Sonntag ist der Tag des Herrn, da soll man keine Arbeit tun? Nicht so im katholischen Irland. Hier ist der Sonntag stets ein geschäftiger Tag. Viele Shops haben geöffnet, die Leute kümmern sich wenig um die Sonntagsruhe – und gerne wird nach dem Kirchgang der Rasenmäher angeworfen oder ein bisschen im Garten rumgesägt. So trifft es sich gut, dass viele Menschen auf der Insel heute morgen ihre Terrassen und Vorgärten räumen müssen: Die Zeichen stehen auf Sturm. Die Medien melden mit Inbrunst sintflutartige Regenfälle und Sturmwinde für den Nachmittag. Die Behörden geben Unwetterwarnungen heraus, als gäbe es kein Morgen. Sie holen damit wohl nach, was sie vor einem Jahr, im November 2009 alles verpassten – als eine gewaltige Flut die Insel für Wochen unter Wasser setzte und niemand darauf vorbereitet war.

Anders der November 2010: Es werden Wälle gebaut, Sandsäcke positioniert, Wohnungen und Geschäfte vorsorglich ausgeräumt. Auch wenn viele Hochwasserschutzprojekte in den vergangenen zwölf Monaten wieder nicht gebaut wurden: In diesen Tagen will man es besser machen und das Wasser nicht einfach gottergeben hinnehmen,um dann hinterher  über die biblische Jahrhundertflut zu jammern.

Wie schlimm es heute abend und morgen früh werden wird, wie hoch das Wasser steigt und wie heftig die Winde vom Atlantik die Küste peitschen: Keiner weiß es genau. Die Vorzeichen allerdings lassen eine gewaltige Flutwelle und viel Regen erwarten. Es kommt an diesem Wochenende einiges zusammen: Der Neumond sorgt für einen Tiden-Höchststand des Meeres mit gewaltigem Druck auf die Flüsse, die sich ins Landesinnere zurückstauen, und über den Atlantik rasen die Ausläufer eines amerikanischen Hurrikans auf Westeuropas Küste zu. Zusammen mit großen Regenmengen und überlaufenden Flüssen könnte tatsächlich eintreten, was die Wetterexperten befürchten: eine gewaltige Flut. In Dublin, Cork und Galway hat man sich jedenfalls gerüstet so gut es geht. Städte und Städtchen wie Bandon und Bantry könnten bereits heute nacht wie Klein-Venedig aussehen.

Noch ist alles ruhig. Morgensonne. Fünf Grad. Kaum ein Lüftchen, die letzten Blätter an den Bäumen wiegen leicht uns sanft bei einer Windstärke unter 1. Es ist die Ruhe vor dem Sturm – und wir gehen raus und räumen die Topfpflanzen, Blumenkästen, Gartenstühle ab – zurren fest an, was nicht angebunden ist.