Singen in Irland“Wo man singt, da lass’ dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder.“ Hat  der teutsche Volksmund recht mit seiner Behauptung? Die Wanderer dort oben in den Bergen von Beara jedenfalls ließen sich auf einer Bergkuppe nieder, um ihr Lied übers Meer hinaus zu schmettern, dirigiert von einer Chorleiterin. Was sie wohl gesungen haben mögen, “diese seltsamen Germans”, die selbst im Regen auf Bergen herumklettern? Wir wissen es nicht, sie waren zu weit entfernt.

Die Iren jedenfalls sind meist großartige Sänger, auch wenn sie sich lieber der Diziplin “Indoors” widmen und mit “Frühtau-zu-Berge-wir-singen-fallera” nicht allzu viel am Hut haben. Die Iren bevorzugen beim Gesang die Nähe eines Zapfhahns oder eines gut gedeckten Tisches. Kaum ein Fest, keine Fete oder Party, bei der nicht früher oder später gesungen würde.

Leicht gerät der fortgeschrittene Abend  im Kreis irischer Freunde für teutonische Sanges-Muffel zum Peinlichlkeitgipfel. Denn auch sie werden garantiert alsbald aufgefordert, ein Lied aus ihrer Heimat zum Besten zu geben. Und während sich die Backen röten und das Gehirn verzweifelt die innere Jukebox nach geeignetem Liedgut durchstöbert (“Frühtau? Nein. Zu spät. Gedanken frei. Ach nee. Wandern Müller. Wie peinlich. Komm zu dem Tisch unter Pflaumenbäumen? Zu schwer”), läuft in einer Prallelwindung des Gehirns der Faktencheck ab: Böse Menschen haben keine Lieder? Warum hat der dann gerade gesungen, der kleine Dicke mit Brille da hinten, der bösartige Lurch, der  . . . Also doch: “Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten . . .  ich liebe den Wein, mein Mädchen vor allen, sie tut mir allein am besten gefallen. . . ” Sláinte und zum Wohl.