Irland Bäume

Wo der Bagger so billig
und der Farmer so willig.

 

Bald ist es geschafft. Bald wird wieder Gras gewachsen sein über den Frevel, das Schlachten, die besinnungslose Zerstörung der vergangenen Monate. Bald werden die Wunden unter neuem Grün verschwinden. Auch im vergangenen Winter hat der Baumbestand Irlands wieder schwer gelitten unter dem menschlichen Expansionsdrang. Das Baumschlachten hat auf der vermeintlich grünen Insel eine lange Tradition. Bei vielen Farmern und Grundbesitzern zählen Bäume nicht, sind allenfalls im Weg, wenn aus Landschaft Kapital wird und aus Natur Profit geschlagen wird.

Massaker am Wild Atlantic Wald: Ich bin vor einiger Zeit der Frage nachgegangen, warum im Land der Nachfahren der Kelten, die die Bäume für heilige Wesen hielten, der Brutalismus und die Zerstörungswut gegenüber Bäumen so gewaltig ausgeprägt ist. Den Beitrag findet Ihr hier. Ein kurzer Ausschnitt:

 

Der wichtigste Grund für das kühle Verhältnis von Mensch und Baum auf der Insel ist ein kollektives Unbehagen. Viele Irinnen und Iren erleben den Wald als feindlich, unheimlich und bedrohlich. Der Wald ist bis heute Teil der feindlichen Natur, nicht Inhalt eines Generationenvertrags wie in Deutschland und schon gar nicht romantischer Seelenraum oder Gegenwelt zum Moloch Zivilisation. Die Einschätzung einer erfahrenen Umweltschützerin und Ökologin, die schon viele Schlachten für die Bäume Irlands geschlagen hat, passt in dieses Bild. Sie sagt: „Der größte Feind der Bäume in Irland sind die Farmer, die die Bäume nicht mögen. Irische Bauern haben keine Wertschätzung für Bäume.“ So sind die Landmänner und Landfrauen, denen man gerne eine Nähe zur Natur nachsagt und die als Hüter der Landes und der Landschaft verklärt werden, heute die wahren Zerstörer.

 

 

Irland Naturzerstörung

Aus Landschaft wird Kapital, aus Natur Profit.

 

Nachzutragen ist, dass es den Landmännern heute leichter denn je fällt, die einst geachtete, gehütete und verehrte Landschaft im Handumdrehen mit Maschinenkraft zu zerstören. Der Freund, der einmal sagte, Irland sei nur aus einem Mangel an Gelegenheit (sprich Geldmangel in Armut) fürs Erste von der großen Naturzerstörung verschont geblieben, hatte recht. Die Maschinenarbeit ist billig geworden. Mehr Landbesitzer den je leisten sich heute einen eigenen Bagger – und wer nicht die eigene Schaufel in den Boden wuchtet, mietet sich eine für einen Tag oder zwei.

 

Irland Berge

Mit dem Bagger in die Berge. . .

 

So lassen sich ganze Baumreihen spielerisch in den Graben schieben, da braucht es noch nicht mal eine Kettensäge. Die berühmten irischen Hecken, die Autobahnen der Tiere, sie werden einfach zusammengeschlagen, abgehackt und zerfetzt. Oder man fräst mal schnell einen neuen Weg hinauf in den Berg. Was für uns wie eine grässliche Wunde in der Landschaft aussieht, macht Spaß und ebnet den bequemen Weg in die Höhe.

Ob die Behörden da nicht einschreiten, fragst Du? In der Regel nicht. Natur hat keine Priorität – und wenn die Räumtrupps der Lokalverwaltung mitmischen, verdienen die sich oftmals selber den Preis für das Baum-Massaker des Jahres.

Tiefpunkt (1)

Irland Bäume

Der Baum-Schlachter war hier

 

Nach dem Baum-Schlachtfest 2020/21 zeige ich heute meine WORST FIVE, die fünf Anblicke aus unserer Gegend in West Cork, die mich in diesem Frühjahr am traurigsten gemacht haben. Und nein: Ich fuhr nicht auf der Suche nach Schreckensbildern durch die Gegend. William Butler Yeats prägte für Irland einst den Begriff A Terrible Beauty. Der heutige Beitrag steht unter der Headline: Terrible. No Beauty. Schrecklich. Wo bleibt hier die Schönheit. (Die gibt es schon noch ausreichend hier. Sie ist aber mehr denn je bedroht, seit der Bagger so billig und der Farmer so willig . . . ).

 

Aua (2)

Irland Forstwirtschaft

Nachhaltige Forstwirtschaft?

 

Schmerz (3)

Irland Bäume

Wozu mit Kettensägen sägen?

 

Das Erbe der Kelten? (4)

Irland Wald

Nachhaltige Forstwirtschaft 2?

 

Das war eine Landschaft (5)

Irland Wald

Wann ist ein Wald ein Wald?

 

Bald aber, bald wird Gras drüber gewachsen sein. Bis zum nächsten Herbst. Nur dann und wann wird sich ein Tourist fragen, warum der Baumbestand auf der grünen Insel so schütter, so kleinwüchsig und so verkrüppelt ist – und warum man in den rasch wachsenden, dunklen Holzplantagen aus Sitka-Fichten nicht spazieren gehen kann . . .

Fotos: Markus Bäuchle