Eis auf dem Teich und in der Regentonne. Das Gras weiß vom Raureif. Wer denkt da an Frühling? Alle. Nach irischem Jahreszeiten-Empfinden ist heute nicht nur St. Brigid´s Day, sondern auch der erste Tag des Frühlings.
Nach einem harten und langen Winter warten die Iren mehr denn je auf die warme Jahreszeit. So eine bitterkalte und andauernde Eiszeit hat kein lebender Insulaner jemals erlebt – nur der Winter 1962/63 war vergleichbar eisig, aber bei weitem nicht so lang. Rekordtemperaturen bis minus 13 Grad auf der Grünen Insel – das hatte niemand für möglich gehalten.
Unser Nachbar Stefan, der das lokale Wetter der Bantry Bay seit 23 Jahren täglich minutiös aufzeichnet, konnte bei der Auswertung des Januar-Wetters nur staunen. Alles ist anders, alles extremer als in den anderen Januaren: Die durchschnittliche Nachttemperatur: -1 Grad, statt sonst 4 Grad plus; die gemittelte Tagestemperatur:
4 Grad statt 9 Grad. Der Wind im Januar 2010: Komplette Fehlanzeige, Rekordflaute; und die Sonne? Ebenfalls Rekord: Mehr Sonne, als Stefan jemals in einem Januar seit 1986 aufzeichnen konnte. Wir haben die klirrende Kälte, das trockene sonnige Wetter genossen. Ob nun tatsächlich der Frühling kommt? Ein zaghafter Krokus jedenfalls hat sich heute morgen im Garten bereits aus der Erde getraut. Die Frösche, die Blüten, die Bäume allerdings wirken in ihrem Wachstumszyklus drei bis vier Wochen verspätet – geschockt von der „Mini-Eiszeit“, wie man in Irland diesen Winter nannte.
Der Frühlingsanfang 1. Februar ist übrigens der Tag der Heiligen Brigid von Kildare – eine der drei großen katholischen Heiligen Irlands. Brigid lebte im fünften und frühen sechsten Jahrhundert und hat wohl zahlreiche christliche Einrichtungen auf der Insel gegründet. Am 1. Februar flechten viele Iren zu Ehren von Brigid aus Binsensgras ein schlichtes Kreuz (Foto: Wikipedia). Die Überlieferung will wissen, dass die Heilige Brigid ein solches Kreuz improvisierte, um einen am Wegesrand liegenden Menschen noch vor dessen Tod zum christlichen Glauben zu bekehren. Heute glauben die Menschen, dass das Binsenkreuz ihr Haus vor Feuer schützt: Am 1. Februar wird das Kreuz vom Vorjahr feierlich verbrannt, das neue findet stattdessen seinen Platz an der Wand.
Ein Klasse-Beitrag, Nicola. Am 1. Februar 2011 schreibst Du am besten gleich selbst. (Und warum nicht auch früher?). Danke, Wanderer.
Nachdem sich auch in Bernd Bieges Blog die Anmerkungen zum Brigid's Day nur auf St. Brigid von Kildare bezogen haben, möchte ich nun hier doch mal einige Ergänzungen beisteuern. Diese Heilige stellt für mich nämlich lediglich den Rest einer jahrtausendealten Tradition dar, die es wert ist in Erinnerung zu bleiben.
Bei den Kelten und den ihnen verwandten Völkern war Brigid (Bhríde – "die Strahlende, Helle", vgl. englisch bright) eine der mächtigsten und wichtigsten Gottheiten, die Versorgerin mit Lebensnotwendigkeiten wie Herdfeuer, Fruchtbarkeit der Felder und Vieh. Das geflochtene Binsenkreuz kann ein Sonnensymbol sein (ähnlich wie die grausam missbrauchte Swastika) oder auch eine Mini-Kornpuppe, und wird/wurde zum Schutz nicht nur im Haus, sondern auch im Stall aufgehängt. Brigids großes Fest heißt Imbolc und wurde – na? – am 1. Februar gefeiert. Es war das erste Frühlingsfest der Kelten (es folgen die Tag-und-Nacht-Gleiche – 21. März – und Beltane – 1. Mai), denn wenn es auf der Erde auch noch recht winterlich ist, so regen sich unter der Erde bereits die ersten Sprosse, es ist schon deutlich heller draußen, und die ersten Lämmer werden geboren. Außerdem war Brigid für das geistige Feuer der Dichter/innen, Druid/innen und Hellseher/innen "zuständig". Auch die Schmiede, die mit dem Feuer arbeiten, sowie die Hebammen, die dem neuen Leben auf die Welt helfen, standen unter ihrem Schutz. Es gibt die Vermutung, dass es sich bei dieser Verkörperung sogar um eine vorkeltische Gottheit handelt, weil sie ein so breites, grundlegendes Wirkungsfeld hat. Abwandlungen ihres Namens gibt es an Orten in ganz Europa von Skandinavien über das Ruhrgebiet und Bayern bis Portugal (Brigida, Brigitte, Bridgit, Birgitta usw). In der europäischen Folklore und in Kreisen, in denen (auch) weibliche Spiritualität gepflegt wird, ist sie bis heute ziemlich lebendig.
Die christliche Kirche musste das Licht- und Feuerfest möglicherweise in ihre Feiern übernehmen, da Ähnliches in diesen Wochen auch im Mittelmeerraum gefeiert wurde. Auf dem Kontinent entwickelte sich der Feiertag "Maria Lichtmess" daraus, mit Kerzenweihe und Lichterprozessionen (sic! – die "Darstellung des Herrn" wird erst seit dem 2. Vatikan-Konzil gefeiert). Die Iren ließen sich ihre Brigid wohl nicht nehmen, also musste sie wenigstens zu einer Nonne zurechtgestutzt werden (nix mehr mit überquellender Fruchtbarkeit…), die mancher Legende nach erst mal auf einem Hügel unter einer Eiche (dem alten Druidenbaum) wohnt, dann den König um Land für ihr Kloster bitten muss, später aber doch zu einer mächtigen Äbtissin aufsteigt und ansonsten Milchprodukte segnet, Haustiere heilt und ihre Priesterinnen… äh, Mitschwestern eine heilige Flamme hüten lässt, die niemals ausgeht. Für mich ist das alles sehr vielsagend, und es gäbe auch noch mehr zu schreiben, aber dabei belasse ich es mal.
Die Irland-Tourist/innen von heute finden überall im Lande von den Einheimischen offenbar stark frequentierte "Brigid's Wells". Wo Yin ist, ist auch Yang, wo das Feuer heilig ist, darf das Wasser nicht fehlen – also sind Brigid auch die Fruchtbarkeit bringenden Quellen geweiht; kleine, versteckte, mit einem dezenten Schildchen an der Landstraße, und etwas pompösere mit eher zierlichen als göttinnenhaften Statuen. Zum Beispiel eine bei Kildare (siehe Foto bei Bernd) und eine nahe Liscannor im Co. Clare, an der Straße zu den Cliffs of Moher. Letztere ist ein Beispiel für einen Wallfahrtsort mit -zig abgelegten Votivgegenständen, bei anderen wird nur Heil(iges)-Wasser geholt. Es gibt mindestens einen Lough Brigid in den Landkarten, und wer Freude an so was hat, der schaue sich den Brigit's Garden bei Roscahill im Co. Galway an – eine für meinen Geschmack gelungene gartenarchitektonische Darstellung der alten Jahreskreisfeste. http://www.brigitsgarden.ie/