St. Patrick's Day Roundstone

Brigade bei der Parade: St. Patrick’s Day in Roundstone

 

Der Berliner Hans-Jürgen Siehl kommt seit 20 Jahren regelmäßig nach Irland, lebt mehrere Monate im Jahr in Connemara. Hans hat so manche St. Patrick’s Parade besucht. Als beim Umzug in Roundstone auf einem Paradewagen Amerikaner und Mexikaner um Trumps Mauer kämpften, kam er ins Grübeln. Er ging der irisch-mexikanischen Freundschaft auf den Grund, stieß auf die Geschichte der San Patricios und die Frage, was Frida Kahlo in Clifden machte?

 

Nach 20 Jahren Erkundung in Irland hatten wir natürlich auch schon einige Male an den alljährlichen St. Patrick’s Paraden am 17. März teilgenommen, meist in Clifden, nahe unserem Haus in Connemara. In dem kleinen Küstenort Roundstone, genauso weit von uns entfernt, waren wir noch nie. Bis 2016 wussten wir gar nicht, dass dort überhaupt eine Parade stattfindet.

Nach einem Tipp unserer Nachbarin entschieden wir uns schließlich für Roundstone, die Parade dort sei schließlich viel familiärer und lokaler. Wir staunten nicht schlecht, als wir die vielen Menschen entlang der Hafenstrasse sahen. Als die ersten tanzenden und musizierenden Schüler auftauchten brach der Jubel los. Der steigerte sich, als die in militärischen Uniformen zu Ehren des Osteraufstands vor 100 Jahren marschierenden Grundschüler, mit Hurlingschlägern als Gewehrersatz oder Kunststoffgewehren bewaffnet, auftauchten. Wir waren etwas irritiert aber auch berührt über das Andenken an diesen ersten opferreichen Aufstand des Unabhängigkeitskriegs gegen die britische Kolonialmacht vor über 100 Jahren. Und: man hatte hier sogar an eine begleitende Krankenschwester gedacht.

 

Roundstone Parade

“Streit” um Trumps amerikanisch -mexikanische Mauer im Umzug von Roundstone

 

Ein Paradewagen schien aus dem rein irischen und lokalen Aufzug herauszufallen: Darauf stand ein Donald Trump – damals noch Kandidat -, der den Aufbau einer Mauer zu Mexiko befeuerte, die die tapferen Mexicanos sofort wieder einrissen. Wir beklatschten frenetisch die Mexikaner, worauf uns Trump vom Wagen lauthals als „Looser“ beschimpfte.

Was hatte so ein Wagen mit diesem amerikanisch – mexikanischen Thema in Roundstones St. Patricks Parade verloren? Ich ging dieser Frage nach und erinnerte mich an einen gewissen John Reilly (Seán Ó Raghailligh, geboren ca. 1817 in Clifden), zu dessen Ehren gegenüber dem zentralen Platz in Clifden, an dem sich Market und Main Street treffen, ein Denkmal steht, Ich hatte dem bislang keine besondere Beachtung geschenkt hatte. Die Inschrift hat folgenden Wortlaut:

 

Presented by the people of Mexico to honour and commemorate
John Reilly and his role in mexican history

 

Das ließ viele Fragen offen, war aber ein erster Hinweis auf eine irisch–mexikanische Verbindung. Meine weitere Recherche offenbarte dann eine wirklich irische Geschichte, die in der großen Hungersnot Mitte des vorletzten Jahrhunderts ihren Ursprung hatte.

San Patricios

Das Denkmal für John Reilly in Clifden

Hundertausende Iren flohen ab 1845 vor dem großen Hunger in die Vereinigten Staaten von Amerika. Wer die brutale Überfahrt überlebte, suchte in Amerika nach einer neuen Existenz. Eine Möglichkeit bot sich durch den Eintritt in die amerikanische Armee, die gerade einen Annexionskrieg gegen Mexiko vorbereitete.

Der mexikanisch-amerikanische Krieg fand zwischen 1846 und 1848 statt. Er wurde geführt, weil die USA vormals zum Staat Mexiko gehörendes Gebiet beanspruchten, nämlich Kalifornien, Nevada, Utah, New Mexico, Colorado, Wyoming und Teile von Arizona. Die USA verlangten das Gebiet bis zum Rio Grande, Mexiko dasjenige bis zum Nueces River in Texas.

John Reilly trat am 2. September 1845 für fünf Jahre in die amerikanischen Armee ein, da sich die Konditionen gut anhörten: Verleihung der amerikanischen Staatsbürgerschaft, drei Monate Sold als Vorauszahlung und drei Morgen Land zum Geschenk.

Andererseits gab es eine starke Diskriminierung der katholischen irischen Söldner, die Kartoffelköpfe genannt wurden und eine besonders harte Behandlung durch angloamerikanische Vorgesetzte sowie extreme Disziplinarstrafen wie Auspeitschen zu erleiden hatten.

Auch die Mexikaner brauchten Söldner und betrieben eine aktive Desertationspolitik insbesondere gegenüber den europäischen Söldnern in der US-Armee: dies mit Erfolg, denn über acht Prozent der Söldner wechselten die Seiten, unter ihnen John Reilly, am 12.April 1846. Die Überläufer folgten Aufrufen der Mexikaner wie diesem:

Wir leben in Frieden und Freundschaft mit Nationen, aus denen Sie kommen. Warum willst du gegen uns kämpfen? Komm zu uns! Wir werden Sie als Freunde mit offenen Armen begrüßen, uns um Ihre Bedürfnisse kümmern, wir bieten Ihnen mehr, als die Yankees aufgrund ihrer Kühnheit bieten können. Wir wurden in diesen Krieg gezwungen. Schließen Sie sich uns an und kämpfen Sie mit uns für unsere Rechte und für unsere heilige Religion gegen diesen ungläubigen Feind.

