Als ich vor 20 Jahren von Deutschland nach Irland zog, war das Leiden an der fortschreitenden Naturzerstörung in Mitteleuropa mein wichtiger Antrieb. An der Atlantikküste fand ich eine Wahlheimat, der durch glückliche Umstände noch Aufschub gewährt wurde (und wird).
Ich bin mir heute nicht mehr völlig sicher, ob es richtig war, das persönliche Glück vor den Kampf für die Natur in der Heimat meiner Kindheit und Jugend zu stellen. Sicher bin ich mir, dass dieser Kampf ein vergeblicher gewesen wäre. Ich halte mich gerade drei Wochen in Deutschland auf. Was ich hier an Veränderungen sehe, lässt mich verstehen, warum so viele Menschen, die uns in Irland besuchen, ihre Zeit am Atlantik als eine Zeit des Glücks in einer wenig zerstörten Gegenwelt erleben.
Einige aktuelle Beobachtungen in der alten Heimat im Südschwarzwald:
:: Der Raum der Natur wird weiter und weiter beschnitten. Der Flächenfraß kennt keine Grenzen. Der Fort-Schritt schafft fortschreitende Zerstörung. Letzte freie Flächen, auf denen wenigstens Kulturlandschaft einigermaßen ungehindert gedeihen könnte, verschwinden.
:: Die kleine Stadt, in der ich aufwuchs, wurde zum unwirtlichen Menschenfelsen. Die Projekte von Bürgermeister um Bürgermeister, die der ewigen städtischen Geld-Eliten, von Generationen von Investoren und fleißigen Einwohnern haben ihre tiefen Spuren in Beton, Stein und Asphalt hinterlassen.
:: Der kleine Park in der Innenstadt ist einem unförmigen Wohn- und Geschäftshaus gewichen.
:: Der größere Stadtpark kann seine Grenzen nicht verteidigen. Neue Häuser nagen beharrlich an seinem Rand.
:: Das einst ruhige Fluss-Ufer ist von der Stadt geschluckt worden. Auch hier gibt es nun Licht, Lärm, und Abgase rund um die Uhr.
:: Der Eisweiher, einst Schlittschuhvergnügen für die Jungen der Stadt, liegt vergraben unter Senioren-Residenzen. Hier leben die begüterten Alten der Stadt ihren Abend.
:: Die Wiesen, Hügel und Fluss-Auen, Spielgründe der Kindheit und Jugend, sind unter Baugebieten und Straßen verschwunden. Auf ihnen drängen sich die Wohnblöcke der einfachen Leute hier und die Einfamilienhäuser der Erfolgreichen dort. Der Verkehr, ein nie endender Strom aus Blech. Das Verkehrsaufkommen hat sich in wenigen Jahrzehnten vervier- oder verfünffacht. Manche Menschen würden gerne in ihren drei Autos gleichzeitig fahren, wenn sie nur könnten.
:: Wachsende Gewerbegebiete ziehen immer neue Menschen an. Es gibt Arbeit, es gibt Wohnraum. Es gibt eine diversifizierte Konsumlandschaft von Einkaufsarealen für jedes „Bedürfnis“.
:: Aus den Gärten und Vorgärten verschwinden die Pflanzen. Schottergärten und Steinwüsten breiten sich aus. Heart of Stone. Was geschieht mit den Seelen der Menschen in den Häusern in den Steinwüsten?
:: Die Gärten verschwinden. Immer noch ein Hüttchen mehr, ein zusätzliches Gartenhäuschen, noch ein Carport hier und eine trendige überdachte Gartenküche dort: Alles wird immer noch „besser“. Die Zivilisation optimiert sich an den Abgrund.
:: Die einst offenen Felder zwischen den Dörfern sind am Verschwinden. Dort, wo es sie gibt, werden sie eingezäunt, abgegrenzt, genutzt und abgenutzt: Noch mehr Hütten, Schöpfe, Lauben, Unterstände für Tiere und Menschen. Felder voller Biomasse.
:: Der Wald stirbt. Der saure Regen vor 30 Jahren war nur ein kleiner Vorgeschmack. Der Zustand der heimischen Wälder ist schlecht wie nie in unserer Lebenszeit. Überall tote Bäume, sterbende Bäume, gefällte Bäume.
:: Und auf den Bergspitzen des südlichen Schwarzwalds nun auch die Windräder. Die Symbole einer Energiewende, die nicht kommen wird, zerstören die letzten zusammen hängenden größeren Waldgebiete. Hier sind wirtschaftliche Partikular-Interessen am Werk. Hier kann Geld verdient werden. Das Klima wird hier nicht gerettet, aber die letzten Naturlandschaften werden im Namen des Klimaschutzes verwüstet. Manche Menschen wehren sich. Aus Rebellen wurden Profiteure. Aus braven Bürgern Rebellen: „Schützt unsere Heimat vor der EWS“. *
Wir alle können die Zerstörung der Natur sehen
Die Natur hat sich notgedrungen auf den Rückzug gemacht. Jeder verfügbare Quadratmeter Land wird von Menschen genutzt, Natur wird stetig in Kapital verwandelt. Aus Boden wird gesättigter materieller Wohlstand und mit ihm zieht seelische Not ein. Mein Freund Roland sagte gestern: „Ich lebe von der Landschaft“. Er, wir, müssen immer genauer suchen und weiter gehen, um noch ein Stück intakte Landschaft zu er-leben.
Wer so schreibt, wird gerne als heilloser Natur-Romantiker belächelt. Ich lächele gerne zurück. Ob er oder sie den dramatischen Niedergang der Natur nicht sehen kann, das Verschwinden von freiem Raum, von Tieren und Pflanzen? Der Niedergang ist so offen-sichtlich.
