Am Weißdorn: Vor ein paar Tagen wurde ich in der freien Landschaft der Beara Peninsula von einer Wander-Ampel gestoppt – direkt vor mir zufällig mein Lieblings-Weißdorn von Ros Mhic Eoghain. Ich sprach zum winterkahlen Weißdorn, oder er zu mir: Lange nicht gesehen! In diesem Moment wurde mir klar, dass ein zäher Winter langsam zu Ende geht, in dem ich allzu oft und viel zu viele Stunden am Computer gesessen bin, um zu recherchieren und zu schreiben.

Das Wetter war reisemäßig, es roch nach Frühling, und ich traf eine Entscheidung: Ich werde in den kommenden Monaten deutlich weniger Zeit am Schreibtisch und viel mehr draußen und in der wirklichen Welt verbringen. Ein neues Projekt in den Bergen ruft, Reisen stehen an.

Ich werde die Zeit auch nutzen, um über das Irland der Gegenwart nachzudenken, um es näher zu erfahren und noch besser zu verstehen*. Hier auf Irlandnews wird es deshalb in den kommenden Monaten ruhiger und gemächlicher zugehen.

Foto: Markus Bäuchle

 

 

 

 


* Das Land und die Menschen haben sich in den vergangenen Jahren abermals rasend schnell verändert. Image und Realität klaffen weiter auseinander denn je. Die selbstgefällige Selbstwahrnehmung mancher Irinnen und Iren scheint mit der Wirklichkeit wenig gemein zu haben. Die Zeiten von céad míle fáilte, der hunderttausend Willkommen, so es sie jemals gegeben hat, sind vorbei. Dass in Irland der Fremde ein Freund sei, den man noch nicht getroffen hat – das glauben noch immer die Touristen, die mit der grünen Brille durchs Land fahren und ihre Illusionen nach drei Wochen mit nach Hause nehmen. Viele Zwangs-Gäste aus der Ukraine sehen das inzwischen anders.

Der irische Exzeptionalismus, der Sonderweg der Insel der Glückseligen, scheint an sein Ende zu kommen. Bis gerade noch waren die Irinnen und Iren auf ihre Einzigartigkeit in Europa mächtig stolz. Sie feierten sich als die Besten, die Smartesten,  Freundlichsten, die Liberalsten. Während in anderen Ländern Populisten und illiberale Parteien aufzogen, baute Irland unverdrossen die Bürger- und Freiheitsrechte aus. Man hatte bekanntlich Nachholbedarf. Die grüne Insel zelebrierte sich gerne als letzte Bastion eines optimistischen zukunftsfrohen Liberalismus. Doch hinter der schillernden Fassade der hippen High-Tech-Insel wandelte sich das Land für viele Einheimische in eine unwirtliche Gegend, in der Hoffnung, Zuversicht und Zukunftsperspektiven sich rar gemacht haben. Die Gesellschaft wirkt zunehmend gespalten, viele junge Menschen verlassen das Land für eine bessere Zukunft in der Ferne. Die Spaltkeile heißen Wohnraum, Arbeitsverhältnisse, Gesundheitsystem und Lebenshaltungskosten.