Besetzt für Obdachlose: Das Apollo Building in Dublin

Besetzt für Obdachlose: Das Apollo Building in Dublin

Irlands Minderheitsregierung hat seit vergangener Woche (noch) ein richtig dickes Problem: Ziviler Ungehorsam. Die Menschen in Dublin nehmen ihr Schicksal selber in die Hand und schaffen Lösungen, zu denen die Regierung seit Jahren nicht in der Lage war. Die Bürgerbewegung Home Sweet Home hat mit Unterstützung von Prominenten das leer stehende Apollo House in Dublins Innenstadt aufgebrochen, besetzt und mit Unterkünften für Obdachlose eingerichtet. Gestern waren bereits 31 obdachlose Familien in das ehemalige Bürogebäude in der Tara Street eingezogen.

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Glen Hansard. Foto: www.glenhansardmusic.com

Am vergangenen Freitag erklärte der bekannte Musiker Glen Hansard (The Commitments, The Frames) in der beliebtesten irischen Fernsehsendung, der Late Late Show, warum sich die Bewegung Home Sweet Home zu diesem Schritt des friedlichen zivilen Ungehorsams gezwungen sah. Als das prominente Gesicht der Bewegung erinnerte Hansard unter tosendem Beifall daran, dass das besetzte Apollo Building Eigentum der NAMA und damit genau genommen das Eigentum des irischen Volkes sei und dass man sich deshalb das Gebäude für ein paar Monate nehme – durchaus illegal, aber in der Hoffnung auf eine menschliche Reaktion. Glen Hansard arbeitet seit Jahren gegen die Obdachlosenmisere im Land. Auch die bekannten Musiker Hozier, Francis Black und Christy Moore, die Schauspielerin Saoirse Ronan und der Film-Regisseur Jim Sheridan unterstützen die neue Bewegung, die in der Bevölkerung große Sympathien genießt.

Die Lage auf dem Wohnungsmarkt in Irlands Hauptstadt ist seit Jahren angespannt, obwohl im Zentrum hunderte Wohnungen in fast 300 Gebäuden leer stehen. In diesem Winter nun spitzt sie sich dramatisch zu. Nach offiziellen Angaben sind derzeit 6500 Menschen in Irland obdachlos, davon 2400 Kinder. Die Bürgerbewegung Home Sweet Home schätzt, dass derzeit jeden Monat 70 Familien ihr Haus oder ihre Wohnung verlieren. Der Hauptgrund: Viele Menschen in Irland können ihre Hypothekenkredite nicht mehr bedienen, und Irlands mit Steuergeldern gerettete Skandalbanken fühlen sich nun nach einer Zeit des Abtauchens wieder stark genug, um die in Zahlungsrückstand geratenen Kunden aus ihren Wohnungen vertreiben zu lassen.

Da es aber bezahlbare Mietwohnungen trotz der massiven Leerstände im Großraum Dublin kaum gibt, landen viele Menschen, die ihre Wohnungen verloren haben, in billigen Hotels, in B&Bs, in Notunterkünften. Sie schlafen in Autos und Wohnwagen und landen im schlimmsten Fall auf der Straße.

Das Logo der neuen irischen Bürgerbewegung

Das Logo der neuen irischen Bürgerbewegung

Aus der eigenen Unterkunft vertrieben zu werden – das ist im kollektiven Gedächtnis Irlands ein lebendiges Trauma aus der Zeit der englischen Besatzung. Im 19.  und frühen 20. Jahrhundert waren zehntausende Iren von englischen Landlords aus ihren Wohnungen vertrieben worden, wenn sie die Miete nicht mehr bezahlen konnten. Das Thema ist deshalb sehr emotional, zumal es nun oft Iren sind, die Iren um das Dach überm Kopf bringen.

So wird das besetzte Apollo House nun kurz vor Weihnachten zum hoch brisanten Symbol für eine verfehlte neoliberale Politik und zum Zankapfel zwischen irischen Normal-Bürgern und abgehobenen Eliten. Denn die meist zu den Haus- und Landbesitzern zählenden Spitzenpolitiker haben bis heute nichts Wirksames unternommen, um die Obdachlosenkrise endlich in den Griff zu bekommen. Und sinnigerweise besetzte die Bürgerbewegung Home Sweet Home ein der halbstaatlichen NAMA gehörendes Gebäude, einer Institution, die in der Immobilienkrise tausende Pleite-Immobilien übernommen und sie mit Vorliebe billig an ausländische Investoren verkauft hat.

Während die NAMA nun mit ihren Anwälten droht, während Regierungspolitiker die Hausbesetzung verurteilen und Gerüchte über eine Räumung die Runde machen, haben die Hausbesetzer in kürzester Zeit funktionierende Tatsachen geschaffen: Sie schafften es, das Gebäude wieder ans Stromnetz zu bringen und die Wasserversorgung zu reaktivieren. Freiwillige Helfer richteten Kochgelegenheiten, Duschen und Betten ein. Aus den Büroräumen wurden innerhalb weniger Tage Unterkünfte für Menschen, denen ansonsten ein Schicksal auf der Straße gedroht hätte.

Im Gedenkjahr zur 100. Wiederkehr des irischen Osteraufstands von 1916 weht ein Hauch von Revolution durch Irlands Hauptstadt Dublin . . .