Der dauerhafte Anstieg der Temperaturen auf der Erde, die Klimakrise, die noch immer vorwiegend andernorts Wetterkrisen erzeugt, die Klimaschäden und die Klimageschädigten der Zukunft – all das mag man vielleicht noch nicht sehen, das mag frau sich noch nicht richtig vorstellen können. Der Mensch ist nicht gut darin, eine in der Zukunft liegende Bedrohung bereits in der Gegenwart abzuwenden. Den Niedergang der Natur, das Verschwinden der natürlichen Welt um die Ecke aber, das kann jeder sehen. Jetzt. Hier. Heute, Er vollzieht sich vor unserer aller Augen in atemberaubendem Tempo.
Die Zerstörung der Erde, der Niedergang der Natur, das ist unser wirkliches Problem. Die Klimakrise ist nur ein Teil der Krise, und die gerade massiv wachsende Klima-Rettungs-Industrie ist es ebenfalls – und keinesfalls ist sie Teil einer Lösung.
Dennoch: Das orchestrierte Geschrei der Klimakrisen-Leugner klingt wie der hässliche Soundtrack des Niedergangs, die fakten-immune Rechthaberei in den unsozialen Medien liefert die Untertitel („Warmzeiten hat es schon immer gegeben . . . “ ). Viele singen jetzt das hohe Lied auf die Freiheit. Sie meinen nicht die Freiheit, auf das zu verzichten, was man als falsch erkannt hat. Und nicht die Freiheit der Anderen. Sie meinen die Konsumfreiheit, die totale Reisefreiheit, die Freiheit, jeden Tag zu essen, was schmeckt und gefällt, Fleisch, Milch, Fisch satt. Klimakrise, Naturkrise, Massenausrottung der Arten. Der Mensch, der Mensch, der Mensch leistet ganze Arbeit.
Seit vier Jahrzehnten leben wir nun massiv über unsere Verhältnisse und über die Verhältnisse der Erde. Seit 40 Jahren sind wir zu viele geworden und konsumieren mehr Resourcen, als die Erde regenerieren kann. Seit vier Jahrzehnten ist Wirtschaftswachstum nichts anderes als Zerstörung.
Wir reden laut und viel über das Klima und tun dann: Erst mal nichts. Als könnte alles so weiter gehen. Es geht einfach alles weiter wie gewohnt: Der CO2-Ausstoß weltweit, auch in Europa und in Deutschland, steigt allen Bekundungen zum Trotz unverdrossen weiter. Der Auto-Verkehr nimmt zu, der Flugverkehr wächst, gegen alle Flugscham. Der Landverbrauch hält an. Die Arten sterben weiter aus, Tiere, Pflanzen. Klar hat es das schon mehrfach in der Erdgeschichte gegeben. Und doch ist es eine Premiere: Dies ist Made by Humans. Diese Ausrottung ist menschengemacht.
Warum eigentlich müssen wir ständig alles verändern, verwandeln und es uns unterwerfen? Warum können wir die Natur um uns herum nicht einfach in Ruhe lassen, sie sein lassen, wie sie ist? Warum beschränken wir uns nicht? Die Hälfte der Erde für die Menschen, die andere Hälfte für die wilde Natur, für Wildtiere und Pflanzen. Das wäre ein Deal, der auch uns bald schon nützt.
Die Erde und mit ihr wir Menschen rasen auf die globale ökologische Katastrophe zu. Die Krise ist so vielfältig wie dramatisch und eskaliert mit großer Geschwindigkeit. Die Vernichtung nicht-menschlichen Lebens durch die Nutztier- und Agrar-Wirtschaft verursacht die Massenausrottung der Tier- und Pflanzenarten. Die Meere sterben durch Plünderung, Sauerstoffarmut und Vermüllung. Das anhaltende exponentielle Wachstum der Weltbevölkerung, das politisch kaum thematisiert wird, ist der Hauptgrund für die meisten ökologischen Probleme wie Luftverschmutzung, Bodenverlust, Wasserknappheit, Wasserverunreinigung durch endokrine Disruptoren und das globale Plastikmüll-Desaster. Ja, und auch die Klimakrise und die globale Erhitzung, bedrohen das Leben auf der Erde langfristig. Der ökologische Kollaps naht – und wir genießen unseren Wohlstand in vollen Zügen.
Wir müssten nur den Materialverbrauch halbieren
Der tschechische Biologe und Umweltwissenschaftler Vaclav Smil (neues wichtiges Buch im Jahr 2019: „Growth“) erkennt nur diese Alternativen: Entweder wir rücken vom Wachstum ab, oder wir werden von der Erde verschwinden. Grünes Wachstum (wie die anhebende Klima-Rettungs-Industrie) entlarvt der emeritierte Professor aus Manitoba, Kanada, als die große Augenwischerei der Gegenwart. Er rät uns Europäern zur Mäßigung, zum Sparen, zu einem dauerhaften Wohlstandsniveau, wie wir es in Deutschland und Westeuropa in den 1960er- und 70er Jahren hatten (unterentwickelte Gesellschaften sollten dagegen zur Reduzierung der Armut noch für eine bestimmte Zeit wachsen). Smil sagt:
„Wir könnten unseren Energie- und Materialverbrauch halbieren, was uns wieder auf das Niveau der 1960er Jahre bringen würde. Wir könnten sparen, ohne etwas Wichtiges zu verlieren. Das Leben war in Europa der 1960er oder 70er Jahre nicht schrecklich. Menschen aus Kopenhagen könnten nicht mehr für einen dreitägigen Kurztrip nach Singapur fliegen, aber na und? Es wird nicht viel mit ihrem Leben passieren. Die Leute wissen nicht, wie viel Spielraum wir in dem System haben.“
In den 60-er und 70-er Jahren haben auch wir Menschen in Mitteleuropa noch nachhaltig gelebt.
