Dursey Island ist eine der letzten Bastionen des alten Irland, wo die Zeit stehen geblieben scheint. Die Insel am Ende der Beara Pensinsula in West Cork hat sich bis heute erfolgreich mit der einzigen Seilbahn Irlands vor der Vereinnahmung geschützt. Der primitive Cable Car, eine am Drahtseil hängende unansehnliche Holzkiste, schafft gerade mal 18 Menschen pro Stunde über den gefährlichen Sund auf die Insel. Das soll sich nun ändern: Dursey soll die neue große Tourismus-Attraktion im irischen Südwesten werden. Die regionale Geschäftswelt schreit Hurra. Kritiker sprechen vom schlimmsten geplanten Sündenfall seit dem Versuch, im Burren um die Jahrtausendwende ein monströses Touristen-Zentrum zu bauen.
Reise-Reporterin Nicole Quint berichtet aktuell über Dursey Island, diesen kostbaren Flecken Erde am Scheideweg.
Ihr Beitrag erschien am Wochenende bereits in der Zeitung Die Welt.
Ein ehrgeiziges Tourismusprojekt soll die irische Insel Dursey massenkompatibel machen. So wird aus einem der letzten Weltstillstands-Orte des Landes ein ganz gewöhnlicher Kassenschlager. Über die Ökonomisierung von Wasser und Fels.
Diese Frage ist eine Gefahr für die Gesundheit: Wie viel Fremdenverkehr darf man sich bieten lassen? Dem einen jagt sie vor lauter Ärger den Puls in die Höhe, dem anderen flößt sie ein schlechtes Gewissen ein, und einen Dritten versetzt der Gedanke an die möglichen Gewinne in gierige Erregung. All diese Reaktionen dürften die ehrgeizigen Pläne auslösen, die das Cork County Council und das Tourismusamt Fáilte Ireland für das neue Dursey-Seilbahn-Projekt bekannt gegeben haben.
Bislang beförderte Irlands einzige Seilbahn üblicherweise etwa 18 Passagiere in der Stunde von der Spitze der Beara-Halbinsel hinüber nach Dursey. Mit dem für 2023 geplanten Einsatz von zwei neuen Kabinen könnten es bis zu 300 Touristen sein, die pro Stunde auf die Insel gelangen. Im Jahr wären das dann rund 80.000 Besucher. Damit der Kunde auch wirklich zum König der Klippen wird, sieht das neue Konzept zudem ein Besucherzentrum vor samt Café mit Außenterrasse, Souvenirshops und vielen Parkplätzen. Aussichten, die jeden, der schon mal auf Dursey war, nachdenklich machen.
Wer noch mit der alten Seilbahn über die brüllende Gischt des Sunds zu den ginstergelb leuchtenden Felsen von Dursey hinübergeschwebt ist, durfte sich ein bisschen heldenhaft fühlen, wenn der Wind kräftig an der eckigen, blau-weißen Büchse rüttelte. Im Notfall war Seilbahnführer Paddy über eine veraltete Gegensprechanlage zu erreichen. Um deren Funktionstüchtigkeit gar nicht erst testen zu müssen, klebte gleich darunter eine Anleitung zur Notfallverhütung – ein Zettel mit dem Psalm 91 und die fürsorgliche Aufforderung, diesen zum Schutz täglich zu lesen: „Fallen auch tausend zu deiner Seite, dir zur Rechten zehnmal tausend, so wird es doch dich nicht treffen. Denn er befiehlt seinen Engeln, dich zu behüten auf all deinen Wegen.“
Die hochmodernen, neuen Seilbahnen werden die Nerven kaum noch kitzeln, und Dursey selbst ist nach den hohen Maßstäben „Lonely Planet“-geschulter Globetrotter etwa so aufregend wie Exerzitien im Kloster. Die einzige Straße der Insel, eine grasbewachsene Schotterpiste, führt durch drei Dörfer, Geisterdörfer, alle schon vor langer Zeit verlassen und dem Verfall preisgegeben.
