Mögen Sie Rindfleisch? Womöglich sogar Irish Beef? Ja? Nein? Lesen Sie Nicolas Blog-Geschichte über saftige Weiden, sexy Farmer und irische Werbung für irisches Fleisch.

Da steht er: mitten auf der Wiese, strotzend vor Kraft, kein Gramm Fett zu viel. Nein, nicht der irische Bulle, dessen Fleisch wir essen sollen, sondern das schmucke männliche Model, das einen irischen Bauern mimt und für die Leserinnen einer großen deutschen Frauenzeitschrift den Hingucker in einer Anzeige macht.

Eine große Werbe-Kampagne des Irish Food Board (Bord Bia) ist im Internet und in den Printmedien konzentriert dabei, das Fleisch irischer Rinder auf deutsche Teller zu bringen. Argumentiert wird mit der vergleichsweise natürlichen Aufzucht der Tiere; dass sie weitgehend im Freien grasen dürfen, soll sich positiv auf Geschmack und Konsistenz auswirken. Dabei werden natürlich bevorzugt bewährte Fleisch-Rassen wie Charolais, Hereford und Angus eingesetzt.

Optisch müssen auch die irische Landschaft und Kleeblätter auf dem Holz-Schneidebrett herhalten, um Stimmung zu erzeugen. Auf www.irishbeef.de werden sogenannte “Beef-Tester” gesucht; ein Job, der nur durch Teilnahme an einer Verlosung zu erlangen ist, und nach dessen Gewinn man in einer Kühlbox Grillfleisch für acht Personen geliefert bekommt. Die Arbeit besteht im Zubereiten und Aufessen des vermutlich ziemlich teuren Fleischs und darin, anschließend eine Bewertung im “Beef-Blog” abzugeben. Außerdem kann man zusätzlich noch eine Reise nach Irland gewinnen und Beef-Tester der Woche werden.

Dass ständig nur von “beef” und nicht von “Rindfleisch” die Rede ist, passt zum Zeitgeist, der vor einigen Monaten sogar eine Publikation mit dem Titel “BEEF! – Für Männer mit Geschmack” auf den übersättigten Zeitschriftenmarkt geworfen hat. Die Zielgruppe? Sicherlich keine Vegetarier… Statt dessen werden die “Kings of Kitchen” gekürt, Anleitungen zum Selberwursten gegeben und spannend fotografierte “Dicke Dinger” gezeigt – womit hier Frikadellen, Ribs und Steaks gemeint sind.

Aber zurück zum Irish Beef. Dass Rinder-Farmer leider nicht alle so “handsome” sind wie der in der Anzeige, wird deutlich, wenn auf www.irishbeef.de einige Rinder-Bauern persönlich vorgestellt werden. Egal, denn sie sind bereits seit Generationen vom Fach, wirtschaften angeblich artgerecht und weisen Auszeichnungen vor. Ein wenig mau wird mein Bauchgefühl beim nächsten Stichwort: “Nachhaltigkeit ist bei uns seit Jahrhunderten im Trend” wird da behauptet – “Irische Farmer pflegen seit jeher einen nachhaltigen, verantwortungsvollen Umgang mit der Natur… Weiden werden in Irland traditionell von Hecken begrenzt. Und die bieten zahlreichen bedrohten Tier- und Pflanzenarten ein natürliches Biotop. Rund 80 % aller irischen Rinderfarmer haben sich im Rahmen des Rural Environment Protection Schemes freiwillig zu zahlreichen Umweltschutzmaßnahmen für Wasser, Land und Artenvielfalt verpflichtet.”

Aha. Da muss ich wohl Abbitte leisten – ich hatte angesichts teilweise recht verwahrloster Gehöfte, wilder Müllkippen auf den Weiden und Aktionen wie dem jährlichen Ginsterabbrennen ein etwas anderes Bild von der irischen Farmerschaft gewonnen. Ganz zu schweigen von dem Umstand, dass es die Rinder sind, die mit ihrem Methanausstoß an den Ursachen der Klimaerwärmung beteiligt sind.

Seit einigen Jahren gibt es bereits in den Niederlanden, in Belgien und Frankreich einen sogenannten “Chefs’ Irish Beef Club”, nun hat Deutschland im Mai nachgezogen: sieben deutsche Spitzenköche, inklusive Claudia Poletto und Kolja Kleeberg, wurden bei einem festlichen Dinner in der Residenz des irischen Botschafters mit den Insignien der Clubmitgliedschaft (besondere Kochjacken und ein kleiner Bulle aus Bronze zum Hinstellen) ausgestattet. Dafür dürfen sie nun kräftig Werbung machen, viel Beef verbrutzeln und verbraten und sich auf irische Kosten im September auf der Grünen Insel vor Ort anschauen, wo der Nachschub herkommt.

Das Bord Bia, das Irish Food Board, sieht sich als verbindendes Element zwischen irischen Produzenten von Lebensmitteln, Getränken und Landwirtschaftserzeugnissen und potentiellen Kunden weltweit. Es sollen Märkte für irische Lieferanten erschlossen und der ganzen Welt die irische Geschmacksvielfalt nahe gebracht werden. Zum Glück fallen die Probleme der irischen (Land-)Wirtschaft mit einem wachsenden Qualitätsbewusstsein der mitteleuropäischen Verbraucher/innen zusammen, was ihre Lebensmittel betrifft. Wer gutes Fleisch schätzt, wird sich von der “Irish Beef”-Werbung sicher gern neugierig machen lassen. Die anderen basteln sich aus der Anzeige einen sexy Star-Schnitt.

Quellen: www.irishbeef.de

www.beef.de www.restaurant-news.de/sieben-deutsche-spitzenkoeche-gruenden-den-chefs-irish-beef-club

Foto: Eingescannte Original-Anzeige aus dem “Brigitte”-Heft 11/2012.