Black Valley

Es werde Licht im Black Valley, dank einer Lichtgestalt.

 

Das Black Valley, das Schwarze Tal, liegt in Kerry, im Schatten der höchsten Berge Irlands. Es heißt gerne, dass das Tal seinen Namen bekommen hat, weil es erst im Jahr 1976 als letzte Region Irlands ans Stromnetz angeschlossen wurde. Tatsächlich gilt das Black Valley als die Gegend, die als letzte Irlands in den Genuss von elektrischem Strom kam – auch wenn der Name aus alten Zeiten stammt, als der Schwarze Tod im Tal wütete und die Bevölkerung drastisch dezimierte.

Strom und Telefon jedenfalls gibt es im Black Valley gerade einmal seit 45 Jahren – und wieder macht der Landstrich seinem Ruf als Tal der Abgehängten alle Ehre: Als Black Spot in der modernen Kommunikationslandschaft. Denn was im frühen 20. Jahrhundert der elektrische Strom war, das ist heute das breitbandige Internet: eine fast selbstverständliche Grundausstattung des täglichen Lebens, das allerdings noch nicht in allen Regionen angekommen ist.

Noch regiert auch im Black Valley am Fuß der Macgillicuddys Reeks das dunkle Internet-Mittelalter. Doch der Messias ist unterwegs. Er heißt dieses Mal weder ESB noch Eircom, es ist die Lichtgestalt dieser Tage schlechthin: Elon Musk, der Allmächtige, Herrscher über Tesla, SpaceX und eben Starlink. Der bislang aus 60 Klein-Satelliten bestehende Zug, der seit zwei Jahren am Nachthimmel sichtbar ist, soll noch in diesem Jahr superschnelles Internet ist das dunkle Tal in Kerry beamen. Das Kerry County Council hat sich Ende vergangenen Jahres in Geheimverhandlungen mit Starlink auf das irische Pilotprojekt verabredet. Demnächst also wird Musks Satellitensignal das Schwarze Tal in die Neuzeit und in den Fokus der Aufmerksamkeit katapultieren. Im Gegenzug darf er sich die Taschen füllen mit Geld, das sich die irischen Telekom-Anbieter entgehen lassen, weil sie nicht in der Lage sind, vernünftige Infrastrukturpolitik zu betreiben. Das Black Valley der Telekommunikation gibt es vielerorts: Jeder dritte Haushalt und jedes dritte Unternehmen in Kerry warten auf Breitband-Internet.

Die neuen globalen Herrscher dieser Welt greifen nicht nur nach den Sternen, sie saugen auch das Blut aus den ehemals nationalen und den regionalen Ökonomien. Ihre Waffen sind die Technologie und die Strategie der Störung und Zerstörung bestehender Strukturen. Die Könige der Disruption beeinflussen unser aller Leben, und wir lassen sie jenseits von Recht und Gesetz und allzu oft steuerbefreit gewähren – sei es aus Blindheit, aus Unwissenheit, vor allem aber aus Bequemlichkeit: Ist doch toll, wenn uns Jeff Bezos alle Waren dieser Welt vor die Tür legt (Amazon), wenn Mark Zuckerberg uns lehrt, dass wir nicht alles glauben müssen, was wahr ist (Facebook), wenn Larry Page die Alles-ist-scheinbar-umsonst-Kultur globalisiert (Google) oder eben jener Elon Musk die Finanzmärkte mit simplen Twitter-Feeds dirigiert und nebenbei unseren Nachthimmel mit neuen Sternen verziert (von Bill Gates wird hier noch die Rede sein). Dass unser Einzelhandel, unsere regionale Wirtschaft, unsere Arbeits- und Kommunikationskultur, unser Lebensstil, unsere Aufmerksamkeitsspanne, unsere Gesundheit und nicht zuletzt die Wahrheit auf der Strecke bleiben – das sind halt Kollateralschäden der Innovation.

Hauptsache, es gibt jetzt endlich auch blitzschnelles Internet im Black Friday Valley.