In meiner Erinnerung war das kein schlechtes Leben. Wir hatten alles und mehr, was wir zu einem guten Leben benötigten – auch wenn es nicht die Hälfte dessen war, was wir heute konsumieren und besitzen. Das ist nur vier oder fünf Jahrzehnte her.
Warum ist es so schwer, nicht immer mehr zu wollen, sondern das Weniger zum Lebens-Ideal zu erheben? Wir wissen doch längst, dass unser Glück nicht mit dem materiellen Wohlstand zunimmt. Es gäbe ein Leben in Würde und Sicherheit, wenn wir vom Wachstum abließen und uns bescheidener einrichteten.
Wir aber konsumieren, als gäbe es kein Morgen. Und deshalb gibt es möglicherweise kein Übermorgen für das Leben auf unserem blauen Planeten. Manche Astrophysiker und die Evolutionsbiologen haben uns als Spezies bereits aufgegeben. Das hochkomplexe Geisteswesen Mensch hat sich von der inneren und äußeren Natur getrennt, abgewandt und isoliert – und könnte genau daran scheitern. Der Mensch folgt dem evolutionären Imperativ und wird von der Erde verschwinden.
Hören wir auf, gegen die Evolution zu kämpfen . . .
Die Weisheitslehrerin Catherine Ingram rief uns kürzlich in dem viel beachteten Essay „Dem Aussterben ins Auge sehen“ zu: Hören wir auf, gegen die Evolution zu kämpfen. Sie wird gewinnen.
Mag sein, dass wir verlieren. Und doch haben wir auch im Verlieren die ethische Verpflichtung, das zu tun, was wir als richtig erkannt haben – für unsere Kinder und Enkel und Urenkel. Nehmen wir uns die irischen Sportfans zum Vorbild, die in der Niederlage ihre wahre Größe zeigen. Sie singen die schönsten Lieder, wenn der Sieg ihrer Mannschaft am unwahrscheinlichsten geworden ist.
Deshalb müssen wir zumindest versuchen, gemeinsam die rettende Wende zu schaffen, uns zurück zu nehmen und wieder einzugliedern in die große Biosphäre, als Teil des lebendigen Ganzen.
Fangen wir an, als Konsumenten abzurüsten. Arbeiten wir kürzer und leben wir mehr. Geld, das wir nicht ausgeben, müssen wir nicht verdienen. Versuchen wir, uns im Weniger selbstverantwortlich einzurichten, erheben wir die Mäßigung zum Leitmotiv unseres Handelns.
Das Fest des Hyper-Konsums steht wieder vor der Tür. Lassen wir es einfach einmal draußen stehen und beginnen drinnen damit, ein verantwortungsvolleres Leben einzuüben . . .
Lesetipps:
Vaclav Smil: Growth, 2019
Catherine Ingram: Facing Extinction, 2019
Jonathan Franzen: What If We Stopped Pretending? – The climate apocalypse is coming. To prepare for it, we need to admit that we can’t prevent it, in: New Yorker, 8. September 2019
Fotos: Windkraftgegner Gersbach (Titel-Montage); Markus Bäuchle
* Nachtrag 10. Dezember 2019: Dies ist kein prinzipieller Einwand gegen Windräder und Windenergie. Sie muss auf Flächen genutzt werden, die ohnehin ökologisch zerstört sind, auf Industrieflächen, in Gewerbe- und Konsumgebieten. Was fehlt ist eine sorgfältige Abwägung von Energie-Nutzen und ökologischen Schäden. Es fehlen die Fürsprecher für eine sprach- und hilflose Natur.
Überbevölkerungsproblematik – eine Definition
(als Ursache, Auswirkung, Symptom)
… ist die Unfähigkeit
auf individuelles Leid
angemessen zu reagieren.
Das wirkt – nachhaltig!
… ist die Unfähigkeit
Achtsamkeit zu pflegen
sich der Pflicht verpflichtet zu fühlen.
Es eilt – morgen dann!
… ist die Unfähigkeit
sich und andere zu spüren
Gewalt und Zwang zu verbannen.
Im Hier und Jetzt zu sein – wann?
… ist die Unfähigkeit
nicht länger grenzenlos über Grenzen hinweg
auf Kosten anderer seine Bedürfnisse zu stillen.
Verzicht ist schmerzvoll – Gott bewahre!
… ist die Unfähigkeit
Konflikte zu schlichten.
Hier und jetzt Lösungen zu kreieren.
Grenzenlos machtvoll liebend zu sein!
Die Sehnsucht nach dem «Paradies», die Sehnsucht nach Natur, nach Ruhe, Besinnlichkeit
und Einfachheit lässt uns in die Ferne eilen. Wir klettern auf Berge, auf Gletscher, sonnen uns auf irgendwelchen Inseln…. und fliehen irgendwann….wenn und weil diese von Menschen überquellen.
… ich bleibe hier. Beobachte, wie Dörfer und Städte wachsen.
Die Weltbevölkerung wächst und mit ihr das Bedürfnis nach Ruhe und Sicherheit. Das eigene Heim wird zum Paradies erklärt. Und die Natur verschwindet.
Herzlichst, Edith Schuler
PS: Anbei ein Link zur Petition «Weltweite Geburtenregelungen verbindlich einführen».
https://www.change.org/p/weltweite-geburtenregelungen-verbindlich-einf%C3%BChren-introduce-obligatory-world-wide-birth-controls/u/25673847
Und hier der Beitrag in der Lokalzeitung als JPG . . .
Wer möchte dasselbe nun in seiner Stadt, ihrem Dorf, seinem Tal oder ihrer Region versuchen? Bitte haltet mich auf dem laufenden.
Zur Idee: Jede(r) könnte dies für den eigenen Heimat- oder Wohnort tun und den Beitrag mit der Bitte um Veröffentlichung der Lokalzeitung, der Regionalzeitung, dem lokalen Anzeigenblatt, dem Lokalradio oder regionalen Online-Medien schicken. Wer macht mit?
