Die Irische Regierung kann zaubern

Die Irische Regierung kann zaubern: Karikatur der Irish Times zum Haushalt 2013*

Die durchbohrte irische Jungfrau: Seit dem Dezember 2007 wird die Schlinge um die Hälse der Irinnen und Iren Jahr für Jahr enger gezogen. Gestern war es wieder soweit: Budget Day, Tag der Verabschiedung des Staats-Haushalts. Im Gegensatz zu früheren Jahren hielt sich der öffentliche Aufschrei in Grenzen, vielmehr nahmen die gebeutelten Untertanen eher passiv und resigniert zur Kenntnis, dass sie im Jahr 2013 auf weitere 3,5 Milliarden Euro verzichten müssen. Neue und höhere Steuern, Abgaben und Gebühren auf der einen Seite und weniger Unterstützung und Geld vom Staat auf der anderen: Das sechste Spar-Budget in Folge wurde vom Parlament in Dublin verabschiedet. Eine irische Durchschnitts-Familie mit drei Kindern, einem kleinen Haus und einem kleinen Auto, so rechnete die Irish Times heute morgen vor, wird im Jahr 2013 rund 18o0 Euro weniger in der Tasche haben.

Immerhin: Teil 6 der Rosskur erscheint sozial ausgewogener als die Sparpakete der Vorjahre: Alle müssen nun zusätzlich leiden, von den Wohlhabenden über die Rentner bis zu den üblichen Verdächtigen. Und auch die Teilzeit-Bewohner Irlands, sprich Ferienhausbesitzer, und Gäste, sprich Touristen und Geschäftsreisende, werden das Spardiktat spüren. Hier ein paar Auszüge aus der Liste der Grausamkeiten:

* Die Grundsteuer für Haus- und Wohnungseigentümer wird zum 1. Juli 2013 eingeführt: Eigentümer zahlen künftig pro JAhr eine Grundsteuer in Höhe von 0,18 Prozent des Vermögenswerts. Den Wert der Immobilie müssen die Eigentümer selbst festlegen, das Finanzamt wird allerdings mit den entsprechenden Freiheiten ausgestattet, Schummler zu sanktionieren. Immobilien mit einem Wert über 1 Million Euro werden mit 0,25 Prozent veranlagt. Es wird damit gerechnet, dass die Masse der Haus- und Wohnungseigentümer 250 bis 400 Euro pro Jahr bezahlen müssen. 2013 wird zum Eingewöhnen nur ein halber Jahresbeitrag fällig. Ab März 2013 will die Regierung über das genaue Procedere informieren.

* Alkohol und Tabak werden teurer: Das Pint Bier und Cider ab sofort um 10 Cents, eine Flasche Wein um 1 Euro, eine Packung Zigaretten um 10 Cents.

* Angehoben werden die Rezeptgebühr, die KfZ-Steuer, die Studiengebühren, die Sozialabgaben, die Zinsabschlags- und die Kapitalertragssteuer, gekürzt dagegen das Kindergeld.

* Die Sozialleistungen für Arbeitslose, Kranke, Rentner und Familien werden nicht grundsätzlich gekürzt, jedoch an vielen Stellen ausgedünnt.

Und wozu das Ganze? Ganz einfach: Um die vom irischen Staat auf Druck der Europäischen Union (Deutschland und Frankreich) übernommenen Schulden der wankenden irischen Banken auszugleichen. Um 70 von der internationalen Banken-Mafia verzockte Milliarden Euro wieder einzuspielen. Um dem Spardiktat der Troika aus EU, EZB und Internationalem Währungsfond nachzukommen. Damit Irland wieder Zugang zu den internationalen Finanzmärkten erhält. Dafür zahlen Irlands viereinhalb Millionen Bürger und Steuerbürger nun im sechsten Jahr einen hohen Preis. Sie werden für ihre fehlende Reaktanz weltweit mit viel Lob überschüttet, in bunten Farben als Musterpatienten dargestellt, und auf eine goldene Zukunft vertröstet: Bald sei es geschafft, schon im kommenden Jahr könne das Spardiktat gelockert werden, tröstete Finanzminister Michael Noonan, unter der Bedingung, dass . . . ja, dass die irische Wirtschaft ab 2013 wieder kräftig wächst.

Geht die irische Krise wirklich zu Ende? Bei aller Schönrednerei wird es entscheidend darauf ankommen, das die immensen Staatschulden Irlands verlagert werden, dass ein versteckter Schuldenschnitt gemacht wird, dass die Schulden im internationalen Finanzsystem  “clever” und zu Lasten künftiger Generationen geparkt werden, dass die Zurückzahlung der für viereinhalb Millionen Menschen viel zu hohen Milliardensumme auf einen allzu fernen Tag X gestreckt werden wird. Für diesen Deal braucht die irische Regierung die wahren Entscheider in der Europäischen Union — und die sitzen in Berlin, in Paris und (noch) in London. Dafür tut Irland nun seit Jahren artig, was ihr die Finanzbesatzungsmacht Troika aufträgt, dafür exekutiert sie Spar-Budget um Spar-Budget. Der Deal ist für beide Seiten von relativem Vorteil: Die EU kann das Problem Irland auf die lange Bank schieben, kann sich um die wirklichen Problembären in Südeuropa (und Frankreich?) kümmern, hat zudem eine Erfolgsgeschichte vorzuweisen (“Irland schafft es mit unseren Rezepten als erstes Land aus der Krise . . . ” ). Der Tag der Abrechnung in und für Irland wird allerdings kommen. Sicherer noch als das Amen in der Kirche.

* Zum Bild: Die beiden Spar-Minister Noonan und Howlin werden von der Irish Times heute als Zauberer vorgeführt: Die Anweisung der Regierung für die gefangenen und erstochenen Bürger in der Kiste lautet: “. . . dann befreit Ihr Euch und geht groß einkaufen, um die Wirtschaft anzukurbeln . . . Magisch”  Der gezeigte Trick heißt in Fachkreisen übrigens “Die durchbohrte Jungfrau”.