Die Macht und die Wirkungskraft der Bücher war schon einmal größer, doch manche Druckwerke bleiben auch Jahrzehnte nach ihrem Erscheinen Quellen der Unruhe: Jetzt tauchte in einem Charity Shop in Dublin eine seltene englische Ausgabe von Adolf Hitlers „Mein Kampf“ auf und sorgt 86 Jahre nach Veröffentlichung der deutschen Erstausgabe für aufgeregte Diskussionen. Die ledergebundene englischsprachige Ausgabe aus dem Jahr 1939 steht in einem Oxfam-Shop in Parliament Street zum Verkauf – und die 400 Euro Verkaufserlös sollen in den Kampf gegen Armut und Ungerechtigkeit fließen. Nun wird in den Medien gefragt, ob eine gemeinnützige Wohlfahrts-Organisation aus Hitlers Nazi-Schrift Kapital schagen darf und ob der Zweck die Mittel tatsächlich heiligt.
Die Mitarbeiter der gemeinnützigen Organisation Oxfam merkten zunächst gar nicht, was sich da in der Tasche alter Bücher verbarg. Dann wurde ihnen klar: Dieses Buch ist einiges wert, und nach einschlägigen Recherchen auf Amazon sie entschlossen sich, das ideologische Pamphlet des „Gröfaz“, dessen ersten Teil er 1924 in der Festunghaft in Landsberg geschrieben hatte, für den Verkauf freizugeben – und dafür 400 Euro zu veranschlagen. Die englischsprachige Erstausgabe, die im Jahr des Kriegsbeginns 1939 und damit 14 Jahre nach Erscheinen der deutschen Erstausgabe auf den Markt kam, wurde von einem Iren übersetzt, dem Hitler-Biografen James Murphy.
In Irland wie auch in Großbritannien ist der Verkauf von „Mein Kampf“ im übrigen erlaubt. Auch das hartnäckige Gerücht, in Deutschland seien Handel und Besitz von Hitlers Lebensgeschichte und Ideologie verboten, ist überholt. Zwar beansprucht der Freistaat Bayern noch immer die Urheberrechte (Hitler war zuletzt in München gemeldet) und verhindert das offizielle Nachdrucken, doch nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem jahr 1979 darf das Buch sehr wohl verbreitet und antiquarisch gehandelt werden.
In den Gebrauchtwarenläden Irlands graben Sammler und Gründler immer wieder einmal interessante Fundstücke aus, die dann in Sammlerkreisen eine Menge Geld erzielen: von Buch-Erstausgaben bis hin zu alten Bibeln aus Mittelalter und Renaissance.
Unbetrachtet der ideologischen Werte, fuer die dieses Buch und sein Autor stehen, steht es auch fuer den verkrampften Umgang Deutschlands und der Mehrheit der Deutschen mit der Vergangenheit.. Fakt ist, dass „Mein Kampf“ eines der am schlechtesten geschriebenen Werke aller Zeiten ist. Ueber laengere Zeit jedes frisch verheiratete Paar ein Exemplar aufs Auge gedrueckt aber dennoch hatte man schon vor Ausbruch des 2. Weltkrieges dieses Buch nur noch auf dem Regal stehen und nicht etwa gelesen.
Das Land Bayern haelt uebrigens die Urheberrechte an dem Buch nur fuer die Bundesrepublik Deutschland. Im Ausland ist das Buch und auch sein Inhalt im Internet frei verfuegbar.
Letzendlich sind so etwas immer Werteabwaegungen. Wenn es Oxfam durch den Verkauf dieses Buches ermoeglicht wird, mehr Gutes zu tun als das der Verkauf des Buches nationalsozialistische Ideologie foerdert, dann sehe ich keinen Grund das Buch nicht zu versilbern. Da dieses abrundtief schlecht geschriebe Buch ganz sicher nicht ein Werk ist, dessen Lesen einen Nicht-Nazi in einen Nazi verwandelt, sehe da sehr wenig Probleme.
Im uebrigen ist Freiheit auch immer die der Andersdenkenden. Auch wenn mir missfaellt was die Andersdenkenden mit ihrer Freiheit tun.
Als ich bei meinem letzten Besuch in Killarney auch im dortigen bookshop vorbeischaute, traute ich meinen Augen nicht, da gabs Hittlers „Mein Kampf“ als Taschenbuchausgabe. Ich war so überrascht, daß ich jetzt nicht einmal sagen kann, ob es die englische oder deutsche Version war. Diese Ausgabe war jedenfalls deutlich „billiger“ als 400 Euro.
Peter Bernhardt