Faszination Irland: Das wohlige Gefühl ist von vielen Urlaubern vom Kontinent beschrieben worden. Sie kommen auf der Insel an, sie fühlen sich schwerer, ruhiger, erdnaher, besser geerdet als zuhause. Sie schlafen besser (“Wie ein Stein”), sie zentrieren sich, sie kommen zur Ruhe. Während manche Irlandfans aus diesem Körpergefühl den Mythos Irland entwickeln und ihre Zugehörigkeit zu diesem Land begründen, tun nüchterne Betrachter mit Ganzkörperhornhaut das Phänomen gerne als Unfug ab. Nun allerdings leistet die Wissenschaft der Fraktion der Sensitiven starke Argumentationshilfe.

In Irland ist die Erdanziehungskraft tatsächlich größer als in Zentral-Europa. Die Erd-Gravitation, die uns gen Boden zieht und uns vom Schweben abhält, ist nicht überall auf der Erde gleich groß. Die Erdregionen mit der höchsten Erdanziehungskraft sind der Nord-Atlantik und das Gebiet nordwestlich von Australien. Der Satellit “Goce”, der im vergangenen Jahr von der Europäischen Raumfahrtagentur ESA in die Erdumlaufbahn geschickt wurde, errechnet die Erdanziehungskraft der gesamten Erde und verändert unser Welt-Bild. Irland und Großbritannien liegen demnach in der nordatlantischen Region mit der größten Erdanziehung weltweit – in der Goce-Erd-Simulation (im Bild “oben links”) mit Rot gekennzeichnet.

Spiegel Online versucht die neuen Forschungs-Ergebnisse verständlich zu machen:



Die “Goce”-Karte zeigt die Gestalt, die die Erde hätte, wenn sie formbar wäre wie Knetmasse und wenn alle Berge und Ozeanbecken eingeebnet würden. Dann wäre die Erde trotzdem nicht rund – sondern kartoffelförmig. Denn je nachdem, wie stark die Schwerkraft in einer Region ist, würde sie die Erdoberfläche formen. Gebiete geringer Schwerkraft machten sich als Delle bemerkbar, unter Beulen hingegen ist die Erdanziehung besonders hoch – dort ballen sich die Massen. Vor allem Gesteinsumwälzungen im Innern der Erde verursachen die Unterschiede. Je massiger das unterirdische Gestein, desto stärker die Anziehungskraft.

Bei Indien liegt die tiefste Delle des Planeten. Dort ist die Anziehungskraft um 0,3 Promille geringer als im Durchschnitt auf der Erdoberfläche. Ein Mensch, der hierzulande 70 Kilogramm wiegt, ist im Süden Indiens 21 Gramm leichter (seine Gewichtskraft ist kleiner, obwohl er natürlich weiterhin die gleiche Masse hat). Beim Metzger schneiden Kunden in Süd-Indien besser ab: Für ein Kilogramm erhält man dort 0,3 Gramm mehr Fleisch als in Europa.  In den blau markierten Regionen der Karte ist die Schwerkraft rund 100 Milligal geringer als normal. Ein Milligal entspricht einem Millionstel der durchschnittlichen Schwerkraft, die in Meereshöhe wirkt. Im Nordatlantik und nordwestlich von Australien herrscht die stärkste Anziehung; dort wirken rund 60 Milligal mehr als normal (rote Zonen).  
Die Erd-Kartoffel, das neue Bild der Erde, räumt also endlich auf mit den alten Vorurteilen gegen noch ältere Vorurteile. Irland ist schwer. Leichtfüssigkeit ist anderswo. Grüne Insel, schwere Insel. Alles ist gut. Alles klar? ;-)


Goce-Bild by ESA