:: Wenn man Iren nach den drei Dingen fragt, die sie an Irland am wenigsten mögen, sagen viele: „Das Wetter, das Wetter und das Wetter“. Differenziertere Meinungen nennen das schlechte Gesundheitssystem auf Dritte-Welt-Niveau, das Rauchverbot in den Pubs oder die Zunahme der Aloholkontrollen auf den Straßen, und nationalistischen Dumpfbacken fallen die Engländer, die Polen und die Chinesen ein.
:: Schaut man sich an, was auf der Insel lebende Deutsche an Irland nicht mögen, dann hängst dies sehr vom Hintergrund der Einwanderer ab: Sind sie integriert, bis zur Unkenntlichkeit assimiliert, oder nehmen sie den Logenplatz des mit dem Opernglas zuschauenden Meckerers ein? Letztere Spezies scheint vor allem ein Probem mit den Iren zu haben. Diese komischen Eingeborenen mit ihrem eigenartigen Verhalten wollen dem – in der Fremde oft vollends ausgeprägten – teutonischen Perfektionszwang einfach nicht genügen.
:: In der Sprache der heiß verachteten Banker würde der Wanderer Irland und den Iren auch nach zehn Jahren Intensiv-Erfahrung durchaus das Rating AA++ geben. Was er an Irland mag, hat er vor kurzem hier beschrieben – nun, der Vollständigkeit halber auch ein paar Erscheinungen, die in und an Irland nerven, nicht gefallen, stinken oder gar weh tun.
1. Die Abwesenheit schneller Breitbandleitungen: Auf dem Land sind viele Menschen Opfer der versagenden Infrastrukturpolitik. In den Hitlisten zur Broadband-Infrastruktur weltweit findet man Irland im Dunkel der hinteren Ränge. Während andernorts 100Mbpsschnelle Internet-Leitungen freigeschaltet werden, zählen wir mit schlappen 2Mbps (zu Spitzenzeiten…) zum privilegierten irischen Internet-Landadel. WWW ist hier noch immer World Wide Wait, von IP-Fernsehen und anderen Späßchen gar nicht zu reden. Um Einwänden gleich die Spitze zu nehmen: Ja, wir wissen, dass in Dublin alles besser ist. nur: Was nützt uns und zwei Millionen Iren das?
2. Der Dung des Celtic Tigers: Der Tiger ist tot, sein Gestank aber nicht verflogen. Tausende leer stehenden Häuser, die im kollektiven Rausch planlos über das Land gesch… wurden. Damit einhergehend die Verantwortlichen für die Sause, die offensichtlich alle völlig ungeschoren davon kommen („Ein globales Problem – nicht in Irland gemacht“ – hoho).
3. Die Privatisierung des Landes: Ein öffentliches Wegenetz abseits der Straßen zum ungestörten Wandern, Flanieren, Spazieren gibt es nur in Ansätzen. Zudem verbirgt sich Irland mehr und mehr hinter geschlossenen Toren und „Zutritt-Verboten“-Schildern. Privatisiertes Land verstellt vielerorts den Zugang zur wunderschönen Landschaft: Etwa am Old Head of Kinsale, wo arrogante Golfplatz-Heinis der Bevölkerung uralte Wegerechte einfach gestohlen haben und damit bei den Behörden auch noch durchkommen. (Irland braucht einen Hüter der öffentlichen Wegerechte. Vorbild kann der National Trust in Großbritannien sein.)
4. Arschgeweihe vor MacDonalds: Der Fast-Food-Lebensstil in Irland manifestiert sich in hässlichen Anblicken: fette Männer, fette Frauen, fette Kinder – fette Mädchen, die ihre aus dem Hosenbund quellenden Speckhüften und das Arschgeweih-Tatoo am verlängerten Rücken ohnen einen Hauch von Peinlichkeit in „bauchfreien“ Klamotten präsentieren.
5. Die imitierten US-Exzesse: Die Insel gilt als das amerikanischte Land Europas, die meisten Iren pflegen enge Verwandschaftsbeziehungen in den USA, für viele bleibt es das gelobte Land. Amerikanischer Lifestyle wird deshalb geliebt und vergöttert. Ohne in abgrundtiefen Anti-Amerikanismus zu verfallen: Wir verabscheuen die riesigen Shopping-Malls, die riesigen SUV-CO2-Schleudern auf den Straßen, die Unterwerfung des öffentlichen Raumes unter das alleinige Diktat des Autos, die Fast-Food-Ketten und die Fast-Food-Fetten (siehe 4) sowie die erbärmlich wimmernde Country-Musik, die in manchen Pubs die irische Musik verdrängt hat.
Teil 2 der Hitliste folgt. Was sind Eure „Dinge, die Ihr in Irland nicht mögt“?“
Nun, das mit der Breitbandversorgung sehe ich etwas anders: Manch ein Deutschbürger in bayern (oder anderswo im ländlichen Raum) wäre froh, überhaupt so etwas wie DSL zu bekommen. Die derzeitigen Bestrebungen, flächendeckend (DSL, UMTS/HSPA) "Broadband" bereitzustellen ist etwas, was in D durch die Privatisierung nicht läuft…
Preise: Auch das Essen wird billiger, die Supermärkte sowieso (wie sagt Tesco? "Every LIDL helps")…
Nervig, aber Bestandteil des Charakters der Insel: Geschäftspartner (Handwerker), die keine Zusagen einhalten, schön dabei: Irgendwie wird dann, wenns eng wird doch so improvisiert, dass am Ende alles stimmt.