Auf ganz Dursey gibt es weder Pubs noch Shops oder Restaurants. Auf der offiziellen Insel- Website findet sich daher die Empfehlung, sich vor der Anreise mit Verpflegung einzudecken. Die nächsten Einkaufs- und Vergnügungsstätten liegen im 24 Kilometer entfernten Castletownbere auf der irischen Hauptinsel. Die Chance, auf Blauschwanz, Eissturmvögel und Austernfischer zu treffen, ist um ein Vielfaches größer, als menschlichen Gesprächspartnern zu begegnen. Nur noch zwei Iren leben ständig auf Dursey, ein Dutzend weitere nutzen ihre Häuser bloß in den Ferien, und ein paar Bauern vom Festland besitzen Weideflächen auf der Insel. Mal kommt ein Schaf um die Ecke, mal ein dreibeiniger Border Collie – meist aber niemand.
Was sollen 80.000 Besucher auf einer Insel, die nur Menschen beglückt, die zur Stille begabt sind? Menschen, denen Landschaft und Wetter genügen, Eintags-Deserteure, die Fahnenflucht aus der Welt begehen wollen und wissen, dass sich der gefühlte Abstand zum Alltag auf Dursey in Lichtjahren messen lässt. Melancholie und Besinnlichkeit dieser geisterhaft leeren Insel sind nichts für Touristen, die abhängig von Erlebnis- und Einkaufskultur sind und bereits durch das Nichtfunktionieren ihrer Smartphones gestresst werden. Für solche Reisende ist nicht Dursey die Attraktion, sondern die Seilbahn, und mit der lassen sie sich locken wie Kinder mit dem Rascheln der Bonbontüte. Immer dem schnellen Reiz hinterher.
Was profitabel ist, wissen Menschen meist sehr genau, was gut für sie und ihre Umwelt ist, leider nicht immer. Studien zur Folgenabschätzung des neuen Seilbahn-Projekts gehen davon aus, dass mit dem Verlust von Habitaten seltener Pflanzen sowie mit dem Verschwinden von Brut- und Schlafstätten einiger Vogelarten zu rechnen ist. Der Bestand der Alpenkrähen ist nach Angaben von Birdwatch Ireland seit 2003 schon um 30 Prozent gesunken, und das bei vergleichsweise geringem Touristenaufkommen. Paradox, dass das neue Besucherzentrum jetzt genau jene biologische Vielfalt der Insel erklären soll, die durch das Projekt selbst weiter in Gefahr gebracht wird. Zur Begrenzung der schädlichen Effekte werden die Einrichtung markierter Wanderwege und die Festlegung auf maximal 12.835 Touristen im Monat vorgeschlagen. Vor fünf Jahren lag die Zahl der Besucher noch bei 12.000 – und zwar für das gesamte Jahr.

Ein Bild aus vergangenen Tagen: Der Seilbahnwärter hieß noch Paddy, die Rinder hatten Beförderungs-Priorität und John Eagle fotografierte
Von einigen Umwelt- und Naturschutzverbänden abgesehen, die Durseys besondere Schutzwürdigkeit anmahnen, wagt sich leider kaum ein Kritiker auf das kommunikative Minenfeld. Mit der Bitte, auf eine Namensnennung zu verzichten, erzählen einige Einwohner der Gegend zwar von ihrer Angst, dass die Insel auf das Fließband der touristischen Produktion gesetzt und zur reinen Kulisse für Selfie-Enthusiasten wird, aber natürlich will niemand ein Spaßverderber sein oder dem Nachbarn das gute Geschäft verderben. Einer, der Angst vor den drohenden Neuerungen hat, sagt: „Ich hoffe, dass Dursey nicht durch die Verjüngung sterben wird.“
Befürworter argumentieren hauptsächlich mit der Schaffung von Arbeitsplätzen. So lasse sich der Landflucht entgegenwirken, die für viele Ecken West-Corks wieder vermehrt zum Problem wird, nachdem die Wirtschafts- und Finanzkrise von 2008 viele Betriebe in der Landwirtschaft, Fischerei und im Baugewerbe besonders hart getroffen hat. In den Jahren danach entstanden vornehmlich Unternehmen im Bereich der Gastronomie, des Tourismus und der handwerklichen Lebensmittelproduktion. Für sie könnte ein groß dimensioniertes Seilbahnprojekt ein Katalysator sein und für Stabilität sorgen.
