„Zwischen den Jahren“ nennen wir dieses Zeitloch, die Tage zwischen Weihnachten und Silvester, in das wir uns jedes Jahr gerne fallen lassen. Das klingt wie eine Zeit außerhalb der Zeit. Wie eine Zugabe, die keinem Geschäftsjahr, keinem Terminkalender, keinem Business-Partner und keinem Vorgesetzten gehört. Nur uns selbst. Es heißt, in der hektischen Betriebsamkeit der mobilen Welt sei das Zeitloch zwischen den Jahren verschwunden; ätzende Phänomene wie ständige Verfügbarkeit, Handy-Fessel und Termin-Überdruck hätten es aufgelöst. Das stimmt nicht. Es existiert. Wir sind darin verschwunden. In Irland, am Atlantik, am westlichen Rand Europas. Abseits der Shopping Malls, gewiss. Abseits der Taktgeber der Zivilisation. Für einige Tage, die Tage zwischen den Jahren.
Wir spazierten auf alten Straßen, verwachsenen Wegen. Wir sahen verlassene Häuser, in denen seit langem niemand mehr wohnt. Ferienhäuser von Holländern, Deutschen, Franzosen, Engländern, in denen seit langem keine Ferien mehr gemacht werden. Dutzende. Hunderte? Dieser Ort hat viele Fremde angelockt. Viele Fremde, die kamen, konnten sich die Faszination der Illusion vom Neuanfang nicht erhalten. Sie sind längst wieder weg. Ihre Häuser bleiben, für eine Weile noch, Relikte aus vergangenen Jahrzehnten. Es heißt, jedes dritte Haus in der Gegend stehe leer.
Wir besuchten eine alte irische Freundin. Sie kam als junge Frau aus Donegal nach West Cork. Auch sie ist in der neuen Heimat ein Stück weit Fremde geblieben. Zumindest wenn sie sich mit den „Locals“ vergleicht. E. misstraut dem Konzept der neuen Heimat. Sie sagt: „Viele Fremde kamen an diesen Ort. Viele sind wieder gegangen. Sie haben es hier nicht ausgehalten.“ Und ergänzt: „Wir fühlen uns an einem neuen Ort nur wohl, solange wir genug Geld haben, um jederzeit in die alte Heimat zurückzukehren.“ E. hat die Welt bereist, wohnte an vielen Orten. Weiß sie mehr als wir?
Wir spazierten in einem alten Garten inmitten eines uralten Eichenwaldes. Dieser Garten war noch in den 80-er Jahren ein Vorzeigegarten in Irland. Der stolze Besitzer präsentierte seine exotische Pretiosen-Sammlung im Februar 1989 im ersten Programm des irischen Fernsehens. Der Engländer führte ein kultiviertes Leben, die Winter auf Malta, die Sommer in Irland. Wie Mehltau liegen die Flechten auf den Bäumen und Büschen. Die Exoten aus dem Süden haben hier keine Zukunft. Die geometrischen Linien des formalen Gartens sind längst verschwunden. Robuste heimische Gewächse holen sich den Garten zurück. Natur ringt Kultur nieder. Langsam. Unerbittlich.
Wir spazierten am Strand, am steinigen menschenleeren Strand. Das Meer verrichtet sein Geschäft tagein, tagaus, im ewigen Rhytmus von Ebbe und Flut. Zeitlos, die Gezeiten. Ohne Alter.
Ach Gott,gerade aus dem Zeitloch wieder in der Zivilisation gelandet :-(
Ich lasse mir diese Zwischenzeit auch mitten auf dem Kontinent nicht nehmen. Begegnungen mit Menschen, mit der Natur, nachdenken, nachspüren… kleine Traditionen der Rauhnächte pflegen – ich bin immer noch Herrin meines Terminkalenders und meines Handys, ich weiß, wo die Aus-Knöpfe an Geräten sind und benutze sie auch.
Wie heißt es so schön: „Wer will, findet Wege, wer nicht will, findet Gründe.“ ;-) In diesem Sinne: ein gutes Neues an alle!
Ich liebe dieses Zeitloch zwischen den Jahren. Das Wissen darum, dass das Leben da draußen beständig weitergeht, gibt Gelassenheit, sich selber zurückzuziehen, Rückschau und Ausschau zu halten. Innezuhalten.
Viele Grüße ins „irische“ Zeitloch!
Susanne
Zwischen den Jahren – ja, das ist die Zeit, die bald vorbei ist. Eine besondere Zeit.
Ebbe und Flut, auf und ab. Kurzer Stillstand zwischen auf- und ablaufendem Wasser. Dieser Stillstand bevor der Strom kentert – Zwischen den Jahren.
LG Heidi
„Das Meer verrichtet sein Geschäft…“ Schön ausgedrückt und wie ich finde sooo beruhigend!
Grüße ins Zeitloch :-)
Elisabeth
(die gerade in einem winterlichen Zeitloch in Österreich weilt)