This story / page is available in:
English
“Als Neil Armstrong zum ersten Mal den Mond betrat, sagte er: ‚Es ist ein kleiner Schritt für mich, aber ein großer Schritt für die Menschheit‘. Ich möchte diesem Mann sagen: Es ist ein kleiner Schritt für Sie, und es ist in der Tat ein sehr, sehr kleiner Schritt für die Menschheit. Den Mond zu betreten, ist keine große Sache.“
John Moriarty
Der irische Natur-Philosoph John Moriarty war von den technischen Errungenschaften der Menschheit wenig beeindruckt. Den Flug des Flugzeugs hielt er im Vergleich mit dem eleganten Flug der Vögel für eine schwerfällige Simulation. Das Drängen in den Weltraum und auf den Mond sah er als Ausflucht und als Entwicklung in die falsche Richtung zu Lasten des seelischen Wachstums. Moriarty strebte an, in Schönheit auf unserer Erde zu gehen anstatt das Weite auf dem Mond zu suchen. Er hielt es für existentiell, dass wir Menschen den vor 300 Jahren mit der Aufklärung, dem rational-mechanistischen Denken und der kapitalistischen Extraktions-Wirtschaft eingeschlagenen Irrweg erkennen und in einem neuen Bewusstsein zu einer neuen Seinsweise finden, die sich einordnet und die mit allen anderen Lebensformen auf diesem Planeten in Harmonie existieren kann. Unsere eigene Erde ist das Ziel, das Paradies, das wir nur als solches erkennen müssen.
In Moriartys Kosmos stellen wir hier auf Irlandnews regelmäßig einen Gedanken des irischen Natur-Philosophen John Moriarty vor. Der Schriftsteller, Gärtner und Seelenreisende wurde für seine Einsichten und seinen mystischen Blick auf das post-moderne Leben bekannt. John wurde am 2. Februar 1938 in Moyvane, County Kerry geboren und starb am 1. Juni 2007 in seinem Haus am Fuß des Mangerton Mountain bei Killarney. John Moriarty lebte ein außergewöhnliches Leben in der Natur und hinterließ ein reichhaltiges Werk, das uns klare Einblicke schenkt in die Conditio Humana sowie tiefe Erkenntnisse über das Scheitern des Spezies Mensch und über mögliche Auswege aus der Sackgasse, in der wir heute gefangen sind.
Wir stellen das Leben und Werk von John Moriarty erstmals einem deutschsprachigen Publikum vor. Die aktuelle Irlandnews-Serie über den irischen Natur-Philosophen finden Sie hier: KlicK
Seit John Moriarty das in gelebten Erfahrungen gewachsene Gedankengebäude entwickelte, sind mehr als drei Jahrzehnte vergangen. Die Menschheit scheint mit der Heilung ihrer Beziehung zur natürlichen Welt nicht weiter gekommen zu sein. Der Technologiewahn ist ungebrochen, künstliche Intelligenz gewinnt an Macht, der Transhumanismus, die Verschmelzung von Mensch und Maschine, scheint unaufhaltsam. Der Psychologe Mattias Desmet schreibt in seinem Essay Die Entseelung der Welt: „Im Rahmen des mechanistischen Denkens wird das Universum als eine Maschine betrachtet. Die große Maschine des Universums kann vollständig verstanden, vorhergesagt und rational manipuliert werden. Die Menschen können ihr Leben mit Hilfe der Vernunft selbst in die Hand nehmen. Sie werden Lebensmittel in Labors drucken und die Last der Schwangerschaft künstlichen Gebärmuttern überlassen; sie werden zum Mars reisen und Sonnenschein und Regen kontrollieren. Und sie können sich selbst vervollkommnen, indem sie die Fehler und Unzulänglichkeiten des menschlichen Daseins endgültig beseitigen.“
Werden sie dann noch Menschen sein? John Moriarty warnte uns früh, auf dem materiellen äußeren Weg des sogenannten Fortschritts nicht weiter zu gehen. Er zeigt uns die Richtung zum Weg der Seele: Oekumene statt Ego, Seele statt Ratio. Anstatt unsere Körper zum Mars zu bewegen, sollen wir uns innerlich bewegen, uns wandeln und transformieren, von Getäuschten zu Erleuchteten, von Sündern zu Heiligen. Johns Bücher finden heute mehr Zuspruch denn je, der Kreis seiner LeserInnen wächst, und die Zahl der Menschen, die heute – aus vielen unterschiedlichen Richtungen – zu ganz ähnlichen Erkenntnissen kommen wie er, wächst ebenfalls. Das gibt ein wenig Grund zur Hoffnung im Kampf um das Menschenbild der Zukunft und für das vielfältige Leben auf unserem Planeten.
WERTSCHÄTZUNG
Wenn Ihnen Irlandnews gefällt: Alle 4000 Beiträge aus und über Irland stehen Ihnen hier in unserem Web-Magazin kostenlos zur Verfügung. Sie sind ein Geschenk. Es gibt keine Paywall und keine störende Werbung. Geld sparende Künstliche Intelligenz muss draußen bleiben.
Alle Beiträge schreiben wir selbst. Wenn Sie unsere Arbeit mögen und wertschätzen, können Sie uns unterstützen und mit einer Spende zum Ausgleich der technischen Kosten – eine wachsende vierstellige Summe jedes Jahr – beitragen. Wir freuen uns über jede Geste. Wenn Ihre Finanzen knapp sind, geben Sie bitte kein Geld. Helfen Sie mit Ihren Talenten. Hier geht es zur Spendenseite.
