Wir wandern den gesperrten Weg im Dorf im Glen in Irland Das kleine Dorf im Glen ist ein Paradies für Spaziergänger und Wandersleute. Als eines der wenigen Dörfer in Irland verfügt das Dorf im Glen seit  vielen Jahren schon über ein ausgedehntes Wanderwegenetz. Der prächtigste, der schönste und historisch interessanteste Weg mit weitem Ausblick über die Bucht ist allerdings seit drei Jahren gesperrt. Die Tore tragen Verbotsschilder, die Wegweiser sind abmontiert, der Weg wächst zu. Spaziergänger, die ihn dennoch benutzen, treffen möglicherweise auf einen wichtigtuerischen Menschen, der ihnen bedeutet, dass sie dort nichts verloren hätten – und der sie zum Umkehren zwingt.

Geschichten aus dem Glen, IrlandDas Dorf im Glen ist stolz auf seine schönen Wanderwege. Regelmäßig zählen die Tourismusverantwortlichen im Dorf die Meilen ihres Wanderwegenetzes zusammen und beschreiben die Vorzüge der Wege und Pfade in bunten Broschüren. Dass der schönste und interessanteste aller Wanderwege rund um das Dorf nicht mehr dabei ist,  dass er seit drei Jahren geschlossen ist, wird in kleinen Zirkeln zwar erregt diskutiert. Dass der einzelgängerische Con den Weg eigenmächtig absperrt, obowhl er ihm gar nicht gehört und obwohl dort uralte Wegerechte bestehen, wird dann regelmäßig scharf verurteilt. Ändern aber tut sich nichts. Man lässt es sich gefallen.

Keine Behörde, die einschreiten würde. Keine Bürgerinitiative, die sich engagieren möchte. Ein Einzelner sorgt dafür, dass alle anderen einen Nachteil haben – und alle anderen geben sich geschlagen, nehmen den Nachteil in kauf. Warum ist das so in Irland? Ist das typisch irisch? Es ist, und der alte Mathematiklehrer Sean, ein Mann, dem man “a fine brain” attestiert, erklärt mit Irlands Geschichte der jahrhundertelangen Unterdrückung, warum das so ist:  “Wegen unserer Vergangenheit gehen wir Iren auch mit Delinquenten, Abweichlern und Spinnern meist sehr nachsichtig um. Diese Liberalität nannten wir immer ‘Leben und leben lassen’. Wir wollen einfach nett sein. Heute allerdings wird die Nachsicht gerne ausgenutzt für egoistische Alleingänge, zur eigenen Bereicherung, zum eigenen kleinen Vorteil. Das ist schade”.

Sean sagt es, wie es ist. Ändern wird das im Moment nichts. Morgen vielleicht. Oder übermorgen. Am Ende relativiert der Mann aus der Stadt noch die Bedeutung eines Wanderweges für die Allgemeinheit: “Schau Dir an, was in unserer Stadt all die Jahre passiert ist: Hier verhindert eine einzige Familie zum eigenen Vorteil jegliche Entwicklung, jegliche geschäftliche Konkurrenz. Die Stadt steht still, nur weil diese Familie es will. Das ist schwerwiegend. Und doch sind die Verhinderer weiterhin geachtete Menschen in unserer Mitte. Keiner steht gegen sie auf, keiner klagt sie offen an. Dabei hätten wir allen Grund dazu.