Castletownbere gemalt von Marcus Boehmer

Castletownbere, gemalt von Marcus Vallböhmer

 

Die Zeit und die Energien reichen nicht immer, um hier auf Irlandnews alles zu berichten, was interessant, wichtig oder einfach nur witzig wäre. Warum? Weil Irlandnews ein unbezahltes Hobby ist. Sie reichen oft nicht einmal dafür, zu schreiben und zu veröffentlichen, was schon recherchiert und notiert ist. Auch die Sozial-Seuche mit dem großen C beeinflußte unser Leben am Atlantik und untergrub schleichend den gewohnten Alltag. Ich nutze diese ruhigen Sommer-Monate, um Versäumtes nachzuholen. Hier die ersten drei der zuletzt verpassten Geschichten – mit der Bitte um Nachsicht und um Verzeihung bei den Wartenden.

 

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Fungie

Fungie, der verschollene Dingle-Delfin

Dingle muss sich neu erfinden

Dingle, das Städtchen auf der nördlichsten der fünf südwestlichen Halbinseln Irlands, muss sich endgültig neu erfinden. Der berühmteste Delfin Irlands,  ja Europas, ist nicht in seine Wahlheimat zurück gekehrt. Fungie, der große Tümmler, war 1983 nach Dingle geschwommen und  blieb 37 Jahre in dem Hafenstädtchen. Der menschenfreundliche Delfin erwarb sich die Trophäe als ältester lebender Delfin – vor allem aber als oberster Wirtschaftsförderer von Dingle, wichtiger als Failté Ireland, die katholische Kirche und die ferne Regierung in Dublin zusammen.  Fungie brachte Wohlstand nach Dingle.

Fast alle Reisenden, die auf die Peninsula kamen, wollten ihn sehen, den verspielten Meeressäuger, der wahrscheinlich dereinst aus einem englischen Vergnügungspark entwichen war. Fungie spülte die Touristen-Euros spielerisch in die kleine Stadt. Dafür setzten ihm die Bürger von Dingle, die das Melken von Delfinen schnell zur Paradedisziplin entwickelten, schon vor dem Verschwinden ein Denkmal.

Die Menschen in Dingle wussten natürlich bei aller Geschäftstüchtigkeit, dass alles ein Ende hat – auch Fungies Zeit im Hafenbecken vor der Stadt. Seit Fungies Verschwinden am 13. Oktober 2020 hatten sie gehofft, dass der Delfin doch noch zurück kehren würde. Nun ist aus geträumt.  Die Stadt und die Region müssen sich neu aufstellen. Die Erinnerung an einen toten Delfin alleine wird nicht aureichen. Oder lebt er doch noch? Hat er sich einer vorbei ziehenden Gruppe seiner eigenen Art angeschlossen? Oder wurde er erschossen, wie es die Boulevardzeitungen berichteten? Wir werden es wohl nie erfahren. Dingle Town muss sich derweil neu erfinden, um einer eher zweifelhaften Zukunft als Wallfahrtsort für einen verschwundenen Delfin zu entgehen.

:: Fungie war nicht der Einzige. Andernorts in Irland gibt es auch heute Orte, an denen einzelne wilde Delfine leben, die den Kontakt zu Menschen suchen. Wer kennt einen solchen Ort und den Delfin dazu? Fotos bitte unten in den Kommentaren oder direkt an mich: markus@irlandnews.com .

 

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Eine Saatgutbank der Liebe

Seedbank of Love

Die Seedbank im Postamt von Doohoma, Ballina

 

Meine pflichtschuldigste Geschichte: Seit dem März 2016, also seit über fünf Jahren, gibt es im Postamt von Doohoma, Ballina im County Mayo eine “Seedbank of Love & Stories”. Diese Saatgutbank für Liebe und der Geschichten zog vor über fast einem halben Jahrzehnt als deutsch-irisches Künstlerinnen-Projekt in den sich langsam entleerenden ländlichen Raum ein. Ich habe das Kunstprojekt nie vollends verstanden und wohl deshalb lange gezögert, darüber zu schreiben.  Die Seedbank ist ein Austauschort für Geschichten aus der ganzen Welt mit einem Bezug zu Irland. In den Gläsern werden auf Papier geschriebene Geschichten zum Lesen und Erinnern aufbewahrt. Die Seedbank-Erfinderinnen Doris und Anja haben dazu geschrieben:

