Der Zugang zum Cumeengadhra-Tal, umgeben von felsigen Gipfeln

Geschichten von der Beara-Halbinsel im Süd-Westen Irlands (Teil 24)

von Peter Bernhardt* 

Heute erzählt Peter Bernhardt die mörderische Geschichte von Cornelius Sullivan Rábach. Sie trug sich vor 200 Jahren in einem der abgelegensten Täler Irlands zu. 

Wer die R571 von Eyeries kommend nach Kenmare fährt, wird bei Lauragh ein kleines Schild entdecken, das auf den „Rábach Walk & Historical Village“ hinweist –  und wer nicht unter Zeitdruck ist und ein paar Stunden ein außergewöhnliches Tal auf der Beara Peninsula kennenlernen will, sollte dem Hinweis folgen. Nach vier Kilometern kommt man zu einem Parkplatz, zahlt ein paar Euros Park- und Zutrittsgebühr und macht sich dann, mit passender Wander-Ausrüstung auf den Weg ins Cummengadhra Tal (englisch: Cummeengeera). Hier begibt sich der Wanderer auf die Spur einer wahren Geschichte, die sich Anfang 1800 abgespielt hat.

Zum alten Dorf geht es 2,5 Kilometer über Stock-und-Stein, ein Weg, den die Bewohner am Ende des Tales einst gegangen sind, ist nicht auszumachen. Das Zehnt-Steuer-Buch des Jahres 1824 verzeichnet für den abgelegenen Ort 29 Personen, unter anderem einen Mann Namens Daniel Sullivan Rábach*, Pächter einiger Acres in diesem Tal. Diese Rábach-Familie teilte sich das Land mit einer anderen Sullivan-Familie mit dem Spitznamen Caoch. Es waren wohl Bruder und Schwester.

Eines Abends vor gut 200 Jahren kam ein Mann zum Haus der Rábachs und bat darum, bei ihnen übernachten zu dürfen. Die Familie war sich einig, es müsse sich um einen Seemann handeln, der offensichtlich auf der Flucht von einem britischen Schiff war, das im Hafen von Castletownbere ankerte. Und man vermutete, daß er Geld bei sich haben müßte – viel Geld.

Das alte Dorf mit dem Haus von Rábach

Es war Cornelius, der älteste Sohn von Daniel Sullivan Rábach, vermutlich Ende zwanzig, der den Seemann noch am gleichen Abend auf brutale Weise umbrachte, in dem er ihm die Kehle durchschnitt. Eltern und Bruder waren ganz sicher Mittäter. Es war wohl keine Schwierigkeit, einen unbekannten Fremden zu beseitigen. Leider ist es nicht übermittelt, ob die Familie Rábach irgend etwas Wertvolles bei dem Seemann gefunden hat.

Zur gleichen Zeit an diesem Abend füllten die Mitglieder der anderen Sullivan-Familie Caoch Fässer mit Butter, die sie am nächsten Tag zum Markt nach Cork bringen wollten. Maire Caoch konnte durchs Giebel-Fenster den ermordeten Seeman sehen und teilte dies sofort ihrem Mann mit, der aber warnte seine Frau, niemandem davon zu erzählen, sonst würden sie das gleiche Schicksal ereilen. Es wird berichtet, daß sich der Mann gleich nach der Rückkehr von Cork ins Bett legte und verstarb.

Für die Witwe wurde das Leben fortan zu einer Tortour, denn die Rábachs machten ihr das Leben zur Hölle. Sie stahlen Vieh und Schafe und wollten sie sogar vom Land vertreiben. Irgendwann war das Maß voll und Maire wurde unvorsichtig und ließ durchblicken: Tá rún agam ort, agus ní ar ba ná ar caoiribhe. I know a secret about you and it’s not about cows or sheep. Ich kenne Dein Geheimnis! Und so kam, was zu befürchten war. An einem nassen und nebeligen Juni-Morgen 1814 folgte Cornelius Rábach der Nachbarin Maire hinauf auf die höher gelegenen Wiesen, wo die Kühe im Sommer gutes Weideland vorfanden, und erwürgte die arme Frau.