Grundsätzlich, so die Argumentation der Projektplaner, biete Dursey zurzeit auch nur ein „suboptimales Besuchserlebnis“, da die Wartezeiten an den Gondeln in der Hochsaison bis zu zwei Stunden betragen könnten und die Fahrgäste mitunter in langen Schlangen stehen müssten. Künftig kämen mehr Personen schneller auf die Insel und könnten die Zeit vor der Fahrt im komfortablen Besucherzentrum verbringen. Über das destruktive Potenzial des Projekts möchten die Seilbahn-Fans nicht reden. „Klau der Gans das goldene Ei, ohne sie zu töten“, lautet ihr einfaches Motto. Während sich also andere Urlaubsorte inzwischen vehement gegen Overtourism wehren, blickt Irland erstaunlich gelassen auf die künftige Überfüllung einer abgelegenen Insel.

Dursey ist wie ein Freilichtmuseum. In den drei alten Dörfern leben nur noch eine Handvoll Menschen das ganze Jahr über.
Der Massentourismus droht die Insel ihrer Besonderheit zu berauben und sie zu einer Allerweltsattraktion zu machen. Werden Touristen in einigen Jahren noch so tief beeindruckt sein können wie die Reisenden vor ihnen, die Dursey noch fast ganz für sich allein hatten? Auf ihren Wanderungen nur begleitet von dem Raunen des Atlantiks und dem Summen des allgegenwärtigen Windes. Geräusche, die einen in die Zeit vor allen Zivilisationen horchen ließen. Das größte Ereignis aber war nicht die Ereignislosigkeit, sondern die Erfahrung, dass es einem an nichts gefehlt hat auf dieser Weltstillstands-Insel. Das Leben ergab hier Sinn – auch ohne laktosefreien Coffee to go, ohne Smartphones und Fitnessstudios.
Noch haben die Erfolgsversprecher nicht endgültig gesiegt. Gegen die Baupläne wurden Einsprüche erhoben. An Bord Pleanála, eine gerichtsähnliche Institution in Irland, hat den endgültigen Schiedsspruch erst kürzlich auf den Herbst 2020 verschoben. Weitere Unterlagen wurden angefordert, eine Genehmigung des Seilbahnprojekts ist an Änderungen geknüpft. Darf man also hoffen, dass die hohen Besucherzahlen gestutzt und Durseys Vögel wirksam geschützt werden? Oder müssen sich demnächst Tausende Touristen in der Hochsaison an den Seilbahn-Terminals aneinander reiben wie Pendler im morgendlichen S-Bahn-Verkehr? Darf Dursey ein zivilisationsferner Ort, der auch Besuchern zugänglich ist, bleiben? Oder muss die Insel zum Touristenort mutieren, der anstrengungslos zu erreichen und leicht konsumierbar sein wird?
Abhängig davon, wie die Entscheidung ausfällt, werden Irlandreisende künftig vor der Frage stehen, ob die Reise an einen so schönen, aber störanfälligen Ort wie Dursey überhaupt noch erstrebenswert ist.
Die Autorin: Nicole Quint. Die Reise-Reporterin aus Berlin hat viele Länder bereist. Am liebsten lebt sie in Irland. Sie kennt das Land und die Leute von vielen Aufenthalten. Nicole Quint schreibt über sich: „Ich lebe meist auf Reisen, manchmal in Berlin und am liebsten in Irland. Alles Unterwegssein ist deshalb auch immer ein Stück Heimatsuche für mich. In Indien fand ich zu meinem Beruf als Reisereporterin. Einige Jahre stand mein Schreibtisch in Griechenland und ein Zweitbett auf einer irischen Ziegenfarm. Die Dauer eines Aufenthalts im Ausland ist aber nicht entscheidend für das Ergebnis meiner Arbeit. Hauptsache, es waren Gefühle im Spiel: Die Euphorie, sich mit hundert anderen Zugreisenden in einem Großraumschlafwagen durch Indien schaukeln zu lassen. Das stille Glück einer Nacht in der Wüste, wenn nur manchmal ein tiefes Grollen aus dem Inneren eines Kamels entweicht wie aus einem zusammengepressten Blasebalg, oder die einlullende Geborgenheit, die einem das wärmende Torffeuer schenkt, während draußen ein Wintersturm auf die irische Westküste zu rast. Da ist aber auch der Ekel vor den Kakerlaken, die fröhlich unter dem Restauranttisch tanzen, der Zorn über den buddhistischen Mönch, der einen seiner kleinen Schüler verprügelt, oder die Abscheu beim Anblick von Touristen, die vor der Hinrichtungswand in Auschwitz Selfies machen. In solchen Momenten ist das Reiseleben zu wahr, um schön zu sein.“
Weitere Informationen auf Nicoles Website: Quint & Quer
Fotos: Nicole Quint (2); John Eagle (4. von oben); Markus Bäuchle (2)
Vielleicht sollte man primär verinnerlichen, dass eine Reise in ein anderes Land mehr als eine reine Freizeitaktivität ist, sondern mehr oder weniger ein persönlicher Luxus , der heutzutage (leider ) als Selbstverständlichkeit genommen wird. Eine solche Reise sollte niemals beliebig, sondern zielgerichtet auf das Land sein, das man besuchen möchte. Oftmals scheint das Zielland nebensächlich, wichtig ist, dass man keinen Bootsführerschein braucht und keinen Angelschein usw usw. Beispielhaft dafür mag die Frage eines Touristen sein, ob man „hier“ mit Euro bezahlen kann…
Muss es denn auch immer der (billigste) Flug bei der Billig-Airline sein, warum opfert man nicht noch 2 oder 3 Urlaubstage zusätzlich und benutzt die Fähre, idealerweise eine Fähre, die anstatt mit Schweröl mit Gasturbinen Richtung Westen fährt?