Ich habe den Beitrag mittlerweile an die Lokalzeitung in meiner alten Heimatstadt Schopfheim gegeben und eine Veröffentlichung angeregt. Der Redaktionsleiter des Markgräfler Tagblatts, Werner Müller, war sehr offen für das Thema und räumte dem Beitrag die lokale Titelseite in der Silvesterausgabe ein. Danke dafür. Mal sehen, ob eine Diskussion in Schopfheim zustande kommt. Hier der Link zur Online-Ausgabe des Markgräfler Tagblatts:
https://www.verlagshaus-jaumann.de/inhalt.schopfheim-flaechenfrass-kennt-keine-grenzen.a6feac87-bbfe-40e8-9fc9-d60618384efd.html
Wer möchte dasselbe nun in seiner Stadt, ihrem Dorf, seinem Tal oder ihrer Region versuchen? Bitte haltet mich auf dem laufenden.
Liebe Jacqueline,
vielen Dank für Deine klaren Worte, Deinen Realismus, Deinen Durchhaltewillen. Und für das Lob. Es wäre mir lieber, ich müsste diese Beobachtungen nicht aufschreiben . . .
Ich habe in diesem Beitrag versucht, die ganz konkrete schleichende Natur-Zerstörung in meiner alten Heimat zu beschreiben.
Eine Idee: Jede(r) könnte dies für den eigenen Heimat- oder Wohnort tun und den Beitrag mit der Bitte um Veröffentlichung der Lokalzeitung, der Regionalzeitung, dem lokalen Anzeigenblatt, dem Lokalradio oder regionalen Online-Medien schicken. Wer macht mit?
@ Dieter (Kommentar vom 2. Dezember 2019 um 12:47 Uhr)
Der Mensch muss sich mit Einschränkungen abfinden, wenn er überleben will. Doch auch an dieser Stelle gesagt … es geht längst nicht nur um den Menschen, es geht um alle Lebewesen hier auf diesem Planeten.
Auch wenn das Thema altmodisch erscheint … Tugenden (Glaube, Liebe, Hoffnung, Weisheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit, Mäßigung, Ehrlichkeit) sind heutzutage Fremdwörter, doch ohne ein gewisses Maß an Tugendhaftigkeit entartet die Menschheit, das haben wir ja nun.
Der Mensch sollte sich endlich mal fragen, was der eigentliche Sinn seines Daseins hier auf Erden und weit darüber hinaus ist. Konsumieren, Luxus, malochen bis zur Rente und danach noch ein paar gemütliche Jahre bis zum Ende seiner Daseinsfrist?
Der wahre Reichtum ist nicht im Außen zu finden, sondern im Inneren. Viele die im Außen reich an Materiellem sind, sind innerlich seelisch / geistig völlig verarmt.
Und … es geht längst nicht nur um CO2 und Energiewende, sondern um Umweltzerstörung im ganz großen Stil. Die Klima- und Energiewendedebatte führt m. E. am Kern des eigentlichen Problems mehr oder weniger vorbei und wird dazu benutzt, um den Menschen noch mehr Geld aus der Tasche zu ziehen und sie zu manipulieren. Das komplette Wirtschafts- / Geldsystem krankt an allen Ecken und Enden und führt auch zu den Auswüchsen, die wir heute haben und die weiter gepflegt werden. In diesem Zusammenhang sei auch mal erwähnt, daß viele Bedürfnisse der Menschen durch Marketing und Werbung gezielt geweckt werden, ihnen der Mund wässrig gemacht und sie zum Kaufen verführt werden, zu Dingen, die sie eigentlich nicht brauchen. Und das alles nur, damit die Wirtschaft weiter boomt. Mit ausgeklügelsten psychologischen Tricksereien werden die Menschen dahingehend manipuliert. Das gehört verboten.
Ein weiterer Punkt … wo waren denn all die Leutchen in den Führungsetagen in den vergangenen Jahrzehnten in Sachen Umweltschutz tätig? So gut wie nirgends, weil die Gewinnmaximierung und Expansion an erster Stelle stand und noch immer steht. Wenn weniger produziert wird und nur die Sachen, die wirklich sinnvoll und wichtig sind, würden sowohl Unmengen an CO2, als auch Unmengen an Müll erspart bleiben, von dem Verpackungskram ganz zu schweigen. Lt. Prof. Kreiß (Hochschule Aalen) ist jede 4. Fabrik zuviel. Doch es wird maßlos produziert ohne Sinn und Verstand. Wie schon erwähnt, werden die Konsumenten bezirzt, um mehr zu kaufen, als sie benötigen. Was nicht verkauft wird, wird aber nicht Bedürftigen geschenkt, sondern landet oft nagelneu auf dem Müll oder landen wie die Autos auf Halde. Aber Hauptsache es wurde produziert. Das ist krank, einfach krank!
Ich sehe die Probleme auch, nur habe ich keine Lösung. Ich fürchte mich vor Menschen mit Lösungsversprechen.
Wenn man man sich in der Welt umschaut, was ich dienstlich bedingt hin und wieder mit eigenem Augenschein mache, fällt es schwer, daran zu Glauben, dass ein Umdenken stattfinden wird.
Es liegt nicht in der Natur des Menschen zu verzichten. Die Rente in naher Zukunft vor Augen, weiß ich, das diese nur mit einem weiteren Wirtschaftswachstum gesichert ist. Das ist unabhängig davon mit welchem System (Solidarsystem, Kapitallebensversicherung, Aktien…) diese abgesichert ist. Das ist nur ein Beispiel. Man könnte unzähliger weitere finden. Bildung, Gesundheitswesen…..
