Wenn ein deutscher Autofahrer ein “Knöllchen” für Falschparken oder zu schnelles Fahren bekommt, weiß er, was er zu tun hat: Er bezahlt den Strafzettel eilfertig und pflichtschuldigst. Wenn einem Iren dasselbe widerfährt, weiß er in der Regel, was er nicht zu tun. Ein irischer Bekannter machte uns vor Jahren auf den kleinen Unterschied aufmerksam: “Es ist eine Sache, ob Du einen Strafzettel bekommst, und es ist eine andere, ob Du diesen dann auch bezahlst.” Ja, das Sammeln und Nichtbezahlen von Bußgeldern zählen die vergleichsweise anarchischen Iren zur Kategorie des konsequenz-freien Volkssports.

Der Bußgeldbescheid unter dem Scheibenwischer nimmt schnell die Gestalt einer Papierkugel an, die im Kofferraum verschwindet und sich dort zu ihresgleichen gesellt. Als routiniert gilt, wer 30 oder mehr unbezahlte Bußgeldbescheide durch die Gegend chauffiert. Einer der frustrierendsten Jobs auf der Insel ist deshalb der des Parkwächters in Dublin. Die Kontrolletis teilen fleißig Tag für Tag ihre Protokolle aus – und kaum jemanden interessiert es.

Ein städtischer Verkehrspolizist erzählt: “Den Leuten sind die Strafzettel einfach egal. Sie ignorieren diese, bis sie eines Tages vor den Richter treten müssen. Dort zeigen sie dann Reue, behaupten, es wäre das erste Mal passiert und sie hätten ohnedies kein Geld. Sie kommen mit einer Bagatellstrafe davon – und das Spiel beginnt von Neuem”.

Die Wächter über den ruhenden Verkehr haben deshalb in den vergangenen Jahr mehr und mehr aufgerüstet, um dem Gleichmut von Falsch- und Dauerparkern behördliche Härte entgegenzusetzen: Wer sich in Dublins Straßen nicht an die Regeln hält, läuft Gefahr, dass sein Auto mit einer Parkkralle verziert wird und nicht mehr vom Fleck zu bewegen ist – bis das Bußgeld bezahlt ist. Sechs Monate hat der Autobesitzer Zeit, der Forderung nachzukommen, danach kann er sein “Heiligs Blechle” in kompakter Würfelform auf dem “Scrapyard” bestaunen. Die Stadt Dublin zumindest ist dazu übergegangen, die Karossen säumiger Zahler nach einem halben Jahr Abwarten zu verschrotten.

Das ist die Rache der Frustierten, und der Herr der Parkkralle berichtet stolz vom stoischen Werk der Schrottpresse: “Wír haben schon platt gemacht, was Du Dir nur vorstellen kannst: Vom Mercedes über den Toyota-Geländewagen und den Range Rover bis zum BMW.”   Ein ungewöhnliches Völkchen von Autofahrern provoziert zum einsatz von ungewöhnlichen Mitteln.