NUMMER 6: Wenn Nachbar Stefan anruft, beginnt er das Gespräch gerne mit dem Satz: “Ich komm gleich zur Sache”. Der Hesse Stefan (Foto) ist mit einer Irin verheiratet und in der irischen Community seit bald 25 Jahren bestens integriert. Auch nach einem Viertel Menschenleben im irischen Südwesten freut sich Stefan (er will 100 werden), wenn er ganz schnell auf den Punkt kommen kann. Ganz Deutsch eben. Ganz direkt. Zu direkt für irische Verhältnisse.
“Wie gehts denn so, scheiß Wetter heute und keine Besserung in Sicht, oh Mann ja vielleicht wirds im September besser, nichts für ungut, Jesus, man soll die Hoffnung nicht aufgeben, wie geht es der Familie, sind die Kinder alle auf dem Dampfer, wie sind ihre Prüfungen gelaufen und wie gehts dem Hund und dem Pferd, bist Du mit Deinem Auto zufrieden, ein schönes Teil, unseres war gerade wieder in der Werkstätte, und hast du gehört was der Padraig aus Youghal angestellt hat, in Prime Time habe ich gesehen, wie der Sean dem Noel eins mitgegeben hat, Jesus Christus, und der arme Ciaran ist gestorben, Gott hab in selig, ja ganz gelb war er und seine Bestattung ist am Sonntag und der Rosenkranz morgen und. PUNKT. UND HAST DU DAS GELD, DAS DU MIR SEIT DREI JAHREN SCHULDEST ???”
Deutsche tun sich schwer damit, nicht schnell zur Sache zu kommen und das Thema erst mal viermal ritualisch zu umrunden – mit festen Regeln und wachsweichen Ansagen Tuchfühlung aufzunehmen, bevor endlich Klartext gesprochen wird.
Wir geben zu: Wir können säuseln, wir kennen das Warm-up und wir können es spielen bis zum süßen Auftakt des Wesentlichen. Aber bis heute gilt: Es nervt. Es nervt. ES NERVT. Lass uns endlich das ultimative Gegengift finden, um den anglo-irischen Smalltalk zu Beginn jedes Gesprächs würdevoll und entspannt zu ertragen.
Nummer 7 bis 10:
7. Artikel in irischen Zeitungen: Das Wichtige steht oft am Ende oder zwischen den Zeilen.
8. Die Macht der katholischen Kirche: Ja, sie bröckelt kräftig, und doch ist sie gerade auf dem Land noch allgegenwärtig, reicht weit in die Schulen hinein und prägt die Kinder.
9. Das Fehlen kommunaler Selbstverwaltung: Die irischen Dörfer haben meist keine eigenen Entscheidungsgremien. Sie werden von orts-fernen County Councils regiert und verwaltet. Dadurch läuft vieles schief und vieles gar nicht.
10. Was Blogleser auch schon als nervig bezeichnet haben:

Das fragwürdige Preis-Leistungsverhältnis (gerade wurden die Zahlen für 2007 bekannt – Irland schneidet hinter Dänemark als zweitteuerstes Land in Europa ab, die Preise liegen 43 Prozent über dem europäischen Durchschnitt).
Der sich nur allmählich durchsetzende Bewusstein für Umwelt-, Natur- und Tierschutz.
Die Visitor-Centeritis, die beispielsweise die Cliffs of Moher (The Great Wall of Eire) nicht zu einem schöneren Ort gemacht hat.
Nun aber Schluss mit Nörgeln, es ist nämlich ziemlich aufregend, anregend, positiv und angenehm, hier auf der Insel zu leben.