Irland nach dem Sturm

Nach dem Sturm: West Corks Natur in ihrer ganzen Schönheit. Foto: Markus Bäuchle

Das Wetter in Irland kehrt zur Normalität zurück. Auch Sturm Nummer zehn seit Dezember und Nummer zwölf seit Oktober ist vorbei. Der Hurricane-ähnliche Sturm vom vergangenen Mittwoch war der heftigste der Saison und auch seit einigen Jahrzehnten. Jetzt ist Ruhe eingekehrt, und das Wetter zeigte sich von seiner schönen Seite. Wie leicht könnte man alles ganz schnell vergessen: Die Luft frisch, klar und rein. Der Blick weit. Ein Hauch von Frühling.  

Am Samstag schrieb ich auf Facebook: “Gestern nacht kam der Strom zurück. Der Mittwochssturm war der heftigste, den wir in 14 Jahren in Irland erlebt haben. Zwischen 12 und 13 Uhr Windspitzen bis 170 km/h. Hurrikane-like. Die Meterologen haben nicht zuviel versprochen. Der Nachbarin flog das Dach vom Pferdestall 100 Meter durch die Luft, den anderen Nachbarn flogen die Bäume um die Ohren, einem dritten Nachbarn zerfetzte es ein Mobile Home. Wir hatten großes Glück. Hunderte große Bäume wurden in unserer Umgebung entwurzelt. Dann zweieinhalb Tage Stromausfall, kein Wasser, keine Heizung, kein Telefon, kein Handyempfang, kein Internet. Aber erfreulicherweise blieben alle Menschen heil. Irland erträgt auch diese schlimmen Stürme mit stoischer Ruhe, völlig unaufgeregt. Jetzt sind wir wieder telefonisch erreichbar und arbeitsfähig. Hallo Welt!” Es bleibt zu ergänzen, dass nun im Gefolge der Stürme doch Menschen umgekommen sind: Ein junger Mann fuhr mit seinem Wagen im County Tipperary in einen umgestürzten Baum, hier in Glengarriff starb ein Mitarbeiter des Telekomunternehmens Eircom durch einem herabstürzenden Telefonmast bei Reparaturarbeiten.

Die beiden Fälle sind tragisch: Die irischen Stürme sind dennoch im Vergleich zu den Monsterstürmen in den Tropen oder in Nordamerika noch immer relativ zahme Wettererscheinungen. Alleine der Taifun Hayjan tötete im vergangenen November auf den Philippinen über 10.000 Menschen. Das sind wahre menschliche Tragödien. Die Iren nehmen das Wettergeschehen denn auch sehr gelassen. Der Irish Times-Kolumnist Donald Clarke erinnert sich selber regelmäßig daran, dass seine Großeltern noch in Häusern ohne Strom wohnten und  sich nicht wie wir vom schlechten Wetter abschotten konnten. Sie waren der Natur noch ausgesetzt, mussten harte Winter physisch überstehen, waren in ihrer Existenz bedroht. Das ist nur wenig mehr als ein Jahrhundert her. Unsere Generation, so folgert Clarke, glaubte bis eben noch, in einer Post-Natur-Epoche zu leben. 

Leben nicht allzu viele Menschen gefühlt in einer Welt ganz außerhalb der Natur, in einer Gesellschaft, die die Natur vermeintlich beherrscht, kontrolliert, unterwirft und aus dem Alltag ausschließt? Zuhause in der natur-fernen Zivilisation. Die Körper geschützt in den Hüllen von Häusern, Städten, klimatisierten Zonen. Das Bewusstsein und die Aufmerksamkeit ausgelagert in Twitter-Facebook-Google-Welten. Nur essen und auf Toilette gehen müssen wir dazwischen noch in der physischen Welt. Doch nun klopft das menschengemachte Schlechtwetter mit zunehmender Härte auch an die Türen und auf die Dächer natur-und-umwelt-vergessener Wohlstands-Iren. Ein Weckruf vielleicht?