Es wird immer auf den Konsum geschaut und, nicht ganz unberechtigt, geschimpft. Sagen Sie einem Chefarzt doch mal, dass er nicht mehr verdienen soll als seine Krankenschwester. Was will er mit dem üppigen Gehalt, außer konsumieren. Dieses Beispiel für die Komplexität unsere Gesellschaft habe ich nur gewählt, weil ich davon ausgehe, dass dies verständlicher ist, als über mein Gehalt zu sprechen ;-).
Lieber Markus,
erstmal ein dickes Lob für Deinen tollen Artikel, Du schreibst mir wieder einmal aus der Seele, ich MUSS Deine Schilderungen zu 100 % bestätigen! Mit Schwarzseherei haben Deine Worte m. E. nichts zu tun, sondern mit Bewußtheit und Realitätssinn. Du gehst mit offenen Augen durch die Welt und setzt Dich mit dem was Dir begegnet, tiefgehend auseinander. Ich wünschte viele Menschen wären so drauf.
Leider ist das Gegenteil der Fall, sehr sehr viele wollen noch immer nicht wahrhaben, was seit zig Jahren allerorten stattfindet. Sie sind blind, ignorieren alles was unbequem und unangenehm ist oder glauben, der Kelch gehe schon irgendwie an ihnen vorüber. NEIN, er wird es nicht tun, WIR SITZEN ALLE IN EINEM BOOT => Ignoranz war noch nie eine Lösung und Unbewußtheit führt im schlimmsten Fall zur Katastrophe. Dazu kommen noch Gier, Hass und Verblendlung in jeglicher Form.
Es führt – verdammt nochmal – kein Weg daran vorbei, das eigene Verhalten umgehend gründlichst zu überdenken, endlich wesentlich bescheidener zu leben, den Konsum massiv einzuschränken und zu überlegen, was man mit dem eigenen Konsumverhalten tatsächlich anrichtet (Haus, Auto, Klamotten, Elektrogeräte, Urlaub, Nahrungsmittel, Anspruchsdenken usw.).
Apropos Schwarzwald … seit nunmehr 12 Jahren bin ich mehrmals im Jahr für einige Wochen im Südschwarzwald und muss(te) bei wirklich jedem (!) meiner Besuche mit Entsetzen feststellen, wie Stück für Stück – sowohl auf der Strecke dorthin, als auch im Schwarzwald – rücksichtslos ausgebeutet und zerstört wurde, bzw. weiter wird. Selbst in der abgelegensten Ecke wird radikal gewütet, völlig egal ob es sich um ein Landschafts- oder Naturschutzgebiet handelt. Selbst im Nationalpark Nordschwarzwald werden Massen an Bäumen gefällt. Flächenfraß, Windkraftanlagen etc. kommen noch erschwerend hinzu.
Es gibt etliche Gebiete, da stehen fast nur noch jämmerliche Stämmchen herum, anstelle von einstmals stattlichen Buchen, Fichten, Mischwald etc. Mittels fadenscheinigster Argumente wird von den Verantwortlichen – dazu zähle ich auch die Bürger – beschönigt und gerechtfertigt, um roboterhaft weiter ausbeuten zu können, ohne jegliche Wertschätzung der Natur und den darin lebenden Tieren gegenüber (die bei den ganzen Diskussionen allzu gerne vergessen werden).
Die angebliche „Krone der Schöpfung“ sägt sich selbst den Ast ab, auf dem sie sitzt. Was für ein Wahnsinn!!!
Insektensterben ist ja aktuell in aller Munde => auch mit jedem gefällten Baum sterben tausende Insekten!
Systematische Waldausbeutung, Flächenfraß, Raubbau an Bodenschätzen, radioaktiver Müll, Chemiekalienmüll, Wohlstandsmüll, Verseuchung sämtlicher Gewässer, Weltraumschrott, Verstrahlung mit Radar, Mikrowellen (5G, WLAN etc.), Zerstörung der Böden durch die fatale Landwirtschaft, eine völlig irrsinnige „Energiewende“ … die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Das alles ist soooo offensichtlich, schreit zum Himmel! Und noch immer gibt es die vielen Leugner und Ignoranten. Ich frage mich jeden Tage, was eigentlich noch alles passieren muss, damit die Menschen endlich aufwachen?!
Dabei kommt mir oft der Spruch der Cree-Indianer in den Sinn – „Erst wenn der letzte Baum gefällt, der letzte Fluß vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werden die Menschen merken, dass man Geld nicht essen kann“ – der sich leider immer mehr bewahrheitet.
Auch die sogenannte „Heimat“ ist leider längst keine mehr, sie ist verkommerzialisiert und verindustrialisiert, das kommt einer Entwurzelung gleich. Dies hat System, es ist so gewollt und so gut wie alle machen blind gehorsam, eingelullt und unkritisch mit. Wer aus Bewußtheit heraus einen anderen Weg einschlägt, Natur und Heimat liebt und verteidigt, der wird – je nach Intensität des Engagements – gerne als Hinterwäldler und ewig Gestriger belächelt oder auch heftig bekämpft.
Ich kann mich noch gut an meine letzte Heimreise aus Irland nach Deutschland erinnern. Da sassen zwei junge Geschäftsleute hinter mir, die altklug von sich gaben, wie primitiv und zurückgeblieben es in Irland noch wäre und es Zeit sei, daß auch dort die Moderne endlich Einzug hält. Das war 2007. Markus, ich befürchte, dass es mir nach 12 Jahren genauso ergeht wie Dir mit dem Schwarzwald, ich würde so manches Fleckchen in Irland nicht mehr wiedererkennen. Denn auch damals schon wütete auf der grünen Insel der Bauboom und ganze Küstenabschnitte wurden mit Neubauten zugepflastert.
Dennoch … all das Klagen und die ewige Bestandsaufnahme helfen leider nicht weiter. Nur durchdachtes Handeln, Durchhaltevermögen und Gemeinschaftssinn können m. E. zu entscheidenden Verbesserungen führen.
