Virginia Show Irland

Irischer Sonntag. Es regnet ein Gemisch aus Bindfäden und Schneeflocken. Heute bleibt man auf Anraten der Metereologen besser unterm Dach. Mir geht der Satz einer deutschen Vertrauten durch den Kopf. In Irland müsse man als Dicke keine Komplexe entwickeln, hier seien ja alle Frauen dick. Ich ergänze: Den Männern geht es genau so. Fast. Es gibt auch noch Ausnahmen. Allerdings zählt das einst hagere Völkchen der Irinnen und Iren nach zwei fetten Wohlstands-Jahrzehnten und dem Einzug des Fast Foods zu den beleibtesten in Europa und der Welt. In 15 Jahren, so prognostiziert die World Health Organisation (WHO), wird über die Hälfte aller Erwachsenen auf der Insel nicht nur dick sondern im klinischen Sinne fettleibig sein. Die Misserfolgsformel lautet: Fleisch, Fleisch, tierisches Fett und Berge von Zucker.

Ökologischer Fußabdruck. Vergangene Woche berichtete ich hier auf Irlandndews über die ungelösten Müllprobleme Irlands. Die Müllabfuhr funktioniert nich richtig, allzu viele Menschen verbrennen und verbuddeln ihre Abfälle oder werfen sie ins Meer und in den Straßengraben. Tendenz steigend. Mit-Leser Dieter empfand diese Darstellung als zu einseitig und wies darauf hin, dass Irland als eines der wenigen Länder weltweit eine Abgabe auf Plastiktüten erhebt. Das stimmt. Die Benutzung von Plastiktüten hat sich dadurch drastisch reduzieren lassen. Es geht, wenn der politische Wille stark genug ist. Dennoch hat Irland ein gravierendes Problem mit Plastik: Die meisten Getränke kommen in Plastik oder Alu-Dosen, und es gibt noch nicht einmal ein rudimentäres Pfand-System. Hauptverursacher der Treibhausgase aber sind nicht etwa Mary und Paddy und auch nicht die Autofahrer. Es ist die Landwirtschaft. Fünf Millionen irische Fleisch-Rinder und 1,2 Millionen Milchkühe fordern ihren Tribut. Die Produzenten von Irish Beef und Kerrygold-Butter haben großen Anteil daran, dass die für den Klimawandel verantwortlichen Treibhausgas-Emissionen Irlands um 45 Prozent über dem EU-Durchschnitt liegen. Tendenz ungebremst steigend.

Irland Rinder

Meat is Madness: John Gibbons  stellt die beiden Phänomene Fettleibigkeit und Klimawandel in der Irish Times vom Wochenende in einen logischen Zusammenhang: Fleisch ist Wahnsinn: Warum unser Fleischkonsum zu Erderwärmung und Fettleibigkeit führt. Die Debatte um den westlichen Ernährungsstil und den exzessiven Konsum von Fleisch hat auch Irland erreicht, und das ist wichtig. Denn dieser Lebensstil tötet Jahr für Jahr viele Millionen Menschen weltweit. Wir verharren derzeit in Angststarre vor dem Terrorismus in Europa und sorgen uns um unser Leben, dabei liegt unser Hauptfeind direkt vor uns — zuerst im Einkaufskorb und dann auf dem Teller. So zynisch es klingt: Die Gefahr, durch einen Terroranschlag ums Leben zu kommen,  ist einhunderttausend mal geringer, als das Risiko, das vom Terror der globalen Fleisch-Industrie und von unserem Mittagessen ausgeht.

Selbst die konservative WHO mahnt längst: Wenn sich die Menschen nur an die empfohlenen Fleischmengen halten würden (Faustregel: Machs wie damals Oma und Opa), ließen sich pro Jahr sieben Millionen (!) Leben retten. Würden sie auf eine vegetarische Ernährung umsteigen — was für das friedliche Überleben von künftig neun Milliarden Menschen auf der Erde existentiell sein wird – könnten drängende und sich dramatisch zuspitzende Probleme befriedigend gelöst werden: Die Klima-Katastrophe aufgrund der globalen Erwärmung ließe sich mildern, der Hunger von Milliarden Menschen ließe sich vermeiden, das unsägliche Leid der auf Fleischmasse reduzierten und entwürdigten Tiere würde aufhören — und wir Menschen könnten wieder ein Stück friedlicher und menschlicher werden. Doch die Debatte über unsere Ernährung ist hitzig und emotional aufgeladen: Wer lässt sich schon gerne “sein Fleisch” nehmen? So weit kann Tierliebe im tierlieben Westen nun wirklich nicht gehen. Ist ja schließlich nicht die Lende von Lumpi, sondern nur ein abstraktes Stück totes Tier aus dem Supermarkt . . .

Wer dennoch darüber lesen und nachdenken will: Der Arzt, Autor und Querdenker Rüdiger Dahlke hat ein wichtiges und leicht verständliches Buch zum Thema geschrieben, in dem er die Zusammenhänge zwischen Mensch, Tier und Welt, zwischen Krieg und Frieden, zwischen Leben und Sterben aufzeigt. Meine Lektüre-Empfehlung für dieses Frühjahr:  Rüdiger Dahlke – Peace Food.

Zu weniger Ernstem: Wir leben ganz weit vom Schuss im wilden Südwesten Irlands, dort, wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen könnten. Trotzdem müssen wir nicht weit fahren, um erstklassige Gigs und Live-Konzerte zu erleben. Irlands Musiker bleiben unprätentiös und touren auch heute noch gerne über die Dörfer. Schade nur, dass das nicht immer von einem zahlenstarken Publikum honoriert wird. Wir erlebten schon Luka Bloom vor einem 17-köpfigen Publikum. Auf dem Kontinent zieht Luka regelmäßig hunderte, wenn nicht tausende Fans in die Konzerte.

Paddy Casey

Paddy Casey Live in Bantry

Gestern nun Paddy Casey Live im Maritime Hotel in Bantry: Die Veranstalter hatten die großen runden Tische mit weißem Tuch im Ballroom stehen lassen, damit sich das Publikum in der Weite des Saales nicht verlor — und so staunte Paddy nicht schlecht, als er vor eine Kulisse trat, die eher einem Ballsaal der einsamen Herzen glich als einem Live-Publikum.  Paddy Casey kam aus dem Staunen dennoch schnell heraus und nach spätestens drei Songs hatte er die 150 Zuhörer in seinem Bann. Nach der Pause gab Paddy die Rampensau, und bald tanzte der ganze Saal zu Saints and Sinners und Addicted to Company. Well done, Paddy & Fiona. Danke für eine schöne und unterhaltsame Nacht!

In diesem Sinne einen schönen Sonntag!