Irischer Sonntag: Auch nach fast 15 Jahren in diesem großartigen kleinen Land höre ich den Menschen manchmal ungläubig staunend zu. Diese Woche gleich zweimal. Paul ruft an, Telefonverkäufer bei unserer Lieblings-Telekom Eircom. Paul kündigt ein Super-Angebot an, das unschlagbar sei und deshalb ein Muss für uns. Bevor wir ins Geschäft kommen, will sich Paul allerdings erst einmal über unsere aktuellen Konditionen beim Konkurrenz-Provider schlau machen. Nach fünf Minuten Wort-Ping-Pong gratuliert mir Eircom-Paul zu unserem Vertrag, der sei wirklich cool: “Du hast das Beste, was Du derzeit bekommen kannst, wir haben da nichts Besseres für Dich.” Schade eigentlich — mir wird wieder einmal klar, warum manche Iren gerne als Ankündigungs-Weltmeister beschrieben werden.

Mein irischer Sonntag: Zoom-verstärkter Blick aus dem Fenster.

Mein irischer Sonntag: Zoom-verstärkter Blick aus dem Fenster.

Wenn es Probleme mit der Wasserversorgung gibt, ist Mike der richtige Mann. Mike lacht gerne und viel. Manchmal weiß man nicht genau worüber. Mike wartet unseren Tiefbrunnen und die mittlerweile betagte Wasserpumpe auf sparsamste Weise. Seit einiger Zeit bereitet uns niedergeschlagenes oxidiertes Mangan in den Leitungen Kopfzerbechen. Unserer besorgte Frage, wie das Problem zu lösen sei, entgegnet Mike mit einem langen Lachen und dem vielsagenden Satz: “Woher soll ich das wissen?” , nur um nachzuschieben: “Das weiß ich genauso wenig wie Du”. Ich deute Mike an, dass ich ihn doch anrufe, weil er der Experte ist und mehr Erfahrung hat mit derlei Erscheinungen. Doch das lässt er nicht gelten. Der Tiefbrunnen sei nichts anderes als ein tiefes Loch im Boden, in dem Wasser zusammenläuft. Reinschauen könne da im Moment keiner von uns beiden. Stimmt irgendwie.

Mike macht sich also an die Arbeit und fragt im entscheidenden Moment, wie er die Reparatur denn nun angehen soll: Mit oder ohne (mehr Erfolg versprechendes) Risiko? Mein Hinweis, er sei der Experte, kontert Mike locker: “Aber es ist Deine Pumpe.” Nun denn, wir haben es zusammen ausgewürfelt, dabei noch viel gelacht und siehe: Das Ergebnis ist gut.

Irlandnews.comWir leben so tief in der irischen Pampa, dass uns der Anschluss an eine zentrale Wasserversorgung in diesem Leben wohl nicht gegönnt ist, manche sagen auch: nicht droht. Denn viele Iren stehen gerade mal wieder auf den Zinnen und wüten gegen die nächsten neuen Gebühren, die es im kontinentalen Europa seit Generationen gibt und die dort niemand ernsthaft in frage stellen würde: Die Water Tax wird eingeführt. Die Wassergebühren kommen. Bislang zahlen nur wenige Iren in städtischen Gebieten für die Wassserversorgung. Das soll sich nun — auch auf Druck der EU – ändern. Die neu formierte zentrale Wasserbehörde Irish Water hat gerade jeden erreichbaren Haushalt mit einem Aufnahmeantrag beglückt. Bis Ende Oktober sollen Mary und Paudy nun schon mal ihre Kontoverbindung durchgeben, damit ab anfang 2015 die ersten Wassergebühren abgebucht werden können. Die Rede ist von 278 € pro Jahr für einen Zweipersonenhaushalt oder einen Familienhaushalt mit zwei Kindern.

Das Protestgeschrei im Land gegen die Wassersteuer nimmt jedenfalls nicht ab: Nach drastischen Steuererhöhungen und der Einführung der Haus-Steuer (Household Charge) wehren sich viele Insulaner gegen weitere Abgaben und Belastungen — und das bisweilen mit kruden Argumenten: Warum für Wasser bezahlen, Wasser gebe es in Irland doch im Überfluss. Es werde kostenlos aus dem Himmel geliefert. Warum also bezahlen? Tatsächlich befindet sich die öffentliche Wasserversorgung in einem desolaten Zustand. Rohre und Überlandleitungen sind vielerorts leck, die Wasserversorung von eine Drittel der im Großraum Dublin lebenden Menschen ist latent bedroht und Wasserknappheit am Wasserhahn ein vertrautes Massenphänomen in diesem regenreichen Land. Nachbar Pat jedenfalls zeigte mir schon einmal die Richtung, in die sein Antrag auf Wassergebühren wandern wird: in die Mülltonne. Er sei die Tinte zum Ausfüllen nicht wert. Pat hat gut reden: Er wird wie wir so schnell nicht in den Genuss von “Irish Water” kommen und wird deshalb auch nicht zu Kasse gebeten. Wir bezahlen jedoch genug für die Instandhaltung unserer eigenen Brunnen. Und für Mike.

Und wie ist das Wetter in Irland? Prima. prima. Etwas mehr Regen jetzt als noch vor Tagen, etwas kühler, aber immer noch klasse. Mit den Worten von Nachbar John: “June, July, August, September —  four phantastic months in a row. Unbelievable”.  Und der Mai war auch ganz ordentlich. Nicht zu glauben. Aber der Blick nach vorne lässt John erschaudern: “Junge, Junge, dafür werden wir kräftig büßen müssen, und das sehr bald schon. Darauf kannst du Dich verlassen.” Oh Boy, da genießen wir doch diesen windstillen blau-grau-anthrazitfarbenen Sonntag umso mehr!

Ein schönes Rest-Wochenende wünscht der Wanderer.