Wir fragten uns vor Tagen, ob der Crash in Irland auch die Urlauber in Mitleidenschaft zieht, oder ob sie eher davon profitieren? Nicola aus dem Rhein-Main-Gebiet kennt Irland seit 20 Jahren und war gerade drei Wochen in den Counties Cork und Kerry unterwegs. Weil die Kommentarfunktion auf Google-Blogger-Blogs leider immer wieder klemmt, schickte sie Ihre interessanten Beobachtungen per Email. Hier ihr etwas anderer Reisebericht:
“Hallo Wanderer, dann schreib ich – Irland-immer-wieder-Besucherin seit 1989 – doch mal, wie ich in den letzten drei Wochen die Insel erlebt habe (war vom 22.06.-08.07. bei euch). Da ich auch von Deutschland aus ab und zu in die Irish Times schaue und auch Blogs wie deins lese, wusste ich ja, wie stark Irland den Wirtschaftscrash-Bach runter geht. Und ich wartete mit eher beklommener Sorge, welche Veränderungen ich auch als Touristin erleben würde.

Also: insgesamt weniger, als ich gedacht hatte. Das Greifbarste war sicherlich, dass zur Hauptreisezeit kaum mal ein B&B “No vacancies” draußen hängen hatte, in allen Qualitätskategorien waren immer und überall (ich war dieses Jahr in Kerry und Cork unterwegs) Zimmer zu haben. Die Preise für die Zimmer bewegten sich jeweils an der unteren Grenze der im B&B-Führer angegebenen Größenordnung. In einem ganz einfachen B&B habe ich einen single room sogar für 35 €/Nacht bekommen; woanders gab es bei mehreren Nächten hintereinander sogar eine Nacht geschenkt. Und während früher in Dingle Town abends noch richtig was los war, herrschte dieses Mal dort an den hellen Juniabenden eine sehr gepflegte Ruhe auf den Straßen.

Neu war für mich, dass jetzt so ziemlich jeder Pub und jedes Restaurant ein zwei- oder dreigängiges “Early-Bird-Menu” für 20-25 € anbietet, das war vor zwei Jahren noch nicht so. Andererseits war ich von den Socken, wie VIELE Restaurants immer noch völlig gewöhnliche Hauptgerichte zwischen 20 und 30 € anbieten – wer kann sich sowas noch leisten (dazu hab auch ich als Touri keine Lust)? Ich hörte auch im Radio einen Beitrag, bei dem sich Gäste darüber beschwerten, dass eine Flasche Wein im Restaurant immer noch 35 bis 40 € kostet, was sich laut Moderator längst nicht mehr jeder leisten kann. Da steht der Umbruch noch bevor.

Bei meinen Lebensmitteleinkäufen ist mir nicht so viel aufgefallen, auch zu den Stichworten “Platz”, “Lärm”, “Immobilienpreise” habe ich nichts zu bieten. Da und dort in den Innen”städten”/dörfern stehen Geschäfte leer – das gab’s aber auch immer schon mal, da hatte ich nicht das Gefühl, dass das schreiend mehr geworden sei. Auch die Maklerschilder an den Häusern “for sale” fand ich wenn überhaupt nur unwesentlich mehr in der Zahl. Allerdings fragte ich mich bei manchen offensichtlich nur halbfertigen Häusern, ob die wohl jemals fertig gebaut werden? In den Touristenshops gab es schon eine Menge “sales”, aber weil ich nicht immer zur gleichen Jahreszeit in Eire bin, kann ich nicht sagen, ob das nicht auch ziemlich normal ist. Benzin ist schön billig (in Deutschland derzeit zwischen 120 und 130 Cent, in Kerry zwischen 116 und 119), aber das war es im Vergleich schon immer.

Wirklich greifbar wird es in den News, wenn die steigenden Arbeitslosenzahlen verkündet werden. Eine Zahl von einer demnächst zu erwartenden Dole-Quote von 20% ist schon deprimierend, gerade bei der geringen Gesamtbevölkerungszahl des Landes. Und in den Gesprächen mit den Menschen. Teils sind sie deprimiert und sagen: “Gerade hier in der Gegend ist es ganz schlimm” (das war übrigens in Glengarriff!), andere sagen: “Es geht runter, aber bei mir persönlich geht’s noch, es konnte ja nicht so bleiben, ich habe aufgepasst und mir keine Kredite aufgeladen”. Und es gibt auch ein Interesse, wie es denn in Deutschland sei, und ob die car maufacturers schließen müssen usw. Ein verbindendes Mitgefühl habe ich feststellen können und die Hoffnung, dass bald alles wieder besser wird. Aber ich glaube, erst mal geht es noch weiter bergab.

Ein Künstler, der Anfang des Jahres in ein für sein Geschäft sehr günstig gelegenes Haus gezogen ist, traute sich fast nicht zu sagen, dass es ihm jetzt besser geht als in den zehn Jahren zuvor :-)).

Mich persönlich ärgert es, dass all das viele Geld während des Booms in schicke Bauvorhaben gesteckt wurde und nicht zB ins Gesundheitswesen, wo ja nun wirklich ein Bedarf besteht. Dass Krebspatienten viele Monate auf eine wichtige Untersuchung warten müssen, wo doch gerade hier Zeit = Lebenschance ist, halte ich für katastrophal. Diese Dinge sind es, die mir immer wieder klar machen: Irland lieben und besuchen – immer!, in Irland leben – leider nein.

Dir alles Gute, Nicola”


PS: Ergänzend ist mir übrigens noch eingefallen: Die typischen Touristensachen wie Eintritt zu Sehenswürdigkeiten sind noch genauso wie früher, Fährpreise wie z.B. Dunquin-Great Blasket für 25 € finde ich sogar ganz schön happig. Da hätte ich gegen Preissenkungen nichts einzuwenden ;-)))