* Quelle des Zitats: Das Ton-Dokument „One Evening in Eden“
Fotos: John Moriarty courtesy The John Moriarty Institute; Titelfoto: Antje Wendel
This story / page is available in:
English
Werter Markus,
Deine Serie überJohn Moriarty ist brilliant, hat mich sehr berührt, genauso wie die spirituelle / geistige Einstellung von John Moriarty!!! Was für ein geistreicher „Zufall“. Deinen, als auch seinen Gedanken kann ich nur vollstens zustimmen.
Schade daß er nicht mehr lebt, hätte sehr gerne ein persönliches Gespräch mit ihm über die wirklich wesentlichen Dinge des Lebens und die Reise ins eigene Innere geführt. Auch mich dürstet es oft nach Allein-sein, nach einfachem Leben ohne den ganzen Trubel und Zivilisationsschnickschnack.
Leider bin ich der englischen Sprache nicht so arg mächtig, um seine Bücher lesen zu können, vielleicht gibt’s irgendwann ja eine deutsche Übersetzung, dann bin ich sofort dabei.
Wir leben in verrückten Zeiten. Ich denke auch, daß vieles in die völlig falsche Richtung läuft, weg vom Göttlichen und Heiligen, hin zum blanken Materialismus / Transhumanismus. Doch wer die übergeordneten Gesetzmäßigkeiten mißachtet, der wird früher oder später (s)ein schmerzhaftes Erwachen erleben. Das ist so sicher, wie das Amen in der Kirche verlautet, auch wenn das viele nicht wahrhaben wollen.
Es erinnert mich an ein Zitat von Paul Auster… “ Adam was never so far from home“ aus dem Bildungsroman MOON PALACE.
Auf meiner Wanderung im südwestlichen Irland am «Sheeps Head» fallen mir Moriartys Worte ein, dass die «Eroberung» des Mondes für die Menschheit ein sehr, sehr kleiner Schritt gewesen sei. Spannende Gedanken und auch provozierend (…was vielleicht auch gewollt war). Die Überwindung der Schwerkraft, die Durchdringung des luftleeren Raums, die enorme Distanz zwischen Erde und Mond und in einer ungleichen Atmosphäre als der Erde klarzukommen – da rüttelt eine solche «Behauptung» schon etwas am Stolz menschlicher Wissenschaften.
Die ausschliessliche Besinnung auf unser Menschsein auf unserer kleinen Erde und ihrer Natur ist ebenso ein spannender Aspekt – vielleicht inzwischen eine «zu grosse Sache»? Haben wir augenscheinlich deshalb der Erde (der Natur) den Rücken gekehrt, weil wir mit den naheliegendsten Dingen scheinbar nicht mehr klar kommen? Ist es möglicherweise deshalb die Flucht in den Kosmos, dem Uni- oder Multiversum mit der Hoffnung, es in/mit einer nächsten Welt besser zu machen, in der wir nach kurzer Zeit auch nicht mehr klar kommen?
Angeblich nutzen wir unsere vorhandene Hirnkapazität bestenfalls zu 10%. Der Rest bleibe unbenutzt oder verkümmert. Oder gibt es vielleicht einen «Mechanismus», mit welchem unser Gehirn zu unserem eigenen Schutz «plombiert» wurde? Was würde mit uns passieren, wenn wir das gesamte Wissen der Multiversen auf einmal zur Verfügung, bzw. einen Zugang hätten? Würde es unser Menschsein überfordern? Viele hochbegabte und intelligente Menschen «zerschellen» bekanntlich an ihren eigenen Fähigkeiten und riskieren einen Geisteszustand, der an Wahnsinn grenzt. Oder ist der Wahnsinn letztendlich der wahre Zugang zur Essenz?
«Ein sehr, sehr kleiner Schritt für die Menschheit» – möglicherweise vielleicht auch als «Verrohung» der menschlichen Natur gemeint, wenn sie sich von den essenziellen Dingen und der Natur abwendet. Vielleicht hat mich die Wanderung aber einfach etwas in andere Sphären abdriften lassen und ich musste jede Menge «kleine Schritte» machen, um mit der Natur Schritt zu halten. Etwas verwegen ertappe ich mich bei der Frage, ob ich mit meinen Schritten die Erdkugel unter mir bewege und an Ort und Stelle trete. Oder bewege ich mich von Ort und Stelle – ist wohl eine Frage der Perspektive.
„Angeblich nutzen wir unsere vorhandene Hirnkapazität bestenfalls zu 10%.“
Dieser Mythos ist anscheinend nicht tot zu kriegen. Aber das ist wohl eine der wesentlichen Eigenschaften von Mythen. Ich denke, die Natur verschwendet nichts, auch keine menschliche Gehirnmasse.
Sehr guter Punkt. Meines Erachtens nutzt der Mensch, nicht die Natur das 100% zur Verfügung gestellte Gehirn. Insofern bin ich mir bei einigen nicht sicher, ob sie es überhaupt nutzen.
Hallo,
gehen wir also mal davon aus, daß der Mensch sein Gehirn zu 5 bis im besten Fall sogar 100% nutzt…..
Selbst bei 100% ist selbige nicht unbedingt von Nutzen für die Welt und deren Entwicklung. Letztlich dürfte entscheidend sein, wofür die Fähigkeiten genutzt werden.
Man denke nur daran, welche Hoffnungen in die Möglichkeiten des Internets gesetzt wurden. Und dann musste man erkennen, daß Soziale Medien wie TIKTOK Wahlen beeinflussen.
Jetzt wünsche ich allen ganz altmodisch einen guten Rutsch ins neue Jahr
Gruß
Walter
Das wünsche ich Dir und Euch auch, lieber Walter. Grüße aus Irlands Südwesten.