Warum meidet man nicht die ausgeleierten „touristischen Höhepunkte“ und entdeckt die unendliche Vielzahl anderer Faszinationen dieses Landes, was natürlich als Teilnehmer einer 599-Euro-7-Tage-Rundfahrt mit Flug und Halbpension und inkludiertem Besuch eines Musikpubs nur eingeschränkt möglich ist.?
Warum wird in Deutschland das Sterben kleiner Individualgeschäfte, gerade in den Innenstädten, bedauert und beklagt und man deckt seinen persönlichen Urlaubsbedarf auf der Insel nicht beim lokalen Metzger, Bäcker oder auf dem lokalen Farmer’s Market, sondern im city-zerstörenden Supermark auf der grünen Wiese, meistens mit deutschem Markenhintergrund?
Anstatt lediglich den Massentorismus zu beklagen kann jeder einzelne seinen kitzekleinen Beitrag dazu leisten, dass vielleicht solche irren Projekte wie dieser Seilbahn-Bau sich einfach profitmässig nicht mehr rechnen. Hier setze ich ausnahmsweise mal auf die Masse, je weniger kommen, umso besser ist es. Eine dem Profitstreben zugwandte (auch irische) Politik wird von sich heraus aus verschiedenen Gründen dazu nicht in der Lage sein.
Liebe Kritiker und Kommentatoren, mit Verlaub gesagt, das meiste zu diesem Thema hier Geschriebene hat einen Hauch von Scheinheiligkeit. Ich verbringe einen erheblichen Teil eines Jahres (leider nicht 2020!) in Leitrim, einem Landstrich, der noch viel von seiner irischen Ursprünglichkeit bewahren konnte, vielleicht auch, weil die Touristenströme im Gegensatz zum Südwesten noch nicht massiv sind. Aber: Wenn ich mit Touristen, egal welcher Nationalität ins Gespräch komme, dann lieben die meisten diese rauhe Urpsrünglichkeit des Landes. Leider verhalten sich sehr sehr viele aber gegensätzlich zu dem eigentlich Gesuchten. Man freut sich, ein Flugticket für 39,99 Euro ergattert zu haben, man reist mit RyanAir, die wohl fragwürdigste Fluggesellschaft weit und breit, man nimmt sich einen Mietwagen, der einfach für die irischen Strassen überproportioniert und übermotorisiert ist, man leiht sich für eine Fahrt auf dem Shannon ein viel zu großes Boot, kauft aber dann seinen Proviant bei LIDL und ALDI. Man deckt sich mit Souvenirs ein, die deutlich sichtbar das Herkunftsland benennen – made in PRC – , weil die Souvenirs „Irish made“ ja um einiges teurer sind. Man entsorgt ungehemmt seinen Müll, ein wirkliches Problem hierzulande, und schert sich nicht im Geringsten um die Bitten „Bring your litter home“ oder „Keep xy-town tidy“. Man besucht Hotspots des Massentourismus und beklagt sich im Nachhinein um die Fülle und um die Kommerzialisierung. Man freut sich über die Angelmöglichkeiten, schert sich aber einen Dreck um die lokalen Verhaltensvorschriften „Do not kill fish“, nach 10 Tagen ist man ja wieder weg….
