40 Millionen Amerikaner sind eigentlich Iren – zumindest nach ihrem eigenen Verständnis. Sie berufen sich auf irische Wurzeln aufgrund ihrer Abstammung oder aufgrund einer Heirats-Entscheidung: Irisch durch Blutsbande, Irisch durch Heirat? Das ist bekannt. Der neue Trend, auf den Irlands Premierminister Kenny während des Obama-Besuchs in dieser Woche hingewiesen hat, macht das Irischsein viel leichter: Irisch durch Wahl, oder “Irish by Desire“: Die neuen Wunsch-Iren, es werden zig-Millionen werden.

Einer von Ihnen ist übrigens Barack Obama selber: Er hat sich am Montag zu seinen irischen Wurzeln bekannt und wird daraus politisch viel süßen Nektar saugen: Dass seine “Irishness” rein genetisch bei unter fünf Prozent liegt interessiert da niemanden – zumindest in Europa nicht. Es ist sympathisch, dass heute endlich auch ein Schwarzer für sich entscheiden kann, Ire zu werden. So wie es Millionen Weiße vor ihm getan haben, so wie es auch viele Deutsche Jahr für Jahr tun, die bald irischer als die Iren werden. Woody Allen´s Zelig lässt grüßen.

Barack Obama ist ein kühner Vorreiter der  “Irish by Desire”-Bewegung. Es sind nich tmehr die Blutsbande, es ist nicht mehr die Abstammung, die uns wichtige Entscheidungen im Leben vorgeben und sie uns damit nehmen. Wir haben die Wahl, selber zu entscheiden, wer und was wir sein wollen. Das ist das Privileg unserer Generation.

Zwei Fragen sind in diesem Zusammenhang besonders spannend:

1. Wenn ein schwarzer US-Präsident bei der überwältigenden Mehrheit der irischen Bevölkerung als Ire durchgeht – wird diese Gunst auch dem Immigranten aus Ghana oder der Immigrantin aus Kenia gewährt? Ist Irland für die aufscheinende Ära des Post-Rassismus bereit? Gestern abend bei einer Schulmesse in Bantry, West Cork, spendete das Publikum den meisten Beifall des Abends einer jungen schwarzen Frau – für einen wundervollen Liedvortrag. War es der Applaus, den das weiße Europa schwarzen Künstlern schon lange gerne zubilligt? Oder drückte der Applaus mehr Akzeptanz, nämlich völlige Akzeptanz aus? Einverstandensein mit einem nicht-rassistischen Konzept von der Welt? Schön wäre es. Es wäre schön.

2. Was ist eigentlich so attraktiv daran, Irisch, Irish oder Ire zu sein, dass sich zig Millionen Menschen weltweit dazu bekennen? Soll am irischen Wesen einmal die Welt genesen? Sind wir nicht alle ein bisschen Irisch?

Wisst Ihr es? Verfolgen wir jedenfalls den neuen Trend sorgfältig: Wir sind Wunsch-Ire und Wunsch-Irin. Übrigens: Der Erwerb der irischen Staatsbürgerschaft kostet derzeit knapp 1000 Euro pro Kopf – und die Spielregeln dafür schließen Schwarze weitgehend aus. Mal sehen, wie sich Konditionen und Preise unter dem Druck der Wünsche und Begehrlichkeiten entwickeln.