: PricewaterhouseCoopers Ireland. Pictured launching the 2010 Checkout conference ‘React, Recharge, Refocus’ happening on Monday 18 December are (l-r): David McGee (Director, PwC Retail and Consumer Practice), John Ruddy (Editor, Checkout) and Conor Kilduff (MD, Unilever Ireland). Die Konferenz fand gestern in Dublin statt.