Man sucht Ursprünglichkeit und Unverfälschtheit, bedient sich aber selbst allen angeblichen Annehmlichkeiten des Massentourismus. Es ist sehr einfach, Dinge zu kritisieren und geändert haben zu wollen, aber Veränderungen beginnen bei einem selbst, immer nach anderen zu rufen und selbst seine Verhaltensweisen beizubehalten ist sehr bequem und einfach.
Ich entschuldige mich für meinen Sarkasmus in aller Form.
Lieber Michael Burkhardt, Ihr Urteil ist schlicht zu pauschal und auch ein wenig anmaßend, wenn Sie glauben, den Kommentatoren auf Irland News Scheinheiligkeit unterstellen zu können.
Jeder, der sich mit den Auswirkungen des Seilbahn-Projekts auseinandersetzt, ist den von Ihnen beschriebenen Touristen mehr als einen Schritt voraus. Vielleicht mokieren Sie sich ja nicht bloß über unreflektiertes und rücksichtsloses Verhalten, sondern setzten sich auch aktiv für einen sanfteren und nachhaltigen Tourismus ein. Viel Erfolg dabei!
Lieber Michael, ich bin ganz bei Dir, wir müssen – ohne den politischen Anspruch aufzugeben – bei uns selbst beginnen. Bitte sage uns, wie Du es genau machst und was Du bei Dir verändert hast.
Klare Worte. Wo soll denn der Massentourismus Eurer Meinung nach hin? Oder ist es zukünftig nur einer Elite, die es sich leisten kann, erlaubt Urlaub zu machen? Und wenn dem so ist, wären sicherlich die wenigsten der Kommentatoren dabei.
Ich kann mich an eine wunderschönen Urlaubsaufenthalt i m Clare Island Lighthouse erinnern. Eine irische Gästin redete begeistert über ihren Aufenthalt und die einsame exponierte Lage, die sie am liebsten ganz für sich allein hätte, ihr aber bewußt war, dass das nicht möglich ist.
Für mich sind diese Erlebnisse immer ein Hinweis, dass viele Menschen erkennen, in welchem Dilemma jeder von uns steckt.
Der Tourismus ist schon über den Preis immer elitär. Ich rede allerdings keinem elitären Tourismus das Wort. Auf den bekannten Menschenfelsen von Barcelona bis Dubrovnik und Amsterdam werden sich die Einheimischen zu wehren wissen. Und sollen halt drei Millionen Menschen pro Jahr die große Mauer auf den Cliffs of Moher ablaufen. Wer aber hilft dem kleinen Rest der lebenden Erde, wer schützt sie? Es müssen Wildnis-Zonen eingerichtet werden, die nicht dem Menschen gehören, und zu denen der Mensch sehr begrenztes Zugangsrecht hat. Der Zugang wird nicht nach dem Geldbeutel, sondern nach gerechten Regeln gewährt. Dursey ist ein hervorragendes Beispiel: Warum kann man die Inseln westlich der Küste nicht einfach in Ruhe lassen? Ich zähle auch Bull, Rock und Calf dazu.
87 Prozent der Deutschen sind in ihrem Leben schon einmal geflogen, aber etwas mehr als 90 Prozent der Weltbevölkerung hat noch nie ein Flugzeug bestiegen. Die Touristen, von denen wir hier sprechen, gehören somit zweifellos einer Elite an, lieber Dieter.
Ich beklage mich aber gar nicht per se über Reisende, ich bin doch selbst eine, und weil ich auch gern weiter unterwegs sein möchte, setze ich mich für einen fairen und ökologisch nachhaltigen Tourismus ein.
Irlands Regierung verfolgt eine Tourismus-Strategie, die in den 90-er Jahren nur wenige kritisiert hätten. Heute ist sie schlicht überholt, primitiv wachstums-orientiert und verantwortungslos. Dasselbe übrigens beim Klimaschutz: Außer wolkigen Aktionsplänen hat Dublin bis heute nicht viel zu bieten, Irland gilt als Europas Schlusslicht im Klima- und Naturschutz. So müssen die Gerichte nun richten, was die Politik nicht leistet: Gestern hat Irlands oberstes Gericht sensationell die Klimapolitik der Regierung gekippt und sie darauf verpflichtet, die Klimaschutz-Ziele endlich in konkrete Politik umzusetzen. Ein solch eindeutiges Urteil gab es bislang weltweit nur einmal, in den Niederlanden. Wer aber eine verantwortungsvolle Klimapolitik betreibt, wird auch die Tourismus-Industrie in die Pflicht nehmen und sich vom Massentourismus verabschieden müssen.
