Irland Müll

Irland und der Müll – das ist eine komplizierte Geschichte. Ein Drama mit Hang zur Tragödie. Eine traurige Geschichte.

Irland und der Müll. Auto-Wracks in den Bergen und Büschen, auf Feldern und in Hinterhöfen – das gehörte hier in Irland bis vor wenigen Jahren zur Folklore. So war das eben — und es ist noch immer nichts grundsätzlich anders. Noch immer finden wir an den interessantesten Orten ausgediente Karossen, die von ihren Eigentümern im Mülleimer Landschaft (für die Verursacher) preiswert entsorgt wurden.

Erinnern Sie sich an die 60-er Jahre in Deutschland? Es war ein wenig ähnlich. Wilde Müllkippen waren in der Vor-Plastik-Ära auch in unseren Gefilden keine Seltenheit. Und immerhin bemühen sich die irischen Lokalbehörden, die wild geparkten Wracks einzusammeln. Das Cork County Council etwa rühmt sich, in den vergangenen zehn Jahren viele hunderte Auto-Kadaver abgeräumt und verschrottet zu haben. Es tut sich also was.

Irland und der Müll – das ist eine komplizierte Geschichte. Ein Drama mit Hang zur Tragödie. Eine traurige Geschichte. Zwar bietet das Land jede Menge schöner unverbrauchter Landschaft, doch diese lädt zahlreiche Zeitgenossen ein, ihr seine Abfälle gedankenlos anzuvertrauen. Müllsäcke landen im Meer, in Straßengräben, im Wald. Müll wird weiterhin vergraben, verbrannt und in alle Himmelsrichtungen verstreut. In den Tagen vor der obszönen Ära des großen Massenkonsums gab es dieses Verhalten zwar auch schon. Es war allerdings angesichts der geringen Müllmengen mit hohem organischen Anteil kein großes Problem.

Muelltonne in IrlandNoch immer gibt es auf der Insel keine Pflicht zur Mülltonne. Das würden die ohnehin unter subjektiv wahrgenommenem Bevormundungs-Stress leidenden Inselbürger nach Einführung von Wassergebühren und Haussteuer wohl nicht auch noch verkraften. Immerhin, so vermute ich, könnten die Behörden aufgrund der jüngsten Daten-Initiativen (Erfassung aller Häuser zur Besteuerung, Einführung der Postleitzahlen) mittlerweile halbwegs zuverlässig jedem Hauseigentümer einen Bescheid zur Pflicht-Teilnahme an der Müllabfuhr zuzustellen – doch das würde wohl wieder Wähler ohne Ende verprellen.

So unterhält bis heute vor allem auf dem Land nur ein Teil der Bevölkerung eine Mülltonne der öffentlichen Müllentsorgung – wer sich einmal in den Hinterhöfen mancher Farmen umgesehen hat, kann sich ein Bild machen. Der Rest bringt seine Abfälle im besten Fall selber zu einer Sammelstelle, im weniger günstigen Fall betreibt er ein privates Müll-Loch oder setzt auf thermische Entsorgung in Eigenregie.

Die Behörden überschätzen sich dabei regelmäßig selber. Früh in den 2000-er Jahren führte das Cork County Council ein super-modernes Müllsystem ein: Gerade noch hatten die Menschen sich daran gewöhnt, die schwarzen Müllsäcke regelmäßig zur Abholung an den Straßenrand zu legen, da trumpfte die Verwaltung mit einem Abrechnungsmodus nach Verursacherprinzip auf: Sie hatte Tonne eingeführt und bat die Teilnehmer der Müllabfuhr nun um exakt gemessene Abrechnung per Kilo abgegebenem Müll.

Es endete im Debakel: Von den wenigen Tonnen-Inhabern verabschiedete sich ein Großteil von der Müllabfuhr und kehrte zu traditionellen Formen der Müllabfuhr zurück. Die County-Müllabfuhr ging pleite – weil kaum jemand teil nahm und das Council obendrein unfähig war, von den wenigen Gutwilligen die offenen Rechnungen einzutreiben.

Pay per Weight – das Bezahlen nach Gewicht wurde rasch abgemildert, eine private Müll-Firma übernahm das Geschäft. Nun kommt die nächste Welle: Die Regierung in Dublin hat per Gesetz verfügt, dass alle Müll-Entsorger ab dem 1. Juli nicht nur den Restmüll, sondern auch die organischen Abfälle und den Recycling-Müll kiloweise abrechnen und den Kunden in Rechnung stellen müssen . . .

Schon brodelt die Volksseele wieder und an den Tresen im Pub wird die Richtung vorgegeben. Sie führt eindeutig Richtung Hinterhof, Strand und Straßengraben. Tenor des Volkszorns: Ich bin doch nicht blöd . . .

Irland und der Müll . . .

 

Fotos: Markus Bäuchle