Viele Grüße
Jacqueline
Liebe Annegret,
Sie fragen in Ihrem Statement (2.12. 18.03 UHR – die Kommentarfunktion ist da leider ausgeschaltet): „Kann ich den Ausstieg aus der Atomenergie nicht befürworten, ohne auf die Gefahren und Nachteile der Windenergie hinzuweisen?“
Nein, das können Sie nur sehr bedingt! Sie müssen schon klar darlegen, wer, was, wann, wieviel zu sparen hat…. durch welche Maßnahmen das durchzusetzen ist…welche Arten der Stromerzeugung als Alternativen taugen sollen…welche Zukunftsschritte dazu nötig sind, bis wir zB Wasserkraftstoff (Ihr Vorschlag!) in ausreichender Menge haben werden….
A prospos: Die Erzeugung von synthetischen Kraftstoffen/Gasen (zB. Wasserkraftstoff) ist leider noch immer in der Entwicklung. Und – benötigt extrem viel Strom. Ich rede da von ZUSÄTZLICHEM STROMBEDARF (wie übrigens auch bei der seltsamen Idee, beim Individualverkehr ganz auf Elektrifizierung zu setzen /E-Autos).
Lieber Werner,
mir erscheint Ihre Kompromisslosigkeit, die Fragen und Zweifel nur „bedingt“ zulässt, sehr dogmatisch, aber Kommentarspalten sind nicht der richtige Ort, um sich darüber in der Ausführlichkeit zu verständigen, die nötig wäre, um Missverständnisse zu vermeiden. Schauen Sie sich an, was aus Desertec und der Idee des Solarstroms aus der Wüste wurde und warum.
Ich belasse es nun aber mit einem Zitat des Philosophen Ivan Illich: „Ein Volk kann durch die Energiemenge seiner Maschinen ebenso überfahren werden wie durch den Kaloriengehalt seiner Nahrung, aber die energiemäßige Übersättigung der Nation gesteht man sich viel schwerer ein als eine krankmachende Diät.“
Der Mensch wird sich niemals allein mit der Befriedigung von Grundbedürfnissen zufriedengeben. Das ist nunmal Fakt und es ist zumindest naiv, dass zu ignorieren. Wenn wir als menschliche Gesellschaft überleben wollen, werden wir den Wunsch nach sogenanntem Luxus akzeptieren müssen. Luxus definiert auch jeder für sich anders. Die individuellen Gestaltungsmöglichkeiten ergeben sich durch die Freiräumen die sich die Gesellschaft durch ihre wirtschaftweise erarbeitet und gleichzeitig deren Beschränkung. Heute ernährt ein Bauer über 100 Menschen. Wer möchte das wieder ändern? Was will er dafür aufgeben? Nie mehr reisen, damit ich meinen Acker bestellen kann? Damit Mähdrescher zukünftig vollständig ohne fossile Brennstoffe hergestellt werden können, brauchen wir wahrscheinlch noch mehr Windkraftanlagen. Von der autonom über softwaregestützte GPS-Systeme betriebenen Varianten, welche permantnent online überwacht werden von gigantischen Sever-Farmen in Norwegen, die mit Stausee-Strom betrieben und mit Gletscherwasser gekühlt werden, ganz zu schweigen.
Wie viel CO² dieser Beitrag im Laufe seiner Existenz wohl erzeugen wird?
Ich habe mir den Luxus dieser Kommunikation geleistet in dem Bewustsein, unnötig meine CO²-Bilanz zu verschlechtern ohne etwas notwendiges oder produktives damit zu leisten.
Danke, Dieter, ich werde zwei Bäume für Dich pflanzen ;-)
Lieber Markus,
auch ich habe den Paech-Artikel in Spiegel-Online gelesen. Sehr interessant. Und du weißt, dass ich mich damit auseinandersetze.
Ich kann aber nicht nachvollziehen, in wieweit das dort (und von dir) Gesagte eine Antwort oder ein weiterer Aspekt auf meinen Einwurf sein soll. Es geht bei der Energiewende zunächst einmal darum, den fehlenden Strom durch Wegfall der KKWs und der Kohlemeiler zu ersetzen. Den derzeitigen Stromerzeugungsmix hänge ich als Foto bei (Foto: https://www.ise.fraunhofer.de/content/dam/ise/de/documents/publications/studies/daten-zu-erneuerbaren-energien/ISE_Stromerzeugung_2019_Halbjahr.pdf).
Es geht also derzeit um den „Ersatz“ von 114,1 TWh (Die derzeitige Erzeugung an „grüner“ Energie beträgt 126,4TWh) !!! Da muss noch einiges an „regenerativer Energie“ erzeugt werden. Hier wird eine „intelligente“ Windenergie, bei der Naturverbrauch, Artenschutz und die Anliegen der Bevölkerung Beachtung finden müssen, noch lange nötig sein.
LG Werner
Lieber Werner,
es ist sehr einfach: Naturschutz geht vor Klimaschutz. Und das verbietet, die letzten großen Waldgebiete im Südwesten zu opfern. Punkt. Wir müssen uns damit abfinden, dass wir die Klimaziele nicht erreichen werden. Mit den vergleichsweise wenig Strom erzeugenden Windrädern in den südwestlichen Gebirgen schon gar nicht, Es ist eine große Illusion, aber auch ein großes Geschäft, was die Begehrlichkeiten vieler gieriger Krisengewinnler geweckt hat. Für den sogenannten Klimaschutz wird der Rest der vorhandenen Natur geopfert. Das darf nicht sein. Warum ist dieser Zusammenhang so schwer zu verstehen?
Zudem: Wenn wir wirklich ernsthaft Strom sparen, dann brauchen wir auch weniger Strom und der Abschied von der Kohle-Industrie fällt noch wesentlich leichter.