Danke erst mal für den toll geschriebenen Artikel, der alle Aspekte, die GEGEN diesen Wahnsinn sprechen enthält! Irland schafft sich selbst ab, wenn es so weitergeht! Die meisten Menschen dürften noch immer deshalb kommen, weil sie neben der Schönheit der Insel auch Ruhe und ein bisschen Ursprünglichkeit suchen.
Was hier passieren soll ist einfach unverzeihlich und ich hoffe, dass sich Widerstand bildet!
Alles Beste für diesen zauberhaften Flecken! ☘☘☘
Wenn die alte Seilbahn verschwindet, sind schon mal 50% der Gründe sich Dursey Island zu besuchen verschwunden…. ich hatte es 3 Wochen, bevor wir unseren Urlaub nicht weit weg am Ring of Beara gemacht haben, im TV gesehen und eben gerade wegen der Bahn und wegen der wenigen Touristen haben wir diesen Tagesausflug gemacht….. In positiver Erinnerung ist mir noch der kleine Imbißstand am Parkplatz mit ganz leckeren Fish&Chips…. das alles hat den Charme ausgemacht, zum Glück haben wir uns das so angesehen und ich hoffe, dass es noch lange Zeit so bleibt…..Klar ist aber auch, das sich alles einmal ändert- manchmal hat es auch mit Sicherheit zu tun, etwas zu erneuern, wenn das alte ausgedient hat- so ist der Lauf der Zeit und vieles schöne „aus der guten alten Zeit“ ist verschwunden und nur noch auf altem Filmmaterial zu bestaunen….
„Die Erinnerung malt meist mit goldenem Pinsel“ chinesisches Sprichwort.
Je älter ich werde, desto häufiger tappe auch ich in diese Falle. Du hast recht, es bleibt nichts, wie es ist und das ist gut so.
Ich widerspreche Ihnen gern und vehement, lieber Dieter, denn es geht bei der Beurteilung dieses Seilbahnprojekts nicht darum, sich von verklärender Nostalgie zu verabschieden. Die veraltete Seilbahn muss auf den Stand moderner Technik gebracht und darf auch gern mit einer komfortableren Kabine ausgestattet werden. Ich kritisiere die Überdimensionierung der Pläne, die den Verlust von Lebensräumen für Vögel und Pflanzen zur Folge haben werden und die einzig der Befriedigung von Konsumbedürfnissen dient, für die es doch schon genügend Disneyland Parks gibt.
Hier geht es um die Zukunft, lieber Dieter, und nicht um goldige Nostalgie. Wir Menschen können nicht den gesamten Lebensraum auf der Erde für uns beanspruchen. Das wäre einerseits unser Ende als Spezies, andererseits das Ende eines großen Teiles des Lebens auf dem Planeten. Noch setzt sich die viel gepriesene menschliche Vernunft kollektiv nicht durch – vor allem, weil das neoliberal-kapitalistische Wirtschaften zuvorderst unsere negativen Potenziale fördert und stärkt. Deshalb heißt es, sich mit den gebotenen Mitteln zu engagieren für unzivilisierte, technikfreie und menschenarme Räume. Dursey Island ist eine Insel, die wir ohne große Not einfach in Ruhe lassen können. Was haben wir auch dort noch zu suchen (klar: Geschäfte, Geschäfte. Natur zu Geld machen . . . )?
Dursey Island ist noch lange nicht verloren – auch nicht für die letzten Alpenkrähen im Südwesten Irlands. Der Kampf um die Post-Covid-Welt hat gerade erst begonnen.
Das dauert wohl noch, das mit dem Umdenken… :-( Meine Hoffnung: Es weiß niemand, wie es mit dem Tourismus weitergeht, wird es überhaupt in absehbarer Zeit wieder Touristen“massen“ geben? Vielleicht schreckt das die Investoren ab.
Dazu kann ich eigentlich nur eins sagen.
Ich bin entsetzt!!!