Skellig Michael, einer der schönsten Orte Irlands, sorgt erneut für Negativ-Schlagzeilen. Auf dem bizarren Klosterfelsen im Atlantik, zwölf Kilometer vor der Küste Kerrys, stürzte am Wochenende eine amerikanische Touristin in den Tod. Die 57-jährige Frau aus New York, die die Insel mit ihrem Mann besuchte, stürzte zehn Meter in die Tiefe und starb an Kopfverletzungen. Bereits im Mai war ein 77-jähriger Amerikaner auf Skellig Michael ums Leben gekommen. Nun ist die Aufregung groß, und die Regierung kündigte eine umfangreiche Untersuchung der Sicherheitsvorkehrungen auf Skellig Michael an.

Der Wanderer hatte das aus dem 7. Jahrhundert stammende Kloster auf der Spitze des Inselfelsens im vergangenen Jahr besucht. Der anstrengende Weg zu der einzigartigen “UNESCO World Heritage Site” führt hinauf auf steilen ungesicherten Steintreppen. Über 600 unregelmäßig in den Fels gehauene und platzierte Stufen sind zu bewältigen – auch im Wind, ohne jeglichen Halt. Bemerkenswerter noch der Weg zurück: Mit Blick in den Abgrund ist ausgeprägter Gleichgewichtssinn beim Abstieg gefragt.
Zurück auf dem kleinen Fährboot, das an jenem herrlichen Frühlingstag zwölf Besucher von Portmagee zu “Michaels Felsen” brachte, erkundigte sich ein erstaunter Wanderer beim Bootsmann über die Sicherheitsverhältnisse auf der Insel. Er bekam zur Antwort, dass alles komplett sicher sei – und dass auf der Insel nie etwas Schlimmes passiert sei. Später kaufte er sich einen Skellig-Führer und las all die gruseligen Geschichten von den vielen Leuchtturmwärten, deren Kindern und Besuchern, die im Lauf der Jahrhunderte auf dem heiligen Felsen zu Tode kamen.

Auf- und Abstieg: Eine große Herausforderung

Dem Wanderer war aufgefallen, dass die Zahl der täglichen Besucher zum Schutz der Insel zwar streng begrenzt ist und im Jahr die Zahl von 11.000 Besuchern kaum übersteigt, dass an den Gesundheitszustand und die Fitness der Besucher allerdings keinerlei Anforderungen gestellt werden. Der Auf- und Abstieg auf Skellig Michael ist äußerst anspruchsvoll, anstrengend und herausfordernd. Was also tut man übergewichtigen, gebrechlichen, kreislaufschwachen oder höhenängstlichen Menschen an, die man ohne Aufklärung auf die Insel befördert und sie dort sich selber überlässt.

Das Boot brachte die Besucher zur Insel – bei schwerem Wellengang scheiterten einzelne Besucher fast schon am Aus- und Einsteigen am schwer zugänglichen Pier der Skellig. Das Boot kehrte nach dem Entladen um und wartete in ruhigerem Wasser auf die Rückkehr der Touristen. Diese waren nach der Landung völlig auf sich selbst gestellt. Weil es auf dem Felsen nur diesen einen Weg und nur dieses eine Ziel gibt, wollen die meisten Besucher dieses Ziel auch unbedingt erreichen – und gehen gerne bis an ihre Grenzen oder überschreiten diese gar.

Stairway to Heaven – im unteren Teil sogar mit Handlauf

In einem Land, wo man sich bisweilen schon für das unfallfreie Einnahmen einer Mahlzeit eine gelbe Signaljacke anlegen muss, wo Veranstalter launiger Sonntagsspaziergänge angehalten sind, den Teilnehmern “Health & Safety Briefings” zu erteilen, wo vielerorts groteske Warnhinweise auf das Selbstverständliche hinweisen – in demselben Land wird der Betrieb der großartigen Insel Skellig Michael völlig lässig, möglicherweise fahrlässig gehandhabt: Wer (ein Ticket kaufen) kann, der darf – und wer nicht kann, auch.
Keine Frage: Die Insel zeigt sich dem Besucher heute wie vor 1300 Jahren, und das macht ihren Reiz aus. Sie darf nicht mit Geländern, Aufzügen, gar Rolltreppen für reichlich genährte Fototouristen aus dem entfernten Westen – die gerne auch auf der Bahre zum Südpol reisen – verunstaltet werden. Eine sorgfältige Auswahl derer, die die Insel besuchen dürfen, sowie die Begleitung durch fach-, orts- und sachkundiges Führungspersonal sind jedoch unabdingbar.
Es mag ungerecht klingen, aber es rettet im Zweifelsfall Leben: Für viele Skellig-Besucher ist das Skellig Experience Center auf Valentia Island der einzig richtige und sichere Ort, um die Insel zu “erkunden”.