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Wildes Irland. Der Weg zu uns und zur Natur. Die einwöchigen Wildnis-Wander-Retreats von Wanderlust führen in die Einsamkeit und Weite der irischen Berge im Südwesten der Insel und vielleicht zu uns selbst. Der nächste Retreat findet vom 1. bis 8. August statt. Sandra Böttcher, die dabei sein wird, hat sich Gedanken gemacht über das Verhältnis von Mensch und Natur.

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Manch einer, der in der Stadt oder Umgebung lebt, kennt das Gefühl, schon viel zu lange dort gewesen zu sein und hat den sehnsuchtsvollen Wunsch, anderes zu sehen als Beton und Asphalt, Geschäftsfassaden und Wohnblöcke. Einfach mal dem Alltagslärm entfliehen, abschalten, neue Energie tanken.

Wenngleich ich naturnah wohne, drängt es mich oft „weiter“ hinaus, auf Erkundungstouren und Streifzüge; um wohltuende Stille aufzusaugen, Hasen und Rehen in freier Wildbahn zu begegnen. Dennoch, seit kurzem ist mir klar geworden: Spaziergänge und Wanderungen in den umliegenden kleinen Wäldern und Landschaften können das Verlangen nach Ruhe, Abgeschiedenheit und ursprünglicher Natur nicht (mehr) stillen.

Eben noch genieße ich ein paar Stunden im nahe gelegenen Wald, lausche dem Knarren gegeneinander schlagender Äste im Wind, dazu ein Gemisch aus Rauschen und Reiben – Blatt an Blatt, Zweig an Zweig. Manchmal hört es sich an, als stimmten die Bäume ein Klagelied an – ich halte inne und lasse das Konzert auf mich wirken. Der Wind lässt wieder etwas nach, es wird friedlich. Mein Blick richtet sich auf das hellgrüne, leuchtende Blätterdach, das unendlich weit in den blauen Himmel ragt.

Abgelenkt werde ich plötzlich, als irgendwo ein Hund bellt, auch durch das Tuckern eines Traktors. In der Ferne dröhnt schweres Gerät bei Baumfäll-Arbeiten, ein kreischendes Geräusch, das durch Mark und Bein geht.

Ich wandere weiter, betrachte das frische Grün der Farne, glitzernde Flechten an den Bäumen und flache, halbrunde braune Pilze, treffe auf Reh und Kitz am Wegesrand. Entlang der Feldkanten wiegen sich junge Maispflanzen auf der einen und Ähren auf der anderen Seite einstimmig im Wind; wie leises Meerestosen hört es sich an. In diesem Moment erinnere ich mich an ein gerade gelesenes Zitat von John Muir:

„Ich ging für einen kleinen Spaziergang hinaus, blieb dann aber bis zum Sonnenuntergang, denn nach draußen zu gehen hieß für mich im Grunde, nach innen zu gehen“.

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Saatkrähen zanken sich hoch oben in der Luft, fliegen Wenden und Haken. Ein Mäusebussard zieht unbeeindruckt davon große Kreise am Himmel und hält nach Bewegungen auf den Feldern Ausschau. So viel Leben ist hier zu Werke!

Allerdings: An dieser Stelle ist die Bahnlinie nicht weit entfernt und prompt wird die bezaubernde Atmosphäre durch das Rattern eines herannahenden Güterzuges unterbrochen.

Trotzig setze ich meinen Weg fort. Ein leichter Wind trägt Vogelstimmen heran, hier und da ein Knistern, Knacken und Rascheln aus dem Laub auf der Strecke. Ein allein gelassenes Rehkitz stakst im Unterholz umher, blickt mich unsicher an, um dann auf einmal im Dickicht zu verschwinden. Es sind kostbare Momente des Tages. Mir wird klar, dass man mit der Natur stärker verwachsen kann, wenn man sich Zeit nimmt und sie intensiv, Tag für Tag, Jahr für Jahr, kennen- und schätzen lernt.

Auf dem Rückweg muss ich eine Landstraße überqueren und schon donnern Motorräder und Autos an mir vorbei, in der Ferne hallt ein Martins-Horn. Gerade noch erlebte Momente verblassen abrupt, ich bin zurück im Zivilisationslärm.

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Fragen kommen auf: Wie weit muss man denn gehen oder fahren, um unberührte und ursprüngliche Natur zu erleben? Wie viele straßenlose und offene Gebiete gibt es in der näheren Umgebung, die einem Rückzug ermöglichen, ohne störende Einflüsse?

Stromlos, still und friedlich – ich stelle mir die Tage in den Bergen während der Wildnis-Woche in Irland vor:

Intensive Natureindrücke registrieren und einen Hauch von Freiheit erleben. Mal die Komfortzone verlassen, sich einmal lossagen von den zahllosen käuflichen Dingen, um die sich unsere ganze Kultur dreht und dort draußen meist bedeutungslos sind. Die Erfahrung der tiefen Verbindung zur Erde und zu mir selbst. Der Natur (einfach) näher kommen, ohne belastende und lärmende Einwirkungen.

„Schönheit finden, stille sein“ (W.H.Murray)

In Irlands Bergen

In Irlands Bergen

:: :: :: Detaillierte Informationen über die Wildnis-Wander-Retreats in Irlands Bergen gibt es hier (klick).

:: :: :: Hier hat sich Markus Bäuchle Gedanken gemacht über das heilungs-bedürftige Verhältnis von Mensch und Natur: Wir sind die Aliens (klick).

Fotos: Sandra Böttcher. Die Fotos zu diesem Beitrag (mit Ausnahme des untersten) hat Sandra auf ihren Wanderungen in Norddeutschland aufgenommen.