Die Bauern in Irland fühlen sich plötzlich wieder oben auf. In der großen Krise sieht sich die bodenständige Landwirtschaft wieder gefragt. Manche meinen schon, die Erneuerung Irlands müsse aus der Bauernschaft heraus erfolgen. Die Stimmung in der irischen Landmannszunft ist jedenfalls – glaubt man der RTE-Bauernsendung “Ear To The Ground” – großartig bis phantastisch.

Muiris O`Donoghue: Touristen statt Vieh melken.

Unter anderem liegt das daran, dass die lokalen Absatzmärkte gut funktionieren, aber auch, dass sich die Farmer der Insel gerade einträgliche neue Erwerbsquellen erschließen. Gerade in den landschaftlich attraktiven Gegenden Irlands erkennen die Bauern, dass sie mit mit einem Berg, einer schönen Aussicht, einem idyllischen Wanderweg richtig Geld verdienen können. Uns so zäunen sie ihre Weiden, ihre Hügel und Berge ein, legen Wege an, stellen Displays auf – und nehmen von ihren Gästen Eintrittsgeld.

Bernie und Muiris O´Donoghue waren bis vor kurzem Schaffarmer auf Valentia Island in Süd-Kerry. Als die Erträge aus der Schafzucht Jahr um Jahr geringer wurden, mussten sie sich etwas einfallen lassen: Sie machten ihren Hausberg Geokaun Mountain hoch über dem Atlantik zum Ausflugsziel. Am Parkplatz steht nun ein Geldautomat, in den Spaziergänger und Wanderer ihr Eintrittsgeld einwerfen: 5 Euro für die Insassen eines Pkw, 2 Euro für Fußgänger und Radfahrer. Dafür bekommen die Gäste einen Parkplatz, einen guten Fußweg, zahlreiche Info-Tafeln und einen herrlichen Blick über Kerry, die Skelligs, die Blaskets, Cahersiveen oder Portmagee.

Kassenautomat am Geokaun Mountain

Die O´Donoghues wurden  im irischen Fernsehen gerade als Speerspitze der neuen Bewegung gefeiert – immerhin haben sie in diesem Jahr mit der Vermarktung ihres Berges als Freizeitkulisse rund 25.000 Euro verdient; langsam wird die traditionelle Viehwirtschaft auf der Farm von Bernie und Muiris zum Hobby. Auch eine Bucht weiter, auf der Beara Peninsula, gibt es einige Farmer, die das neue Erwerbsmodell schon praktizieren. Donal Corkery etwa vermarktet einen Wasserfall, einige Seen und eine zauberhafte Bergkulisse in den nördlichen Caha Mountains als “Gleninchaquin Park”. Die Infrastruktur-Förderer von LEADER, die vor allem viel europäisches Fördergeld über strukturschwachen Gebieten ausgießen, sind Feuer und Flamme für das Neo-Bauerntum.

Nicht allen Wanderern und Besuchern gefällt allerdings, dass sie jetzt für den Zugang zu den irischen Bergen Eintritt bezahlen müssen. Die Neo-Bauern sehen sich manchen Angriffen ausgesetzt, seit sie Touristen statt Kühe melken. In einer idealen Welt – etwa in Schottland – haben solche Verhältnisse, die gerne als Wegelagerei bezeichnet werden, nichts verloren. Auch in Österreich, in Deutschland, in der Schweiz sind die Berge offen und kostenlos zugänglich, weil der Staat das so geregelt hat. In Irland aber, wo sich bis zum hintersten Berg und zum letzten Hügel das ganze Land in Privathand befindet und wo der gestaltungsschwache Staat sich nie konsequent um ein öffentliches Wegenetz gekümmert hat – in diesem Land müssen auch die Bauern sehen, wo sie bleiben. Zudem ist natürlich die Frage berechtigt, warum in einer Welt, in der alles seinen Preis hat, der Konsum von Natur kostenlos sein soll.

Fotos: RTE; Ear To The Ground.