Lieber Markus Bäuchle,
so sehr ich Ihre Webseite auch schätze, Texte wie dieser brauchen eine viel größere Öffentlichkeit.
In unseren Standardmedien wird zurzeit die Windenergie als rettendes Allheilmittel beschworen und deren Gegner als die eigentlichen Verhinderer einer Energiewende verteufelt, obwohl Nachteile und Risiken dieser Anlagen bekannt sind und obwohl klar ist, dass Deutschland gar nicht genug Platz hätte, um seinen wachsenden Strombedarf allein aus Windenergie zu beziehen. Statt über die Möglichkeit interkontinentaler Stromleitungen zu berichten, über den Irrsinn eines späten Kohleausstiegs und einer beförderungsabhängigen Gesellschaft, wird einer manipulierenden Energie-Wende-Lobby das Wort geredet.
Bitte bieten Sie Ihre präzise Beobachtung und Analyse deutschsprachigen Medien an.
Vielleicht mögen Sie demnächst noch ergänzen, wie es in Sachen Windkraftenergie in Irland aussieht. Ich meine mich an Fälle aus Kerry zu erinnern, in denen Familien vom Infraschall geplagt und von der Verschandelung ihrer Landschaft genervt sind.
Liebe Annegret,
da muss ich doch widersprechen. Ich gehöre nicht zu der von Ihnen so bezeichneten „Energie-Wende-Lobby“, bin aber nach wie vor froh um den Atomausstieg und meine, auch die Kohlemeiler müssen (rasch) weichen. Also, irgenwie haben die früheren Vorwürfe gegen uns Atomkraftgegner schon Recht: Der Strom kommt nicht einfach so aus der Steckdose. Irgendwie muss er rein. Und da ist eine intelligente Wendestrategie nötig, bei Weitem aber nicht in Sicht. Definitiv gehören da für mich die regionale Stromversorgung mit Windenergie und Photovoltaik aber dazu.
Wie schwer es schon ist, die Nord-Süd-Trasse gegen Einzeltinteressen (zB Bayern) durchzusetzen, wissen Sie.
Wie stellen Sie sich eine saubere Energiewende vor?
Das Ganze nur auf einen Sankt-Nimmerleins-Tag mit einer internationalen Windenergieversorung (woher?) zu schieben – dazu haben wir nicht die Zeit.
Auch ich liebe die Windräder in der Landschaft nicht…Aber sie sind (noch) nötig.
Das alles berührt nicht die vielen richtigen (und resignativen!?) Betrachtungen von Markus. Wir leben schon lange über unsere Verhältnisse.
LG
Lieber Werner,
ich zitiere mal den Volkswirt Niko Paech:
Vor der Weltklimakonferenz bescheinigt der Wirtschaftswissenschaftler Niko Paech vielen Bürgern, sich über die fatalen umweltschädlichen Folgen ihres Lebensstils selbst zu täuschen. Inmitten der Klagerufe über die Klimakrise wachse ausgerechnet die Nachfrage nach dekadentem Luxus am stärksten, der einen immensen Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase mit sich bringe, sagte der Ökonom von der Universität Siegen.
„Das sind Kreuzfahrten, das sind SUVs, das ist der Luftverkehr, die Digitalelektronik und die Nachfrage nach noch mehr Wohnraum.“ Dies sei reiner Komfort, der sich nicht als Befriedigung essenzieller Grundbedürfnisse rechtfertigen lasse. „Hier offenbart sich die Lebenslüge einer Gesellschaft, deren Mehrheit meint, sie sei klimakompetent, aber lebt wie ökologische Vandalen.“
Seit Jahrzehnten werde versucht, das Wirtschaftswachstum von Umweltschäden aller Art zu entkoppeln. „Und wir haben nichts, aber auch gar nichts erreicht.“ Es zähle zu den fatalsten Selbsttäuschungen zu meinen, wir könnten unser Wohlstandsniveau erhalten und gleichzeitig das Nötige tun, um angesichts der drohenden Klimakatastrophe und des massenhaften Artensterbens überlebensfähig zu werden.
Unabdingbar sei daher nun nicht nur eine Wirtschaft ohne Wachstum, sondern ein Rückbauprogramm. Das sei aber kein Marsch in die Askese oder ins Mittelalter, sondern könne verstanden werden als eine Befreiung vom Überfluss, sagte der Wissenschaftler.
„Vordringlich ist der Rückbau einer Mobilität, die mit dekadentem Luxus korrespondiert und dabei Massen an Öl verbraucht. Es gibt kein Menschenrecht darauf, eine Kreuzfahrt zu buchen. Es gibt kein Menschenrecht darauf, Urlaub mit dem Flugzeug zu machen.“ Es existierten aber unendlich viele Möglichkeiten, hier in Europa Urlaub ohne Kerosin zu verbringen.
Weiter sagte Paech, notwendig sei eine „Entrümpelung unserer Lebensstile“ und der Aufbau einer Ökonomie, in der die Reparatur und Instandhaltung wieder ein wichtiger Faktor wird. Produkte müssten länger genutzt werden. Damit würde auch der infolge des Onlinehandels enorm gestiegene Güterverkehr eingedämmt, sagte er.
Auch die industrielle Landwirtschaft muss nach Paechs Vorstellungen umgebaut werden. „Kleinere, solidarisch bewirtschaftete Ökohöfe könnten für ihre Region produzieren. Damit entfiele gigantisch viel Aufwand an Verpackung, Transporten, Kühlketten – und zugleich käme es der Artenvielfalt, dem Grundwasser und der Bodenqualität zugute.“ Dazu sollten auch Gärten und Mittäcker aktiviert werden, um eine Selbstversorgung im kleinen Maßstab zu ermöglichen.
