Irland ganz grauSeit ein paar Jahrzehnten wird der reisende Urlauber gerne als Tourist verunglimpft, als vermeintlich Illusions-geleiteter Wenigwisser, als Projektionsflächen-Polierer, als Doofmann in Sandalen. Tourist, das ist immer der Andere; meistens der eigene Landsmann, die eigene Landsfrau, die man schon 100 Meter gegen den Wind als irrlichternde Reisekrücke aus der eigenen Heimat zu erkennen glaubt.

Interessanterweise sind es meist gar nicht die besuchten Einheimischen sondern andere Freizeit-Fremde, die im Parallel-Reisenden den dummen Touristen-August ausmachen. Man selber reist ja gepflegt und gebildet, man selber wird garantiert nicht als Tourist erkannt, allenfalls als “Fast-schon-Einheimischer”. Dümmer, peinlicher und verachtenswerter als der Tourist ist diesem Verständnis zufolge nur noch der Pauschal-Tourist.

Der Großmeister unter den Touristen-Auspeitschern aber ist der Dauer-Tourist, dem das selbstzweckhafte Motiv abhanden gekommen ist: der expatriierte Landsmann (kurz Expat), der eingewanderte Auswanderer mit dem gnadenlosen Durchblick. Den geisselnden Expat gibt es in verschiedenen Formen und Mischformen: als Oberlehrer pur, als pedantischen Sarkast, als zweigesichtigen Heuchler, der bevorzugt diejenigen in die Pfanne haut, von denen er lebt, oder als dilettantischen Epigonen Jakob Holdts.

Frustrierte Landsleute im Ausland stehen frustrierten Landsleuten zuhause in nichts nach. Diese Sorte Sauertopf würde einem glatt empfehlen, sich in der Suppenküche von Limerick zu ernähren, sein Urlaubsbsgeld in der Schlange vor dem Sozialamt in Mayfield zu erstehen und seine zwei Wochen Ferien im Abwrack-Estate von Ballymun zu verbringen, um endlich reinste Wirklichkeit zu inhalieren. Nur gut, dass man sie so selten trifft unterwegs, diese gurkensauren “Realisten” aus der Expat-Szene — sowohl im physischen als auch im virtuellen Leben.

Das heutige Foto ist unseren expatriierten Schwarzgrau-Sehern gewidmet. Keep up the woozy work, wailer!