Die Seedbank of Love & Stories ist ein Austauschort für Geschichten. Nicht die großen Geschichten, die Sagen und die Märchen, die schon in den Büchern geschrieben stehen. Nein. Es geht um die kleinen Geschichten, die uns täglich passieren und bewegen. Es geht um die Geschichten von etwas oder jemandem, der uns lieb und wichtig ist, um uns, unsere Familie, das Meer, den Wind oder um einen Kuchen, der gerade aus dem Ofen kommt (und vielleicht direkt danach von unserem lieben Hund angefressen wird). Für diese kleinen, simplen, Everydays Stories, die wir eigentlich gar nicht als besonders wertvoll einschätzen, ist in der Seedbank of Love & Stories Platz. Ja, die Seedbank lädt Sie ein, solche Geschichten zu lesen, und ihre eigene dort hinzubringen und gegen eine andere einzutauschen.

 

Seedbank of love and stories

Gläser, in denen Geschichten verwahrt werden

 

Sie lädt ein, die Menschen hinter diesen Geschichten zu erkennen, und uns so mit ihnen verbunden zu fühlen. Und so kann ein Ort entstehen, der Menschen über ihre Geschichten verbindet, ein Ort, der immer mehr Menschen zum Lesen und zum Geschichtenaustausch einlädt und damit immer mehr Menschen verbindet.

Damit der Ort und seine Geschichten nicht verborgen bleiben, ist dann gleich der nächste Plan, mit der Seedbank auf Tour zu gehen. Die Geschichten aus Doohoma mitzunehmen, sie gegen Geschichten von Menschen an anderen Orten zu tauschen und diese dann wieder hierher, in “Zentrum der Geschichten” im Doohoma Post Office, zurück zu bringen. Die erste Reise geht im Januar 2016 nach München.

Und was hat das mit der Post von Doohoma zu tun?

Seedbank of Love & Stories ist ein Kunstprojekt, das die Münchner Künstlerin Anja Uhlig in Zusammenarbeit mit Doris Affeldt und den Menschen in Doohoma realisiert. Die Idee zum Projekt enstand bei Anjas ersten Besuch in Doohoma in 2014. Sie beschreibt ihren Eindruck so:

“Als ich den Vorraum des Postamts von Dú Thuama / Doohoma entdecke, erinnert er mich an einen fast vergessenen Ort. Einen Ort, an dem die Geschichten der Welt zusammen laufen. Und von dem aus sie auch wieder verteilt werden können. Er erinnert mich an den alten Ort, an dem die Verbindungen zwischen Menschen erinnert werden und von wo sie auch sichtbar gemacht werden können. An den Nabel der Geschichten der Welt.”

 

:: Wer diese wundersame Saatgutbank der Liebe im schönen County Mayo heute noch findet und besucht, könnte ein aktuelles Foto unten in der Kommentarspalte einstellen – oder es mir zur Veröffentlichung per Email zuschicken: markus@irlandnews.com  

 

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Der Maler Marcus malt Irland

Basketmaker

Korbmacher Martin

 

Vor dieser lähmenden, kränkelnden und oft tödlichen Zeit reiste ein Maler aus Deutschland mit seiner Frau gerne durch Irland. Sie heißt Jeannette und macht die Kontakte, er hält seine Eindrücke in Bildern fest, in denen ich beim Betrachten bisweilen die tiefere Realität unserer Landschaft und seiner Menschen erkannte: Marcus Vallböhmer malte auch Irland. Die beiden hatten mir im April 2020 geschrieben und einige Kostproben von Marcus Kreativität vom Irland-Besuch 2018 geschickt. Jeannette und Marcus leben in Jestetten bei Freiburg und fühlen sich in Irland sehr wohl.  Marcus malte hier unter anderem unseren gemeinsamen Bekannten, den Korbmacher Martin (Bild), oder die nahen Orte Castletownbere (ganz oben) und Baltimore Beacon (unten). Demnächst gibt es hier ein paar weitere seiner Bilder.

::  Marcus Vallböhmer ist gelernter Maler und lebt von seiner Kunst. Wer sich ein schönes Stück Irland ins eigene Heim holen will, kann hier mit ihm Kontakt aufnehmen : Klick

 

The Beacon

Der Baltimore Beacon, gemalt von Marcus Vallböhmer

 

“Nachgereicht” wird fortgesetzt.

 

Fotos und Bilder: Seedbank [2] von Anja Uhlig; Drei Gemälde von Markus Vallböhmer; Fungie, privat.