Weiter nötig ist nach den Vorstellungen des Klimaökonomen ein Baumoratorium. „Jeder weitere Quadratmeter Wohnfläche, den wir erschaffen, ist eine ökologische Katastrophe“, so Paech weiter. Extrem viel Strom werde im globalen Maßstab auch durch das Internet verbraucht, sagte er. „Ein radikaler, aber ernst gemeinter Vorschlag wäre, das Internet jeden zweiten Tag auszuschalten – damit kann auf freiwilliger Basis schon jetzt begonnen werden.“
Auf wirksame politische Regulierungen darf man nach seiner Ansicht zurzeit nicht setzen. „Eine demokratisch gewählte Regierung kann vieles tun, aber eines nicht: sich über die Lebensstile einer Bevölkerungsmehrheit hinwegzusetzen und Wohlstand zurückzubauen“, sagte der Ökonom.
Wählerakzeptanz für reduktive Maßnahmen sei aber denkbar, wenn dezentral in Nischen der Gesellschaft Experimentierfelder, Reallabore, Netzwerke der Selbsthilfe und Widerstandsnester gegen den Mobilitäts-, Konsum- und Digitalisierungswahn entstünden. „Dies wäre ein Aufstand der Handelnden. Diese Pioniere könnten zugleich jene, die ohne gute Gründe ökologisch verantwortungslos handeln, durch vorgelebte Gegenentwürfe delegitimieren und zur Rede stellen – in der Nachbarschaft, Schule, im Job, in der Kneipe.“
Resignativ ist allenfalls, den Stromverbrauch als gottgegebene Größe und den ungezügelten Konsum aus der Steckdose als Menschenrecht zu betrachten.
Lieber Werner,
ist das nicht bloß ein behauptetes Dilemma? Kann ich den Ausstieg aus der Atomenergie nicht befürworten, ohne auf die Gefahren und Nachtteile der Windenergie hinzuweisen?
Sie haben recht: Wir haben keine Zeit zu verlieren. Gerade deshalb ist es doch so unverständlich, wenn wir uns auf einen Ausbau der Windanlagen konzentrieren, die nie für unsere komplette Versorgung ausreichen würde, anstatt auf die von mir bereits erwähnten interkontinentalen Leitungen, Wasserkraftstoff etc. setzen. Neue Technologien werden kommen, aber erst nachdem wir Unsummen für Windmühlen ausgegeben haben, die drei Mal so hoch sind wie der Kölner Dom. Wollen wir so leben, nur um unsere Energiesucht zu befriedigen?
Liebe Annegret,
Ich habe zu lange für deutschsprachige Medien gearbeitet, um das noch tun zu wollen. Teilen Sie den Link mit Freunden und Bekannten, wenn Sie den Beitrag für lesenswert halten.
Über die Situation in Irland werde ich in den kommenden Wochen einmal berichten.
Lieber Markus,
das klingt sehr resigniert. Sie setzen sich so intensiv mit diesem Thema auseinander, um sich allein in der Kommentarspalte darüber auszutauschen und auf eine breitere Öffentlichkeit zu verzichten? Es gibt, anders als derzeit gern behauptet, seriöse und um Fakten bemühte Medien, auch in Deutschland.
Auf einen Einblick in Irlands Energiewendepolitik bin ich gespannt.
Liebe Annegret,
auf einer eigenen (kleinen) Plattform kommunizieren zu können, ist mir sehr viel wert, die Wirkung wird in den Medien mit größerer Reichweite kaum besser sein. Resigniert bin ich lediglich darüber, dass wir als Menschheit die Wende nicht schaffen werden. Ansonsten widme ich mich mit aller Energie den Fragen nach einem lebenswerten und würdigen Leben in schwierigen Zeiten.
Lieber Markus,
es geht nicht um die Wirkung als solche, sondern schlicht um Reichweite. Je mehr Menschen mit einer anderen als die zurzeit propagierten Meinung konfrontiert werden, desto größer auch die Chancen, dass wenigsten einige zu zweifeln beginnen. Zweifeln nicht in einer verneinenden und ablehnenden Form, sondern in einer, die hinterfragt. Wenn Umwelt- und Klimaschutz zu einer Pose verkommen, Demonstrationen zu Happenings werden und veganes Essen zu einem Lifestyle-Trend verkommen, liegt das auch daran, weil sich so wenige Menschen eindeutig positionieren, um diese Show-Gesinnungen zu entlarven.
Ich werde Ihre Texte jedenfalls weiterhin gern lesen und andere darauf aufmerksam machen.
Liebe Annegret,
Eine Idee: Sie könnten die Beobachtungen der Natur-Zerstörung für den eigenen Heimat- oder Wohnort beschreiben und den Beitrag mit der Bitte um Veröffentlichung der Lokalzeitung, der Regionalzeitung, dem lokalen Anzeigenblatt, dem Lokalradio oder regionalen Online-Medien schicken. Machen Sie mit?
Lieber Markus,
eine gute Idee. Ich selbst traue mir das nicht zu, aber eine befreundete Journalistin hat sich schon in der letzten Woche mit mir zusammengesetzt und meine kritischen Anmerkungen und Befürchtungen notiert. Ihr Text wird tatsächlich noch vor Weihnachten in Süddeutschland und in Österreich erscheinen. Vielleicht folgen ja noch mehr Ihrer Leser Ihrer Anregung und vielleicht erscheint ja auch Ihr eigener Text in einer Schwarzwälder Zeitung.
Lieber Markus, ich bin mit allem bei Dir. Es klingt schon ein wenig nach Resignation und Abgesang. Wir haben das heute Abend auch thematisiert und suchen vergeblich Argumente zu widersprechen. Frustrierender Zustand.
Ein schönes Gespräch zum Thema
https://www.rubikon.news/artikel/die-unbequeme-wahrheit-2