Hag of Beara

 

Ikonen des alten Irland. Diese Woche nach langem wieder einmal bei der Hag of Beara – der irischen weißen Göttin, der Erschafferin des Landes und seiner Bewohner, der Hagezussa Irlands, der mächtigen weisen Frau – in christlicher Terminologie: der Hexe von Beara, der alten Frau von Dingle, der weißen Nonne, bei der Verhüllten. Für die vorchristlichen Stämme Eires hatte An Chailleach Bhéara sieben Leben und sieben Männer. Hier am Meer auf der Kilcatherine Peninsula wartet sie nun mit Blick auf den Atlantik auf ihren Gemahl Manannan Mac Lir, den Gott des Meeres. Die christlichen Missionare deuteten den weiß-grau-schwarzen Sandsteinfelsen später als die Versteinerung der Hexe von Beara – die Folge einer typisch alttestamentarischen Bestrafung, weil die Hag dem christlichen Heiligen Naomh Caitiarin, einem nach Irland übergesiedelten Missionar, das Gebetsbuch gestohlen haben soll.

Die Hag of Beara, die auf der Dingle Halbinsel zur Welt gekommen sein mag, wird in der christlichen Mythologie gerne als klagende alte Frau dargestellt, die das Verschwinden ihrer Jugend nicht verwinden kann. Sie wird in Verbindung gebracht mit der Wailing Woman of Skellig Michael, die klagend hoch über dem Meer steht, seit sie katholische Leuchtturmwärter dort ausgemacht haben. Skellig Michael, die geheiminsvolle Felseninsel ganz in der Nähe überm Wasser, die bereits vor der Zeitenwende von Gottsuchern bewohnt war und der der christliche Michael die keltische Schlangenenergie genommen haben soll, eine andere Geschichte . . .

Der fest in der Erde ruhende, stark verwitterte Felsbrocken der Hag of Beara steht seit über zehntausend Jahren in dieser Gestalt auf einem Feld am Meer. Seit einem Jahrzehnt wird er von einem besitzanzeigenden Zaun eng eingepfercht. Die das offene Land zerschneidende Einzäuneritis nimmt auf der grünen Insel längst bizarre Formen an. So dient selbst der Gipfelstein auf dem Cnoc Bui, dem gelben Berg, dem Berg der Hexe, dem höchsten Gipfel im County Cork, seit kurzem als Zaunpfahl.

Die Hag wird bleiben, der Zaun irgendwann verschwinden – und auch heute kann er dem Ort bei geschlossenen Augen nichts von seiner zeitlosen Energie als Erfahrungsraum nehmen. Ich sitze und erinnere einen Gedanken von Charles Eisenstein: Wann bin ich wirklich ich? Wann gebe ich mich für mich selbst aus? Welcher Teil von mir nimmt meine wahre Identität für unehrliche Zwecke in Beschlag? Wann und auf welche Weise gebe ich nur vor, ich zu sein?”

Das Ego, das Ich, die Identität . . . Welche innere Geschichte erzähle ich mir ständig über mich selbst? Wer diese Geschichte hören kann, kann sie verändern – und  verändert sich selbst.

 


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Fotos: Markus Bäuchle