In Zeiten, da sich die Menschen in Europa zunehmend fragen, welchen Sinn es noch macht, wählen zu gehen, wagt Irland einen Vorstoß, um junge Menschen mehr für Politik zu interessieren: Das passive Mindestalter zur Teilnahme an Wahlen zu Irlands politischen Gremien soll von 18 auf 16 Jahre reduziert werden — wenn das Wahlvolk das so will. Die Regierung hat jetzt beschlossen, den Vorschlag des Verfassungskonvents zu unterstützen, und die Frage des Wahlalters durch einen Volksentscheid beantworten zu lassen. Das Volk soll ebenso darüber abstimmen, ob das Mindestalter, um Präsident Irlands zu werden, von 35 auf 21 Jahre gesenkt werden soll. Ob dies entscheidend zur Heilung grassierender Politikverdrossenheit beitragen wird, ist mehr als fraglich. Zwar werkelt der 99-köpfige Verfassungkonvent schon seit geraumer Zeit an einer Reform der seit 1937 geltenden Verfassung Irlands und sucht nach Mitteln, die theoretischen Grundlagen des politischen Gemeinwesens auf der Insel zu modernisieren, aber:
Die Praktiken des agierenden Polit-Personals sorgen für wachsende Distanz zwischen den politischen Eliten und den Menschen des Landes. In den vergangenen Tagen wird in den Medien verschärft ein Thema diskutiert, das in den kommenden Jahren noch für viel Streit und Missmut sorgen wird: Die Ausbeutung der beträchtlichen Energie-Vorkommen vor Irlands Küste. Ein Artikel der Süddeutschen Zeitung, der in irischen Medien übersetzt wurde, sorgt für viel Wirbel. Er beschreibt unter dem Titel „Abgezockt“, wie irische Politiker die Ausbeutung von Fischbeständen, von Gas- und Öl-Resourcen in den eigenen Hoheitsgewässern an private Konzerne wie Shell und Exxon billigst verscherbeln ( oder schon verscherbelt haben) und den Staat um Milliarden-Einnahmen bringen. Es wird unterstellt, dass eine korrupte und gierige Politik-Elite das Gemeingut zum eigenen Vorteil ausverkauft.
Der irische Staat erhält aus der Förderung von Gas und Öl im Vergleich zu anderen Staaten einen lächerlich geringen Anteil, die Profite fließen zum großen Teil in die Kassen der Großkonzerne. Gleichzeitig bereitet die irische Regierung gerade den sechsten Sparhaushalt in Folge vor und plant, den Staatshaushalt um weitere 3,5 Milliarden Euro zu kürzen, die Steuern und Abgaben weiter zu erhöhen und die Staatsleistungen erneut zu kürzen. Wie sagte unser Nachbar Brendan kürzlich: „Die Leute haben die Schnauze gestrichen voll.“ Passieren tut allerdings nichts. Die Geduld der Iren scheint fast grenzenlos. Die SZ zitiert dazu den Irish Times-Autoren Fintan O`Toole, einen der hellsten Köpfe des Landes, der zumindest rhethorisch einen Funken Hoffnung spendet.
Vorläufiges Fazit: Ein Land wird geplündert. Das Volk schaut zu und darf — wenn es gut läuft — bald ab 16 wählen gehen (oder zuhause bleiben).
Ich sehe das gleiche, das Ned auch sieht. Die Iren sind nach 800 Jahren England und jetzt 40 Jahren Europa mehr oder weniger nur noch fremdbestimmt. Ich hoere das auch jeden Tag, auch von Politikern, Aerzten und anderen Akademikern und nicht nur von dem Normalbuerger auf der Strasse.
Und das ist das bedenkliche, dass selbst die hoeheren Bildungsschichten hier resignieren! Ich bin jetzt seit mehr als 6 Jahren in Irland und muss leider sagen, dass es in dieser Zeit nicht besser wurde sondern eher noch schlechter. Anstatt der Politik klar zu sagen wo es lang geht und das Land mit einem Generalstreik lahm zu legen gehen die Unions den einfachen Weg und tun… nichts! Es ist traurig zu sehen, wie die Iren so Ihre eigenstaendige zukunft verlieren bevor sie sie haben.
Und wenn sie mal aufwachen, dann ist es schon zu spaet, etwas zu aendern. Da laesst man sich zuerst auf einen Kuhhandel mit der EU ein damit die Investoren der Banken ungeschoren bleiben und wundert sich dann, wenn das schief gehen muss. Oder man spart bei Aerzten und Krankenschwestern und wundert sich dann wenn gut ausgebildetes Personal ins Ausland geht und die Patienten hier Monate auf wichtige Arzttermine warten muessen.
Dabei ist das, was hier schiefgeht, nicht durch Dummheit bedingt, sondern durch Hilflosigkeit. Und Pubs, Mobilteefone und McDonald’s machen die Situatiopn nicht besser….
Noch ein Nachtrag: aehnlich laeuft es in den USA …
Ich rede fast taeglich mit den Leuten darueber. Ein Satz blieb besonders haengen. Als ich eine Irin fragte, warum sich ihre Landsleute das alles gefallen lassen, nicht endlich dagegn aufbegehren und auf die Strasse gehen, antwortete sie: „It’s been taken from us!“ Man hat ihn uns genommen … den Willen zum Wiederstand. Nach acht Jahren in diesem Land kann ich nur folgendes sagen: die Iren sind schwach. Sie tun nichts, um ihre schlechte Lebenssituation zu verbessern. Egal wo man hinschaut, uberall die gleiche Einstellung: keep your head down and be quiet!Das gilt fuer alle Probleme auf dieser Insel. Ob EU, Banker oder Traveller, es wird einfach hingenommen. Man meckert zwar rum aber nur hinter vorgehaltener Hand. Ein Beweis dafuer, dass es so ist kann man sehr gut im Internet beobachten: wahrend weltweit millionen Menschen protestieren, findet man in Dublin nur eine handvoll Leute, die auf die Strasse gehen.
Warum das alles so ist, liegt z.T. in der Geschichte begruendet aber natuerlich auch in der Gegenwart. Alkohol, Drogen, Medikamente und Junkfood. Das sind die Mittel, mit denen das irische Volk ruhig gehalten wird und die es bereitwillig schluckt. Und ueber all dem steht immer noch der uralte Glaube, dass der liebe Gott alles richten wird und die Boesen bestraft.