 


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Ausgerechnet eine junge Magd der Rábachs fand die tote Maire. Es sah so aus, als sei Maire gestolpert und mit dem Gesicht in einen Bach gestürzt. Die Magd alarmierte die Nachbarn. Man brachte Maire in ihr Haus und hielt ein „wake“ ab, zu dem natürlich auch Cornelius eingeladen wurde. Die Leute waren damals sehr abergläubisch und es wurde gesagt, wenn ein Mörder ins Zimmer der Ermordeten kommt, fängt der Leichnam an zu bluten. Das würde natürlich den Mörder entlaven und somit blieb Rábach der Zeremonie fern, was einen gewissen Verdacht bei den Nachbarn auslöste. Und so konnte Rábach auch kein Mädchen aus der Umgebung überzeugen, ihn zu heiraten – bis er schließlich eine Frau aus Glengarriff fand, mit der er vier Söhne hatte.

Das alte Dorf liegt unterhalb einer massiven Felsplatte

Die folgenden Jahre vergingen ereignislos für Rábach und seine Familie, bis zum März 1830. Daniel Sullivan Skilty, ein Mann aus der Gegend, der seinen Unterhalt damit verdiente, Kuhschwänze zu Seilen zu flechten und für 3 und 6 Pence zu verkaufen, wurde nach einem Unfall in den Kupferbergwerken von Allihies so schwer krank, daß er glaubte sterben zu müssen. Er ließ nach dem Priester rufen, der ihm seine letzte Beichte abnehmen sollte. Um sich zu erleichtern gestand er dem Priester, daß er den Mord an der armen Maire von einem sicheren Versteck aus mit angesehen, aber aus Angt vor Rábach lieber geschwiegen habe.

Der Priester überredete Skilty seine Aussage gegenüber dem Magistrat zu wiederholen, was er dann auch tat. Dies geschah vor Reverend William Godfrey, dem Rektor von Kenmare, und James Hickson, Agent im Dienste der Lansdowne-Familie (Petty-Fitzmaurice, Marquess of Lansdowne, Earl of Kerry, Earl of Orkney, Lords Shelburne). Umgehend wurde ein Haftbefehl erlassen, doch Cornelius Rábach konnte sich der Verhaftung fast neun Monate lang entziehen. Er fand in dem bergigen, fast unzugänglichen Gelände genügend Möglichkeiten, um sich zu verstecken. Es gibt sogar eine Höhle, die noch heute seinen Namen trägt, von wo aus er einen guten Blick übers Tal hatte und jede Bewegung sofort wahrnahm und darauf reagieren konnte. Rábach war zu diesem Zeitpunkt gerade 50 Jahre alt und immer noch ein sehr kräftiger und agiler Mann, so daß ihm das Versteckspiel nichts ausmachte. Einheimische in Süd-Kerry erzählten sich noch heute so manche Story über dieses Katz-und-Maus-Spiel.

Hier oben in den zerklüfteten Bergen kannte Sullivan Rábach sichere Verstecke

Dann aber, nach neun Monaten sollte Rábachs schwangere Frau ihr nächstes Kind zur Welt bringen. Auch die Polizei in Kenmare bekam davon Wind und schickte zwei Schutzmänner zusammen mit Maires Sohn Patrick Caoch ins Tal, um Rábach gefangen zu nehmen. Denn sie hatten richtig vermutet, dass der Doppelmörder sein Neugeborenes sehen wollte. Am 3. Januar 1831 wurde Rábach geschnappt und ins Gefängnis nach Tralee gebracht, wo ihm am 21 März 1831 der Prozess gemacht wurde. Das Gericht befand Rábach für schuldig, obwohl zuvor nie eine Autopsie bei Maire gemacht worden war. Rábach wurde zum Tode veurteilt und zwei Monate später, im Alter von 50 Jahren in Tralee gehängt.

Auch über die beiden Brüder von Cornelius Rábach, Michael und Denis, gibt es Schauriges zu berichten, aber das ist eine andere Geschichte . . .

 

Hinweis:  Schülern der Schule in Lauragh habe über die Geschichte von Cornelius Sullivan Rábach ein Theaterstück aufgeführt, das als Kurz-Film unter dem folgenden Link zu sehen ist: Klick

*Verschiedene Schreibweisen: Rábach, Rabhach, Ráib. Das irische Wort Rábach (gesprochen: Rawbuck) bedeutet: mutig, frech, schneidig, hemmungslos

 

Peter Bernhardt

Der Autor: Peter Bernhardt. Peters Geschichten von der Beara Peninsula erscheinen regelmäßig hier auf Irlandnews.

Fotos in diesem Beitrag: Peter Bernhardt, außer: Foto oben und unten: Markus Baeuchle