5. Juni 2020. Freitag.
Irland öffnet früher und schneller. Irlands Regierung macht Tempo. Premierminister Leo Varadkar gab heute den neuen Fahrplan zur Öffnung des Landes bekannt und machte seinen Landleuten ein wenig Hoffnung auf Sommerurlaub – auch im Ausland: „Der Sommer ist noch nicht verloren“.
Das geht ab Montag, 8. Juni: Der fünfstufige Fahrplan zur Wiedereröffnung Irlands wird auf vier Stufen verkürzt: Ab dem kommenden Montag, dem 8. Juni, dürfen wir hier wieder im gesamten eigenen County unterwegs sein, oder 20 Kilometer von der eigenen Wohnung, sofern wir in eine benachbarte Grafschaft fahren. Die Exkursionen im Frei-Gehege der Fünf-Kilometer-Zone gehen allmählich zu Ende. Am 29. Juni werden die Reisebeschränkungen im Land komplett aufgehoben. Viele Menschen können an ihre Arbeitslätze zurück kehren. Dennoch fordert die Regierung die Unternehmen dazu auf, die Beschäftigten wo immer möglich weiterhin im Heimbüro arbeiten zu lassen.

Irland in den Zeiten von Corona. Wir leben auf dem Land in Irlands äußerstem Südwesten, in einer Streusiedlung am westlichen Rand Europas, direkt am Atlantik. Auch in dieser einsamen, abgelegenen Gegend wurde das Lebenin den vergangenen drei Monaten vom neuartigen Coronavirus beherrscht. Wir, Eliane [e] und Markus [m], führen ein gemeinsames öffentliches Tagebuch über unser Leben in Irland in Zeiten von Corona. Heute schreibt Markus . . .
Am 8. Juni können die meisten Einzelhandels-Geschäfte wieder öffnen, auch die Shopping Malls (ab 15. Juni) und Ikea werden öffnen – teilweise mit flexiblen und für alte Menschen reservierte Öffnungszeiten. Spielplätze, Büchereien, Summer Camps und Märkte werden ebenfalls wieder öffnen dürfen. An Beerdigungen können wieder bis zu 25 Personen teil nehmen.
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Das geht ab dem 29. Juni: Drei Wochen früher als geplant können am 29. Juni die Hotels, Restaurants, Hostels, Campingplätze, Kirchen, Galerien und Museen wieder öffnen. Auch Pubs und Bars dürfen wohl ab dem 29. Juni wieder aufmachen, sofern sie eine Restaurant-Lizenz haben sowieso, ohne aber wohl auch, wenn sie das Setting im Barraum ändern. Ein normaler Pub-Betrieb am Tresen wird vorerst nicht möglich sein. Die Regierung will in der kommenden Woche detaillierte Bestimmungen herausgeben, unter welchen Voraussetzungen die Pubs früher öffnen dürfen.
Der nächste wichtige Termin ist der 18. Juni. Dann wird die Regierung die Corona-Lage erneut analysieren und ihre Schlüsse ziehen. Dann wird möglicherweise auch über das große Haupt-Hindernis für Reisen nach Irland (und für Auslands-Ferien von Irinnen und Iren) neu nachgedacht. Bislang gilt bis auf Weiteres: Wer nach Irland aus dem Ausland einreist oder nach Irland an seinen Wohnort zurück kehrt, muss sich zwei Wochen in Isolation begeben und den Behörden seinen Aufenthaltsort mitteilen. Isolation bedeutet nach den Richtlinien des irischen Gesundheitsdienstes HSE, in der Wohnung zu bleiben und jeden Kontakt mit anderen Menschen zu vermeiden.
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Schade! Der Physio-Therapeut an der Ecke in unserer kleinen Stadt, der das Leid und das Leiden von vielen Menschen mit seinen geübten Händen lindern könnte, muss weiter Däumchen drehen. Auch die 15 Friseure im Städtchen werden wohl noch bis zum 20. Juli untätig zuschauen müssen. Immerhin macht der Zahnarzt eine Querstraße weiter wieder erste schüchterne Bohr-Versuche. Ich war diese Woche dort, nach einer viertelstündigen, sehr behutsamen telefonischen Einweisung in die neuen Verhaltensprozeduren.
Ja, es war auch witzig: Barry, der Zahnarzt sah aus wie eine Mischung aus Metzger und Astronaut. Ich war der einzige Kunde in der Praxis, durchlief vor dem Zutritt zum Meister der Bohrer eine Prozedur aus Unterrichtung, Desinfektion, Fiebermessen. Maske-an- und Schuhe-Ausziehen. Fair Play to Barry: Er zauberte trotz Maske, Schild, Mundnasenschutz, Brille und Schürze. Er ist während der Behandlung weder rot angelaufen noch erstickt. Tapfer. Hard Times for the Dentist . . .
Caroline, die Sprechstundenhilfe, sah in ihrem Ganzkörperschutz aus wie die Leiterin eines ABC-Kommandos, abkommandiert in das Innere der Dentisterei. Ich fragte sie, wo ihr Raumschiff parke. Wir lachten herzlich zusammen. Befreiend.
