Seit Monaten steht die Deutsche Botschaft in Dublin, Irland, in der Kritik, weil sie ihre Kunden unangemessen, schlecht, und wahrscheinlich sogar gesetzeswidrig behandelt. Vor zweieinhalb Monaten bereits versprach der Sprecher von Botschafter Christian Pauls auf diesem Blog die Neuregelung des Kundenverkehrs. Geschehen ist gar nichts. Wer in der Botschaft einen Pass oder ein Visum beantragt, muss sich weiterhin schwer erträglichen Prozeduren aussetzen. Es gibt keine individuellen Sprechstunden, es gibt keinen Schutz der Vertraulichkeit, und oft auch keinen vor Regen und Kälte.
Hier das aktuelle Protokoll eines Mannes aus West Cork, der nach Dublin reiste, um einen Deutschen Reisepass zu beantragen: Um 10 Uhr kommt er in Booterstown, 123 Trimleston Avenue, am Tor der Botschaft an. Es regnet. Vor dem Tor stehen weitere zwölf Menschen. Es regnet. Bis 11.30 Uhr ereignet sich gar nichts. Es regnet. Dann werden die Wartenden durch das Tor eingelassen. Sie stehen auf dem Botschaftsgelände, im Freien. Es regnet. Eine Stunde später schafft unser Mann es endlich in den kleinen, hoffnungslos überfüllten Warteräumchen (“Schalterklo”), den er nun mit über 20 anderen Kunden teilt. Es gibt zwei Schalter, vor denen sich die Menschen drängeln: links Visa-Angelegenheiten, rechts Passanträge. Das heißt: links Nicht-Deutsche, rechts Deutsche und Deutsche in spe. Alle Gespräche zwischen Kunden und Botschaftsmitarbeitern werden durch eine dicke Glasscheibe hindurch öffentlich geführt – über eine knarzende, laut plärrende Gegensprechanlage.
Unser Mann aus West-Cork hat seinen Pass um 13.30 Uhr erfolgreich beantragt. Er kennt nun unter anderem die Lebens- und die Familiengeschichte eines jungen deutschstämmigen Kanadiers, auch die eines chinesischen Arztes, der zu einem Kongress nach Düsseldorf reisen muss und dabei auch noch München (“Warum eigentlich wollen Sie nach München?”) besuchen will. Er hat miterlebt, wie die Leute regelrecht öffentlich verhört werden. Er durfte auch selbst Hand anlegen und mithilfe eines 30 Zentimeter langen Plastiklineals die Körpermaße eines anderen Passantragsstellers festellen (187 Zentimeter!) – all dies auf engstem Raum, den Atem des gedrängt-drängenden Hintermannes immer im Nacken.
Unser Mann aus West-Cork hat seinen Passantrag erfolgreich platziert und verlässt die Botschaft in Booterstown erschöpft nach dreieinhalb Stunden. Seine Erlebnisse kommentiert er so: “Dieser Umgang mit den Besuchern ist menschenverachtend und erniedrigend. Ich dachte, die Würde des Menschen sei unantastbar. Die Leute von der Botschaft sollten sich schämen.” Wütend machte den Mann vor allem die fehlende Vertraulichkeit der Gespräche. Er sieht Persönlichkeitsrechte krass verletzt und Datenschutzgesetze missachtet. Er steht mit seiner Meinung nicht alleine. Briefe an das Auswärtige Amt in Berlin und an den Datenschutzbeauftragten der Bundesrepublik Deutschland werden deshalb folgen. Und langsam werden die seltsamen Geschäftspraktiken der Deutschen Botschaft in Dublin auch ein Fall für die Medien.

PS: Es geht auch anders: Andere Deutsche Botschaften, andere Sitten. Bessere Sitten.