Mehrere hundert Iren waren schon aufgrund der katholischen Verbundenheit mit den Mexikanern und aufgrund ihrer eigenen Geschichte des Freiheitskampfes überzeugt, dass auch dieses Mutterland gegen Invasoren verteidigt werden muss. Sie unterstützten die mexikanische Position, wonach einfache Bauern ihr angegriffenes Land schützen mussten. Sie wurden als willkommene Helfer gefeiert. Außerdem bekamen sie mehr Sold und mehr Land als von den Amerikanern und die Staatsbürgerschaft obendrauf.

 

John Reilly

Das Denkmal für John Reilly in Mexiko City (Foto: Wikimedia*)

 

Mit insgesamt 175 europäischen Mitgliedern, in der Mehrheit Iren, wurde das Bataillon San Patricio unter Leitung seines Kapitäns John Reilly gegründet und gab sich ein eigenes Kriegsbanner: Auf einer Seite befand sich eine goldene Harfe auf dem Hintergrund der mexikanischen Fahne. Unter der Harfe stand das Motto “Erin go Bragh!” (Irland für immer!) Auf der anderen Seite stand „Libertad por la Republica Mexicana“ und eine Figur, die St. Patrick darstellen sollte, in seiner linken Hand hielt er einen Schlüssel und in seiner rechten einen Stab, der auf einer Schlange ruhte. Darunter wurde San Patricio hinzugefügt.

Nach den meisten Berichten kämpften die San Patricios während des gesamten Krieges tapfer. Die letzte Schlacht des St. Patrick’s Battalion wurde am 23. Februar 1847 im Kloster von Churubusco (nahe Mexiko City) im Stadtteil Coyoacan (übersetzt “Ort der Kojoten”) ausgetragen, wo auch die Niederlage der mexikanischen Armee besiegelt wurde.

 

Frida Kahlo in Clifden

Die irisch-mexikanische Freundschaft blühte im Krieg: Wann aber war die berühmte Malerin Frida Kahlo mit Partner Diego Rivera in Clifden?

 

Von den ursprünglich 120 San Patricios wurden 35 im Kampf getötet und 85 von den amerikanischen Streitkräften gefangen genommen. Nach der Schlacht wurden die gefangenen San Patricios wegen Desertion angeklagt und fast alle für schuldig befunden. 50 von ihnen wurden zum Tod durch Erhängen verurteilt. John Reilly überlebte, weil er noch während der Friedenszeit die Seiten gewechselt hatte. Er wurde mit anderen Iren im amerikanisch besetzten Gebiet eingesperrt und mit einem „D“ auf der Wange als Deserteur gebrandmarkt.

Am 1. Juni 1848 wurde im Rahmen des Friedenschlusses angeordnet: “Die in der Zitadelle eingesperrten Gefangenen, die als San Patricio-Gefangene bekannt sind, werden sofort entlassen.” Kurz darauf trat John Reilly wieder in die mexikanische Armee ein und wurde Kommandeur zweier Infanteriekompanien. Über seinen weitern Lebensweg und seinen Tod gibt keine gesicherten Erkenntnisse. Andere Mitglieder des Bataillons San Patricio kehrten mit mexikanischer Starthilfe nach Irland zurück. Zu seinen und des Bataillons San Patricios Ehren wurde in Mexiko City ein Denkmal errichtet.

 

Mexikos Maler-Ikone Diego Rivera malt am Foyles Hotel in Clifden. Diego Rivera?

 

Bis zum heutigen Tag betrachten viele Pro-US-Historiker diese Männer als Verräter, während die Mexikaner sie als Helden feiern und immer am 12. September mit einem besonderen Gedenken ehren. 1993 begannen die Iren ihre eigene Zeremonie, um sie in Clifden, Galway, der Heimatstadt von Captain Reilly, zu ehren. In Irland leben mittlerweile rund 1.500 Mexikaner, meist Ehepartner von Iren und Irinnen.

Im Jahr 2012 besuchte der mexikanische Botschafter Clifden anlässlich der 200-Jahr-Feier und der neu begründeten Städtepartnerschaft zwischen Clifden und Coyoacan.

 

Diego Rivera in Clifden

Diego Rivera pinselt für Tom Kings Pub?

Angesichts dieser engen Verbindung zwischen Clifden und Mexiko nahm ich die Anfang 2021 im Internet aufgetauchten Fotos vom Besuch des Künstlerpaares Frida Kahlo und Diego Rivera in Clifden für bare Münze. Demnach sollen die beiden bekanntesten Maler Mexikos Connemara in den 30er-Jahren bereist haben. Diego Rivera soll den Berichten zufolge in Clifden sogar künstlerisch in Erscheinung getreten sein.

Die historischen Aufnahmen verblüfften mich für einen Augenblick, hatte ich doch nie zuvor vom Besuch der beiden Berühmtheiten in Irlands Westen gehört. Sie zeigen Diego beim Pinseln am Foyles Hotel und das Paar Frida und Diego in der Hotel-Lobby. Auf einem Foto malt Rivera sogar ein Werbeplakat mit dem Tukan und  dem Stout für Tom Kings Pub . . .

Mir wurde klar, da war ein Scherzbold am Werk. Danke, Tom Foyle, für den subtilen Spaß, für die Fotos und für die Inspiration zu diesem Artikel.

 

 

Fotos: Tom Foyle (2 Foto-Montagen); Hans-Jürgen Siehl (3); Foto John Reilly: wikimedia.org