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Die Straßen im Städtchen sind weiterhin fast menschenleer. Nur wenige Geschäfte haben geöffnet. Pubs und Restaurants sind geschlossen. Der tiefblaue Himmel weint wohl heimlich. Auf der Straße begegne ich vor allem Nicht-Einheimischen. Die irische Regierung hat den Menschen auf der Insel die härtesten Maßnahmen in Europa gegen das Virus verordnet. Die Bevölkerung unterstützt den Kurs weiterhin tapfer, während sich der Verkehr auf den Straßen den Zeiten vor Corona minus Touristen deutlich annähert. Wer kann, sucht seine kleine Freiheit . . .
Sind die Iren und ihre Regierung nun besonders klug, überlegt, behutsam und gelassen in der Krise? Oder agieren sie in der Krise besonders ängstlich, zögerlich und angstgetrieben, abgergläubisch und uninformiert? Es ist wohl eine Mischung aus allem – und das Handeln der Regierung letztendlich ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Befindlichkeiten.
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Die Aufarbeitung beginnt. In den Medien und in der öffentlichen Diskussion löst sich allmählich die monatelange Gehorsamkeits-Starre. Die Analyse und Aufarbeitung des Lockdowns hat begonnen. Irland hat vergleichsweise mehr Corona-Tote zu verschmerzen als viele andere Ländern Europas. Rund die Hälfte aller Opfer starben in Alten- und Pflegeheimen.
Klar, es wurden Fehler gemacht, es wurde am Anfang zu langsam reagiert: Eine Abordnung der irischen Society reiste Mitte März noch nach Cheltenham zu den Pferderennen und brachte aus England reichlich ansteckende Virenladung mit zurück – und allzu lange wurden Flüge aus den Corona-Hotspots nach Irland geduldet. Das Six Nations Rugby-Spiel Irland gegen in Italien, das am 7. März, stattfinden sollte, wurde zwar abgesagt, viele italienische Fans flogen trotzdem nach Dublin und feierten dort ein paar Tage lang.
Insgesamt aber sind Bevölkerung, Mediziner und Politiker mit dem Erreichten zufrieden: Die irische Bevölkerung hat mit den gemeinsamen Anstrengungen, dem solidarischen Kraftakt eines fast drei Monate langen Verzichts das wichtigste Ziel erreicht: Das Gesundheitssystem hielt der Belastung stand und kollabierte nicht, wie lange befürchtet worden war. Und die Zahl der Infizierten, Kranken und Toten geht kontinuierlich zurück. Viele sehen nun Licht am Ende des Tunnels . . .
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Keine Lockerung für Gorilla und Nashorn. Diese Woche hat auch der Zoo von Dublin nach drei Monaten Pause seine Eingangstore für Besucher wieder aufgesperrt. Aus dem Zoo-Inneren hört man keine Begeisterung. Elefanten, Zebras, Schimpansen und Giraffen halten sich mit Kommentaren traditionell zurück. Die dauer-angestarrten Kreaturen haben den Lockdown auf ihre Weise genossen. Fürs Erste werden zur Wiedereingewöhnung 1000 Menschen pro Tag zum Anschauen herein gelassen. Die Reisebeschränkungen für Nashorn und Gorilla werden nicht gelockert . . .
Foto: Markus Bäuchle
Dann hoffen wir mal auf den 18.Juni….habe unseren Urlaub für September noch nicht gestrichen…
aber solange noch 2 Wochen Quarantäne Pflicht sind bei Einreise , braucht man nicht hin….leider. Alles andere nehmen wir gerne in kauf…wie Abstands Regel , Mundschutz ect.
Brauchen unbedingt unsere Dosis Irland für dieses Jahr….
Die Sendung Skellig Michael und Bend of Boyne
Die absolute Wucht – danke für das Fernsehprogramm
Unsere Reise nach Irland ?? Anfang Juli ist abgesagt-
jetzt fahren wir notgedrungen an den Bodensee-
darf nicht dran denken -hab so Heimweh nach
meinem Irland
Seit 1965 jedes Jahr Irland
Passt auf alles auf – all the best
Erika
Hallo Markus und Team,
herzlichen Dank für einen wiederum äußerst gelungenen und erfrischenden Beitrag in verschiedenerlei Hinsicht.
Die News der irischen Regierung machen Hoffnung für alle Einheimischen, aber so langsam auch für diejenigen , die gern wieder auf die Grüne Insel reisen möchten, wenn dann auch sicher unter gesonderten Voraussetzungen. Man kann schon den Hut davor ziehen, wie geduldig die irische Bevölkerung diese Maßnahmen über Wochen befolgt und größtenteils wohl auch akzeptiert.
Wenn man dann sieht, wie ein gewisser Teil an Menschen in Deutschland mit ihrer Besserwisserei und einer scheinbar ewigen Getriebenheit nicht die Füße still halten konnte und weiterhin meint, generell immer gegen etwa sein zu müssen, auch wenn man darüber wenig bis gar keine Kenntnis hat, macht einen mehr als nachdenklich.
Deine toller Stil zu schreiben hat mir, der öfters über Land und Leute in Norwegen schreibt und berichtet, schon sehr oft inspirierenden Input gegeben. Weiter so und vielleicht können wir uns ja einmal treffen, wenn wir wieder im Lande sind. So wie den hohen Norden, haben wir auch Irland seit mittlerweile 28 Jahren ganz tief in unser Herz geschlossen.
Herzliche Grüße aus Berlin
Monika & Andreas Laue