Autofahrer, die das letzte aus den Strassen herausholen (und in DONEGAL von der Strassenbeschilderung, die generell auf Hauptstrassen 100 km/h vorschreibt, und auf Nebenstrassen, fast Feldwegen, 80 km/h… noch bestärkt werden)
Gesundheitssystem: Warten auf freie Betten, um eine dringende Operation ausführen zu können
Die Unsitte, lauschige Plätze als Müllabladestationen zu nutzen
Offizielle Müll "Recyclingcenter" mit dermaßen hohen Gebühren zu belegen, dass man fast verstehen kann, dass dann doch lieber die o.a. lauschigen Plätze dafür genutzt werden (Pro Ladung Altpapier/Recyclebarer Plastikmüll etc. 10€, Möbel pro Stück 20€…)
Frieder
Im Grunde weichen meine Negativpunkte nicht von deinen ab. Mich nervt, dass es an jedem popeligen Steinkreis ein Visitor Centre gibt, kleinere (Rund-)Wanderrouten für Familien oder Leute, die nicht ganz so gut zu Fuß sind, aber oft nur schwierig ausfindig zu machen sind – sofern so etwas überhaupt existiert. Vielleicht bin ich aber ja auch nur zu blöd, an der richtigen Stelle zu schauen, kann ja auch sein. Jedenfalls verbringen wir in jedem Irland-Urlaub mehr Zeit im Auto als wir eigentlich wollen, weil a) der geplante Ausflug schon nach einer halben Stunde zu Ende ist, da der Weg nicht weitergeht oder nicht mehr zu finden ist oder b) wir erst einmal irgendwo hinfahren müssen, um eine kleine Rundtour zu machen. Einfach so raus aus dem Cottage quer übers Feld führt ja meist auch nicht weit. Oft genug haben wir Routen auch gar nicht erst gefunden, weil sie nicht ausgeschildert waren. Es ist jedenfalls immer irgendwie ein krampfiges Gesuche. Aber wie gesagt, vielleicht liegt es ja an uns.
Grässlich sind die Wohnhäuser mit den riesigen Auffahrten und den scheußlichen Gardinen, die überall aus dem Boden geschossen sind. Die wirken so schrecklich seelenlos und aus der Retorte, dass ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann, wer sich da wohlfühlen soll. Jedenfalls haben sie das Gesicht Irlands sehr zum Nachteil verändert.
Außerdem doof: Preis/Leistung in Pubs und Restaurants. Passiert mir immer wieder, dass ich angesichts der Beschreibungen auf der Speisekarte und der Preise die Portionen für größer halte als sie dann tatsächlich auf den Tisch kommen. Fünfzeiliger Text für kleines Keramikpöttchen mit drei Garnelen zum gesalzenen Preis – Mogelpackung.
Grüße
Tanja
Mich nervt nach wie vor das (nur langsam vor sich hin schleichend besser werdende) Umweltbewusstsein der Iren. Vom Umgang mit Tieren ganz zu schweigen (und ich meine jetzt nicht, das sie so verhaetschelt und vertaetschelt werden sollten, wie oftmals in Deutschland!). Kaum Radwege (ich wuerde ebenso gerne mehr Inlinern), wenn Wander -oder Spazierwege, dann recht selten mit Baenken zum Verweilen und auch Muelleimern ausgestattet. Die Buergersteige nerven mich (da bin ich wohl ziemlich deutsch). Das Verkehrschaos bei 3-5 Flocken Schnee nervt mich (aber ich kann es irgendwie auch verstehen). Das irische Politikverstaendnis/unverstaendnis nervt mich. Und der kulturelle Hang zu den Amis und leider auch zwangslaeufig die kulturelle Praegung der Englaender nerven mich auch – es gibt ein neueres Irland, welches nicht im Chaos und Dreck versumpfen muss, nur hat dieses ironischerweise mit guten und gut durchdachten Investitionen zu tun (und ich sage bewusst nicht, dass ich das Cottage- und Torf-Irland meine, sondern ein Modernes, seine eigene, aber nicht nationalistische, sondern europaeische Identitaet aufbauendes – vor Allem mit einem realistischem GEBEN und nehmenden Blick von vorne anfangendem Irland!). Ich wuerde mir ganz allgemein wuenschen, das sich einige europaeische Laender Anregungen von anderen holen – ganz ohne erhobenem moralischen und besser wissendem Zeigefinger, sondern weil sich einige Dinge (wie z.B. Sozial-, Gesundheits – und Bildungssystem: Beispiel Schweden und Norwegen) ja bereits gut bewaehrt haben und man voneinander lernen koennte/sollte.
Was ich fast vergessen habe: Die noch immer viel zu starke Praesenz der katholischen Kirche finde ich fast ebenso fraglich, wie einige praegnante Punkte, die die Tuerkei noch von ihrem EU-Beitritt trennen (laesst sich der Einfluss der Kirche mit dem in Italien und Spanien vergleichen…ich glaube nicht – wer weiss darueber besser bescheid?).
Schlussendlich nervt mich, die Veraenderung, die seit dem Beginn des Celtic Tiger, durch die Menschen ging: Mommon+ = Werteverfall … darf sich meinetwegen in Zukunft wieder in eine ausgewogenere Richtung entwickeln!
Viele Gruesse
Claudia